Neue Bildungspläne: Hamburg schreibt Lehrkräften 50 % der Unterrichtsinhalte vor, 50 % sind frei wählbar – Modell für Deutschland?

26

HAMBURG. Hamburgs Schülerinnen und Schüler starten mit neuen Bildungsplänen ins Schuljahr 2023/24. Nach heftiger Kritik verschiedener Verbände stellte Schulsenator Ties Rabe (SPD) nun überarbeitete Bildungspläne seiner Behörde vor. «Wir haben die guten Anregungen, aber auch die Sorgen der Schulwelt sehr ernst genommen und die Pläne erheblich überarbeitet», sagte Rabe. Ein zentraler Punkt: Die umstrittene Kompetenzorientierung wird zwar formal auf alle Fächer ausgeweitet, dafür aber erstmals von konkreten inhaltlichen Vorgaben flankiert. Ein Vorbild auch für andere Bundesländer?

Legt neue Bildungspläne vor: Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, Sprecher der SPD-geführten Kultusministerien in Deutschland. Foto: Michael Zapf / BSB

Rabe sprach von einem sehr guten Kompromiss. «Wir haben bisher alles mit der Schulwelt zusammen gemacht, und so soll es auch in Zukunft weitergehen.» Anders als erste Entwürfe sehen die neuen Bildungspläne keine zusätzlichen Klausuren vor. Dieser Punkt hat laut Rabe für die größte Aufregung gesorgt. «Ich glaube, dass der Vorschlag, den wir jetzt machen, allen Beteiligten entgegenkommt.» Wie bisher können zahlreiche Klausuren – bis auf solche in Rechtschreibung und Mathematik – durch alternative Leistungen wie Referate oder Präsentationen ersetzt werden. Hier sollen in einem Dialog mit allen Beteiligten gemeinsam mit Wissenschaftlern gute Beispiele gesammelt und Qualitätsvorgaben entwickelt werden. Weiterhin gelte auch die alte Regel bei der Benotung – «Das Schriftliche darf nicht überwiegen».

Die ersten Planentwürfe waren unter anderem von der Elternkammer, der Lehrerkammer, den Grundschulleitungen und den Leitungen der Stadtteilschulen kritisiert worden. Sie bemängelten, dass es mit ihnen keinen offenen Dialog gegeben habe und wehrten sich gegen ein «unzeitgemäßes Pauken». Rabe hatte die ursprünglichen Entwürfe mit dem Satz präsentiert: «Leistung mag anstrengend sein, aber sie macht glücklich!»

«Kompetenzen werden nicht im ‚luftleeren‘ Raum erlernt, sondern immer an konkreten Bildungsinhalten»

Ein weiterer Kritikpunkt war die geplante neue Stofffülle. Vor diesem Hintergrund habe man die Bildungsinhalte gegenüber den Entwürfen noch einmal in allen Fächern deutlich reduziert – bis auf Mathematik, sagte Rabe nun. Die umstrittene Kompetenzorientierung bleibt erhalten, wird formal sogar jetzt auf alle Fächer ausgeweitet. Allerdings wird sie erstmals ergänzt durch Kerncurricula mit inhaltsbezogenen Anforderungen, die verbindlich zu erarbeitende Themen, Inhalte und Lerngegenstände ausweisen.

So heißt es im allgemeinen Teil der neuen Bildungspläne: «Kompetenzen werden nicht im ‚luftleeren‘ Raum erlernt, sondern immer an konkreten Bildungsinhalten. Die Kompetenz, Gedichte zu verstehen und zu interpretieren, wird erlernt durch die Befassung mit Gedichten. Die Kompetenz, Lösungsstrategien für den Klimawandel zu entwickeln, wird erlernt durch die Befassung mit Phänomenen des Klimawandels. Fach- und Sachinhalte sind insofern Voraussetzung und Grundlage für das Lernen von Kompetenzen. Eine gute Kompetenzorientierung setzt zudem ein solides Fach- und Sachwissen voraus. Ohne ein solides Fach- und Sachwissen können Schülerinnen und Schüler zum Beispiel viele Texte nur sehr mühsam oder gar nicht verstehen, weil ihnen Fachbegriffe fehlen oder das nötige Wissen fehlt, um die Textinformationen zu entschlüsseln. Ohne ein solides Fach- und
Sachwissen können Schülerinnen und Schüler beispielsweise weder eine Zeitung lesen noch Nachrichten in den Medien verstehen und haben kaum eine Chance, kritisches Denken zu entwickeln oder an der Gesellschaft teilzuhaben. Kompetenzen und Inhalte sind in vielen Fällen nicht zu trennen und bedingen einander.»

