Antisemitismus in Deutschland: „Unangemessen, jetzt bei politischer Bildung zu sparen!“

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FRANKFURT/MAIN. Der Angriff der Hamas und anderer terroristischer Kämpfer auf Israel vor fast einem Monat hat nicht nur in Israel Schockwellen ausgelöst. Die Folgen sind auch in Deutschland zu spüren – mitunter in Klassenzimmern und auf Schulhöfen. Für jüdische Menschen in Deutschland bedeutet die Eskalation im Nahost-Konflikt nicht nur Angst um Freunde oder Angehörige in Israel, sondern auch zunehmend Sorge angesichts immer lauterer antisemitischer Rufe hierzulande. In Frankfurt am Main beobachtet etwa der Vorstand der Jüdischen Gemeinde, wie sich besorgte jüdische Eltern auf einmal einen Schulwechsel für ihre Kinder wünschen. „Es ist völlig inakzeptabel, dass sich jüdische Menschen in Deutschland nicht sicher fühlen und der soziale Frieden gefährdet wird!“, sagt Petra Merkel, Präsidentin des Internationalen Bunds (IB). Der Anbieter für Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in Deutschland fordert den Bundestag daher zum Handeln auf – und die Sparpläne bei politischer Bildung für 2024 zu stoppen.

Verschiedene Maßnahmen der Bildung und Integration stehen laut Internationalem Bund durch die Pläne der Bundesregierung im Haushalt 2024 im Bereich der politischen Bildung zu sparen, vor dem Aus. Illustration: Shutterstock

„Wir fühlen uns gerade ziemlich einsam“, sagt Benjamin Graumann vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Das ist eine Äußerung, die in diesen Tagen sehr häufig in Gesprächen mit jüdischen Menschen zu hören ist. Dass deutsche Politikerinnen und Politiker die Solidarität mit Israel betonen, dass die Sicherheit des Landes auch eine Priorität Berliner Regierungspolitik ist – das ist das eine. Aber auf den Straßen, auch in Hessen, sind häufiger offen antisemitische Äußerungen zu hören als laute Verurteilungen des Hamas-Terrors.

„Es gibt nur eine Schule, die sich demonstrativ und deutlich an unsere Seite gestellt hat“, beschreibt Graumann die Lage in Frankfurt. An anderen Schulen könnten oder wollten die Lehrer nicht verstehen, wenn jüdische Eltern ihre Kinder freitags aus Angst vor Übergriffen nicht in die Schule schicken wollen. Die private jüdische Schule verzeichne gerade gehäuft Anfragen besorgter Eltern, die ihre Kinder lieber früher als später von einer öffentlichen auf die besonders geschützte jüdische Schule schicken wollen. Gleichzeitig berichtet die Bildungsstätte Anne Frank von einem aktuellen Ansturm an Anfragen von Lehrerinnen und Lehrern. „Uns erreichen tagtäglich zahlreiche Anfragen mit der Bitte um Unterstützung, Einordnung oder Beratung zu den aktuellen Ereignissen“, so eine Sprecherin.

Kritik an Sparplänen des Bundes

Der Nahost-Konflikt, das zeigen auch die Beispiele aus Frankfurt, stellt Lehrkräfte vor große Herausforderungen – davon ist auch der Internationale Bund überzeugt. Der Konflikt rage massiv in den Schulalltag und spalte Klassen. „Wir empfinden es als unangemessen, gerade jetzt, trotz des aktuell aufflammenden Antisemitismus´, bei politischer Bildung zu sparen!“, kritisiert IB-Präsidentin Petra Merkel. Durch die von der Bundesregierung geplanten Einsparungen im Haushalt 2024 steht unter anderem das IB-Programm „Respekt Coaches“ vor dem Aus. „Die Respekt Coaches stehen beispielhaft für eine Reihe von Maßnahmen der Bildung und Integration, die von Kürzungen bedroht sind“, so IB-Präsidentin Merkel.

Seit 2018 vermitteln mehr als 400 Respekt Coaches an 275 Standorten in über 600 Schulen jungen Menschen demokratische Werte in ihrer Lebenswelt, heißt es von Seiten des IB. Die Coaches unterstützen die Schülerinnen und Schüler, sich eine Meinung zu bilden, diese zu vertreten, aber auch andere Sichtweisen und Identitäten zu akzeptieren sowie Fake News aufzudecken. So werde Extremismus vorgebeugt. Immer wieder sei auch aktuelles politisches Geschehen Thema der Respekt Coach-Arbeit. Eine wissenschaftliche Evaluation hat die erfolgreiche Wirkung des Programms bestätigt. Mehr als 365.000 junge Menschen hätten die Respekt Coaches seit dem Programmstart bereits erreicht.

Auch Schüler fordern mehr Bundesmittel für demokratiefördernde Projekte

Zuletzt forderten auch rund 300 Lernende gemeinsam mit der Bundesschülerkonferenz mehr politische Bildung im Schulalltag (news4teachers berichtete). „Die politische Aufklärungsarbeit ist momentan so notwendig wie lange nicht mehr. Steigender Rechtsextremismus ist an Schulen deutlich sichtbar“, zitierte die Tagesschau Nedjmije Bajrami, Innenkoordinatorin der Bundesschülerkonferenz. Dem zunehmenden Antisemitismus an Schulen müsse ebenfalls mit Aufklärungsarbeit begegnet werden. Spezifisch wünschten sie sich unter anderem mehr Bundesmittel für demokratiefördernde Projekte in Schulen. Denn, so die Lernenden in ihrem Forderungspapier: Eine Investition in Bildung sei „zwangsläufig eine Investition in einen starken demokratischen Staat“. News4teachers / mit Material der dpa

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