Was bedeutet das für die Curricula? Als Beispiel nannte Rabe die Vorgaben im Fach Deutsch in der Grundschule. Hier habe in den alten Bildungsplänen lediglich gestanden «Der Schüler soll Texte schreiben», jetzt benennen die Pläne fünf verschiedene Textsorten konkret. Laut Schulbehörde beanspruchen die neuen Inhalte alles in allem jetzt rund 50 Prozent der Unterrichtszeit, die anderen 50 Prozent könne die Schule selbst gestalten. Hier allerdings ist Rabe zurückgerudert. Er hatte ursprünglich deutlich mehr inhaltliche Vorgaben vorgesehen. Im Fall Deutsch: Die Schulbehörde wollte im ersten Entwurf neun verschiedene Textsorten – statt fünf – vorschreiben.

«Wir wissen auch, dass die Schulen jetzt ein bisschen Arbeit vor sich haben, um sich auf diese Bildungspläne einzustellen»

Beibehalten wurden die von der Schulwelt begrüßten neuen Leitperspektiven «Bildung für nachhaltige Entwicklung», «Werte für ein gelingendes Zusammenleben in einer solidarischen, vielfältigen Gesellschaft» und «Leben und Lernen in einer digital geprägten Welt». Das Thema Inklusion sei in die Präambel der Bildungspläne aufgenommen worden. «Die Pädagoginnen und Pädagogen gehen mit den Stärken, Talenten und Kompetenzen ebenso wie mit den Herausforderungen und Unterstützungsbedarfen ihrer Schülerinnen und
Schüler so um, dass diese ihre individuelle Entwicklung aktiv gestalten können und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt werden», so heißt es darin vage.

Die neuen Bildungspläne sind online einzusehen. Sie sollen nach den Sommerferien schrittweise mit einer dreijährigen Erprobungsphase eingeführt werden. «Wir wissen auch, dass die Schulen jetzt ein bisschen Arbeit vor sich haben, um sich auf diese Bildungspläne einzustellen», sagte Rabe. Die Erprobungsphase werde wissenschaftlich begleitet, um die Unterstützungsmaßnahmen zu überprüfen und zu verbessern, aber auch um eventuelle Unschärfen oder Probleme der neuen Bildungspläne zu heilen. Nach dieser Phase sollen die Bildungspläne am 1. August 2026 vollends in Kraft treten.

Die überarbeiteten Bildungspläne lösten ein geteiltes Echo aus. Während die Grünen die neuen Pläne als «tragfähigen Kompromiss» bezeichneten, forderte Sabine Boeddinghaus von den Linken mehr Zeit für die Schulen zur Prüfung der vorgelegten Pläne. «Denn wenn die Entwürfe der Bildungspläne weiterhin weder zukunftsgerichtet noch pädagogisch sinnvoll noch qualitativ auf der Höhe der Zeit sind, bleiben sie ein Fall für die Mottenkiste», heißt es in einem Antrag, den die Linksfraktion in die nächste Bürgerschaft einbringen will.

«Seine eigenen Pläne für Leistungssteigerung hat der Senator geschliffen, unter dem Druck links-grüner Kräfte, die nur gute Noten statt guter Bildung anstreben»

Nach Ansicht der CDU-Bildungspolitikerin Birgit Stöver seien mit der Reduzierung der Stofffülle und dem Verzicht auf zusätzliche Klausuren zwei gewichtige Punkte der Änderungs- und Verbesserungsvorschläge insbesondere der Fachlehrerschaft aufgenommen worden. «Es ist gut und richtig, dass auch weiterhin Klausuren – bis auf solche in Rechtschreibung und Mathematik – durch alternative Leistungen wie Referate oder Präsentationen ersetzt werden können», sagte Stöver.

Die FDP-Abgeordnete Anna v. Treuenfels-Frowein warf Rabe hingegen vor, den Schulstrukturfrieden zu unterlaufen. «Was Schulsenator Rabe heute vorgelegt hat, bleibt weit hinter den Absichten des überparteilichen Schulstrukturfriedens zurück. Seine eigenen Pläne für Leistungssteigerung hat der Senator geschliffen, unter dem Druck links-grüner Kräfte, die nur gute Noten statt guter Bildung anstreben.» Dass Referate und Präsentationen weiter Klausuren ersetzen können, sei ein Fehler, ebenso die Reduzierung verbindlicher Lerninhalte auf 50 Prozent. News4teachers / mit Material der dpa

Bündnis von Lehrerverbänden und der mittelständischen Wirtschaft fordert mehr Leistungsdenken in Schulen

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

26 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Georg
1 Jahr zuvor

Orientierung an Inhalten ist gut.

Orientieren sich die zentralen Prüfungen dann auch an den 50%? Falls ja, wieso beschränken sich die Lehrer dann nicht nur auf die 50%?

lehrer002
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Weil wir Inhalte nicht ausschließlich für das Bestehen von Prüfungen vermitteln. Das ist eine absurde Denkweise!

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

Den Idealismus habe ich in der Mittelstufe und in den Grundkursen der Oberstufe schon längst abgelegt.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Das letztere könnte sich eventuell durchsetzen. Warten wir’s ab. Es gibt ja das schöne Wort „klausurrelevant“. Im Klartext heißt das, alles andere muss man gar nicht erst lernen. Das ist die schöne neue Bildungswelt des maximierten Quotienten von „Erfolg dividiert durch Aufwand“.

Dirk Meier
1 Jahr zuvor

„Das Schriftliche darf nicht überwiegen“

Warum darf ein deutscher Kultusminister einen solchen Satz sagen und weiterhin im Amt bleiben? Der Fokus auf irgendwelche mündlichen Leistungen führt bei den SuS doch zu völlig falschen Selbsteinschätzungen. Mittlerweile schreiben immer mehr Azubis in den IHK Prüfungen mangelhafte und ungenügende Leistungen, weil sie nicht mehr ausreichend auf eine berufliche Ausbildung vorbereitet werden. Natürlich soll es auch mündliche Leistungen geben und in einigen Fächern dürfen die auch gewichtig sein, aber der Normalfall sollte die Orientierung an den Leistungen in den Klassenarbeiten sein.

Die Kompetenzorientierung ist ein absoluter Blödsinn, denn man komplett aufgeben sollte. Es nützt nichts, wenn man irgendwas exemplarisch in einer Lernsituation versteht, dieses Wissen dann aber nicht verallgemeinert und auf andere Situationen angewendet wird.

„Die Kompetenzorientierung [wird] erstmals ergänzt durch Kerncurricula mit inhaltsbezogenen Anforderungen“. Hatte Hamburg bisher ernsthaft Lehrpläne ohne Inhalte?

Warum sollen nur 50 % der Inhalte vorgeschrieben werden. Werden dann 50 % der Realschul-/Abiturprüfung von den Lehrkräften an den Schulen gestellt? Oder wird da zukünftig nur noch die Hälfte des Stoffs abgeprüft? Was wurde in Hamburg eigentlich bisher abgeprüft, wenn die Leerpläne angeblich keine Inhalte enthalten?

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Meier

Dass das Schriftliche nicht überwiegen darf, das war bisher auch schon so und wurde durch ein Gericht bestätigt:
https://openjur.de/u/2396663.html
Ich finde auch, das benachteiligt diejenigen, die fachlich durchblicken, aber nicht so besonders gut schwätzen können oder nicht so viel schwätzen wollen. Im Vorteil sind diejenigen, die später mal Politiker werden können. 🙂

Trinkflasche
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Meier

Es geht bei der Schriftlichkeit darum, dass schriftliche Leistungen (Arbeiten, Kausuren usw.) nicht mehr ins Gewicht der Halbjahresnote fallen als 49%.Was nun in den einzelnen Fächern im Unterricht an Schrifterzeugnissen produziert wird, geht halt in die sonstigen Leistungen ein, zu denen auch das mündliche zählt.

„„Die Kompetenzorientierung [wird] erstmals ergänzt durch Kerncurricula mit inhaltsbezogenen Anforderungen“. Hatte Hamburg bisher ernsthaft Lehrpläne ohne Inhalte?“

Nein, es gibt Bildungspläne und auf diesen baut jede Schule ihre Lehrpläne auf.

Damit erübrigt sich dann auch deine restliche Frage.

vhh
1 Jahr zuvor

50% vorgeschriebene Inhalte, 30 % die dazu notwendigen, nicht mehr explizit genannten Grundlagen, 20% die wg Schulfest, Tag der offenen Tür, Fahrten, Krankheit, Feiertag usw ausfallenden Stunden, 33% laut Kerncurriculum „frei wählbare“ eigene Vertiefungen der Lehrkraft, 15% um die Leitperspektiven sinnvoll zu integrieren, 20% für Mehraufwand durch Inklusion, so sieht das etwa bei uns aus (nicht HH, da ist sicher alles besser). Die Vorgaben aus den Ministerien waren bisher immer Märchenbücher, aber vielleicht gibt es ja ein Weihnachtswunder.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  vhh

Völlig richtig. In der „freien“ Wirtschaft gibt es eine Faustregel:

„Wenn du für ein Projekt eine Zeit x veranschlagst, werden am Ende x + 50% der veranschlagten Zeit benötigt, da immer wieder Unvorhersehbares eintritt.“

Also: Wenn 50% der Inhalte vorgegeben sind, werden dafür realistischerweise 75% (50% * 1,5) der insgesamt verfügbaren Zeit benötigt. So würde jeder gute Projektmanager planen. Dazu kommen die „vorhersehbaren“ Ausfälle (Schulfahrten, Schulfeste, Projektwochen, …). Dann ist man ganz schnell bei 90% der verfügbaren Zeit. Dann noch Krankheiten der Lehrkraft und der Schüler (die ja nicht zur selben Zeit krank werden) und die 100% sind voll (mindestens).

Also wieder nur eine Nebelkerze: „Du hast den Stoff nicht geschafft? Versager! Waren doch nur 50% vorgegeben. Gibt jetzt aber dafür keine Leistungsprämie von Stark-Watzinger!“

CoronaLehren
1 Jahr zuvor

Wunderbar! Ein weiterer Schritt in Richtung „bundeseinheitliches Abitur“.

Mal schauen, welches Bundesland als erstes folgt. Baden-Württemberg vielleicht? Da brennt gerade der Kittel wegen des schlechten Abschneidens in der IQB-Studie.

50 % frei wählbar bei bundesweit vergleichbaren Abschlüssen. Wo steckt der Fehler?

Der Bildungsonkel HaHa sollte seinen eigenen Beruf an der Kompetenz orientiert ausüben. Ohne fachliches Grundwissen keine Kompetenz, selbst das googeln klappt dann nur schwer.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  CoronaLehren

Vielleicht beschließen ja Hamburg und Bayern komplementäre 50 % als Vorgabe, dann ist das bundeseinheitliche Abitur gestorben. Das wäre eine gute Ausrede, es nicht weiter ernsthaft zu verfolgen, nachdem es jetzt schon eine ungeliebte Pflichtübung ist. Und Umzüge innerhalb des föderalen Deutschlands werden dadurch noch schwieriger. In den Sonntagsreden der KMK klingt das alles immer ganz anders, da will man lieber vereinheitlichen und beschwört die großen Gemeinsamkeiten, die man „noch weiter vertiefen“ möchte.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  CoronaLehren

Bei uns fällt derzeit 10 Prozent aus und weitere 10 Prozent gehen für Projekte, Schulveranstaltungen, Klassentage usw. drauf.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Gegenrechnung auf bewährte Weise:

100% – 10% -10% = 100% – (10% – 10%)= 100% – 0 = 100% Unterrichtsversorgung

Da staunt ihr! Was ich volle gelernt hab in 3 Jahren öffentliches Prozentrechnen.

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor
Antwortet  CoronaLehren

In THE LÄND ist es doch jetzt schon so, dass – formell – nur 75% der Lerninhalte aus Stuttgart kommen, der Rest im Schulcurriculum verankert werden soll.
De facto wurde aber zu wenig „entschlackt“ (ein absurdes Wort) als dass Schulen ernsthaft Schwerpunkte setzen könnten.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Wenn man 100% zu 75% definiert, hat man dann Zeit für 25% Ausfälle und Störungen? Viele Fragen. Wir sind auf einem Weg, datengestützt, zentral erhoben.

Unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  CoronaLehren

Hiesiger Elternbeirat ist ebenfalls empört, da er komplett übergangen wurde.

alter Pauker
1 Jahr zuvor
Antwortet  CoronaLehren

Baden-Württemberg? Sorry, aber nach Kenntnis und Durcharbeiten meines Bildungsplans kann ich nur konstatieren: Erstklassig verschlimmbessert.
Um wirklich zu verbessern, müsste auf KuMi/innen-Ebene mehr Rückgrat und Mut zum Feuern der der miserablen Berater bestehen. Das zu erwarten (ich habe in meinen 43 Jahren Dienst viele KuMis erlebt) ist pure Illusion.
Heulen und Jammern über schlechte internationale Vergleiche und gleichzeitig Ignoranz wenn echte Änderungen nötig sind ist typische BW Verhalten gepaart mit beständigen Aussitzen von schlechten Situationen.
(nicht nur bei Plänen sondern an der gesamten Schulstruktur, bei der Ausbildung angefangen und Schaffung einer Attraktivität für den Lehrerberuf – sonst wir bei uns auch bald der „Dorfälteste“ alle Kinder, die in Kreisen um ihn herum am Boden sitzen, unterrichten müssen)

Ron
1 Jahr zuvor

„Wir wissen auch, dass die Schulen jetzt ein bisschen Arbeit vor sich haben, um sich auf diese Bildungspläne einzustellen“

Genau. Und deshalb sind wir wieder alle fleißig in Arbeitsgruppen unterwegs, statt uns um Schüler zu kümmern.

Minna
1 Jahr zuvor

Sehr geehrter Herr Senator Rabe,
die Schulleitung hat uns mitgeteilt, die SchülerInnen müssten nach der Pause (welche?!) ihr Immunsystem erst einmal wieder an die Erreger gewöhnen, das hätten ihnen ExpertInnen (welche?!) so erklärt. Würden Sie bitte hier vernünftig aufklären, ansonsten verbreitet sich dieser Immunschuld-Unsinn weiter, siehe auch die Richtigstellung im WDR. https://twitter.com/aktuelle_stunde/status/1605247398254723076

Es dämmert den meisten eh‘ so langsam, dass Covid-19 das Immunsystem schwächt. Man sieht es auch an den vielen stark gealterten Gesichtern.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Sogar Bildungsexperten könnten wissen, dass zu dem Verb „schleifen“ das „geschliffen“ nur in der Bedeutung „ein Messer schleifen, einen Edelstein schleifen“ gehört, ansonsten „geschleift“. Also: „die Sense wurde geschliffen“, „die Römer haben die Befestigung ihrer Feinde geschleift“ (nicht geschliffen), „er schleifte einen Sack voll Holz hinter sich her“ (nicht schliff).
Hier ist wohl eine Nähe zu dem Schleifen einer Festung gegeben, nicht zu dem Schleifen eines Messers. Pläne können auch geschliffen (also verbessert) werden, aber hier sollte wohl gesagt werden: die Pläne sind geschleift (also aufgegeben) worden. Tja: deutsche Sprache, schwere Sprache.
Aber in der kompetenzorientierten Bildungsrepublik Deutschland braucht man solche Feinheiten nicht mehr, es geht sprachlich gröber zur Sache, Hauptsache, die politische Richtung stimmt. 🙂

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Das sind jetzt linguistische Haarschleifereien, auch Lockungen oder Lockerungen genannt.

Trinkflasche
1 Jahr zuvor

Selten haben die Aussagen einer FDP-Politikerin so sehr ins schwarze getroffen wie hier.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Macht dann also eine 50:50 Chance.

alter Pauker
1 Jahr zuvor

aus B-W: Da hat doch ein Bundesland endlich gemerkt, was man mit den ausschließlich auf Kompetenzen gerichteten Lehrplan angerichtet hat.
Leider nicht so in B-W. Lehrer*innen Stimmen in der Vergangenheit verhallten im Nichts und werden bis dato in Stuttgart nicht wahrgenommen (wie bei vielen Dingen). Dass die von Lehrern und *innen frei wählbaren Inhalte, um Kompetenzen zu erreichen zu absolut nicht mehr vergleichbaren Kenntnissen der Schüler geführt haben, v.a. beim Wechsel von einer Schule zu einer anderen bei einem Umzug, besonders aber beim Wechsel von GS auf die weiterführenden Schulen, ist im Kultusbereich offensichtlich noch nicht angekommen. Dabei hat ein Schweizer Bildungswissenschaftler (ich kenne ihn leider nur von der Aufzeichnung der Veranstaltung in einer Videopräsentation) der „Hochschul- und Politik-Elite“ in Stuttgart bei seinem Vortrag zur Einführung des neuen „Kompetenz“-Bildungsplan vor Jahren bereits klar gesagt, dass es nicht funktionieren könne und dass es Widerstände, vor allem durch Nichtbefolgen der Anweisung im neuen Werk, unter den Praktikern*innen in den Schulen geben wird. Aus dem Gedächtnis zitiert: „[…] … werden Ihnen die Lehrerinnen und Lehrer mit ihrer fachlichen Kompetenz dieses Bildungsplan-Modell an „die Wand fahren“ und nach kurzer Zeit zum bisherigen Plan mit den angegeben Inhalten zurückkehren.[…]“
Ich denke, dass sich das genau so ergeben hat.

Aktuell gibt es neue Bildungspläne, aber wieder nur halbes, ungares Zeug. Deutlichster Unterschied: Die Formulierungen sind noch „aufgeblasener“, vermutlich um wissenschaftlich zu wirken.  Bei diesen neuen Bildungsplänen hat sich ein kleines Bisschen, aber nichts Wesentliches bei dieser Kompetenz-Problematik geändert, auch wenn es (bei weitem unzureichende) Hinweise auf Inhalte gibt, um ein homogenes Bildungs- und Inhalte-Level unter Schulen einer Schulart zu erzeugen.
Vor zwei Wochen durfte ich eine Einführungsveranstaltung zum neuen Plan „genießen“. Einstimmiger Schluss aller Kollegen*innen die dort waren, bei der nachfolgenden Diskussion (der Referent konnte leider nicht länger bleiben … honit soit qui mal y pense): Langsam, langsam, warten wir erst mal zu und machen unser eigenes Curriculum, denn das hier, kann nicht wirklich funktionieren.) Zusammengefasst: Viel Arbeit die eigentlich nicht sein müsste, wenn die Autoren gut gearbeitet hätten und viel Zeitverlust, für Arbeiten, die man für gute Unterrichtsvorbereitung hätte verwenden können.
Um dem ganzen noch ein Sahnehäubchen aufzusetzen: Gab es bisher die Bildungs- und Lehrpläne als Arbeitsmittel kostenlos, müssen die Kollegen und Kolleginnen, die gerne ein gedrucktes Exemplar hätten, dafür 70 € bezahlen (das ist Tatsache, nicht erfunden). Alternative: Herunterladen und ausdrucken. Weil das nicht als kompletter Download des gesamten Bildungsplan geht, muss jedes der 25 Unterkapitel (hier das Beispiel für SBBZ Lernen) einzeln heruntergeladen werden! (ha-te-te-pe-es://wewewe.bildungsplaene-bw.de/,Lde/Bildungsplaene_SOP_PDF) Ein Paket Kopierpapier ist bei einseitigem Druck locker verbraucht. Weil wir auch GENT Klassen haben, das Gleiche nochmal dafür. Dazu FAQs samt digitalen Fortbildungsvideos- und Fortbildungen die verpflichtend sind (SchilF). Ein Vergnügen. Stoppuhr einschalten nicht vergessen!

Doch zurück zur bisherigen Situation – für den neuen Plan fehlen konkrete Erfahrungswerte. Der Wirrwarr von Inhalten hat zu Problemen bei Prüfungen geführt, da aus Stuttgart die Prüfungsinhalte nicht passend zu den vermittelten Inhalten in den Schulen vorgegeben wurden (wie auch?). Die Auswahlmöglichkeit des Lehrers bei den Aufgaben, um den vermittelten Stoff abzubilden und den Schülern bessere Chancen zu geben, waren/ sind absolut nicht ausreichend.
(Im Gymnasium, in welchem mein Sohn Schüler war, hatte sogar die Parallelklasse andere Stoffe mit abweichenden Inhalten „intus“, als die Klasse meines Sohnes – ablesbar an den unterschiedlichen Ergebnissen im Abitur.)

Man scheint also aufzuwachen jedoch, um es sich nicht mit den Hardlinern der „Kompetenz- Scheinwelt“ zu verderben, aber erst mal um 50% – sicherheitshalber.
Die Ängste vor persönlichen Konflikten steuern vermutlich das Handeln, denn man kann sich als Vorgesetzte(r) und  damit weisungsbefugter Kultusminister*in  natürlich keine Blöße geben und manche beratenden „Fachidioten“, die selbst meist nur kurz selbst unterrichteten, vielleicht bei einem Unterrichtsbesuch mal in einem Klassenzimmer standen oder ganz fachfremd sind wie die Juristen, die dabei mitmischen, verprellen.

Ich frage mich: Wann kommt endlich ein Kompetenzplan und -kurs für unsere Kultusminister und deren Berater -. mit nachgeordneter Kompetenzprüfung – diese aber VOR Antritt Ihres Amtes?

Meta: Mann, regt mich das auf! In meinen 43 Jahren Dienst haben die „da oben“ rein garnichts verbessert oder dazu gelernt. Bitte Schreibfehler zu entschuldigen. Danke
 

Hirschlgruber
1 Jahr zuvor
Antwortet  alter Pauker

Sie sprechen mir aus de Seele, auch wenn ich erst halb so lange wie Sie dabei bin!

Andre Hog
1 Jahr zuvor

„Wir wissen auch, dass die Schulen jetzt ein bisschen Arbeit vor sich haben, um sich auf diese Bildungspläne einzustellen“

Nicht schon wieder!!

Jedes Mal, wenn einem KuMi eine pseudointellektuelle Flatulenz entweicht heißt das für die LuL, sich mal wieder hinzusetzen, um – wie hier Curricula grundlegend zu überarbeiten – oder an anderer Stelle zu einem anderen Thema neue Konzepte hochzuwürgen, die dann möglichst schnell und reibungsfrei inndie Schulen und den Unterrichtsalltag gejubelt werden sollen.

Der letzte Durchgang der Arbeit an den „Kompetenzorientierten Curricula“ hat – je nach Selbstdisziplin der jeweiligen Fachschaften z.T. Monate an Arbeit nach sich gezogen.

Da die Ressource Arbeit(-sfähigkeit) klar begrenzt ist, bedeutet dieser Aufriss, dass das Kerngeschäft nur eingeschränkt laufen könnte.

Die Perspektive, diese Arbeit absehbar neu aufgreifen zu müssen, nachdem die zuletzt erstellten Curricula noch nicht einmal einen Durchgang angewendet werden konnten (z.B. einmal der U-Gang Geschichte in der Sek1 von der 6. bis zur 10. KLASSE (aktuell unter G9 – im Jg 5 ist Geschichte nicht vorgesehen) macht richtig Lust auf die nächste Überarbeitung.

Leute, lasst uns doch einfach mal in Ruhe arbeiten!!!