Weniger als die Hälfte der neu eingestellten Lehrkräfte sind auch welche

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BERLIN. Bildungssenatorin Günther-Wünsch zieht Zwischenbilanz: An Berlins Schulen fehlen weiter Lehrkräfte – aber nicht so viele, wie noch im Mai erwartet. Eine Trendumkehr ist dennoch nicht in Sicht. Heißt: Ohne Quer- und Seiteneinsteiger läuft gar nichts mehr.

„Das wird die nächsten Jahre noch anhalten“: Bildungssenatorin und KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Foto: Katharina Günther-Wünsch

Bei der Lehrkräfteversorgung an Berlins Schulen gibt es eine positive Entwicklung, aber absehbar keine Entspannung. Berlinweit sind derzeit «nur noch» 716 volle Stellen nicht besetzt, wie Bildungssenatorin und KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch am Mittwoch gut vier Wochen nach Beginn des neuen Schuljahres in der Bundeshauptstadt bekanntgab. Das ist weniger als die Hälfte der 1460 fehlenden Vollzeitstellen nach der Einschätzung der Bildungsverwaltung aus dem vergangenen Mai. Und weniger als zu Beginn des vergangenen Schuljahres: Da lag die Lücke bei 973 Stellen.

Berlin stellt mehr Lehrkräfte ein als im Vorjahr

Zum neuen Schuljahr 2023/24 seien insgesamt 2446 volle Stellen besetzt worden. «Im letzten Jahr waren es noch 2390», sagte die CDU-Politikerin. «Wenn man bedenkt, dass der Lehrkräftemangel bundesweit ist, freue ich mich über jeden Zuwachs.» Andere Bundesländer hätten Probleme, den Vorjahresstand zu halten.

«An 706 öffentlichen Schulen hatten wir eine Personaldeckung von 97,3 Prozent», sagte Günther-Wünsch. «Wir können damit an allen Schulen, bis auf sieben, die Stundentafel abdecken.» Sieben Schulen, das sei ein Prozent. «Nicht schön, aber dennoch überschaubar. Es wird auch weiter dran gearbeitet.»

Der Anteil der Quereinsteiger bleibt hoch

Der Anteil der Quer- und Seiteneinsteiger unter den Neubesetzungen sei allerdings groß, räumte Günther-Wünsch ein. Von den 2.446 neu besetzten Stellen entfallen nur 1.121 auf Lehrkräfte, die ein reguläres Lehramtsstudium abgeschlossen haben – weniger als die Hälfte. Günther-Wünsch dämpfte die Erwartung, dass sich das schnell ändern könnte: «Das wird die nächsten Jahre noch anhalten. Wir werden weiterhin mit Quer- und Seiteneinsteigern arbeiten müssen», sagte sie. «Wir habe einfach eine demografische Entwicklung, die das notwendig macht.»

Bei der Versorgung mit Lehrkräften gibt es in Berlin deutliche Unterschiede, sowohl mit Blick auf die Schulformen als auch im Vergleich der Bezirke: So liegt die Quote bei Gymnasien auf einem Niveau von 98,5 Prozent, an Grundschulen sind es mit 97,9 schon etwas weniger, an Förderschulen sind es nur 95,1 Prozent.

Bei der Lehrerversorgung liegt Tempelhof-Schöneberg vorn

Unter den Bezirken (Stand 22. September) liegen Tempelhof-Schöneberg mit 100 und Steglitz-Zehlendorf mit 99,6 Prozent vorn, gefolgt von Friedrichshain-Kreuzberg (98,9), Neukölln (98,3) und Pankow (98,2 Prozent). Auf den hinteren Plätzen landen Lichtenberg (96,3) und Marzahn-Hellersdorf (92,2 Prozent).

«Das ist nicht zufriedenstellend», kommentierte Günther-Wünsch die Daten und kündigte eine stärkere Steuerung an, um auszugleichen, wenn an vielen Schulen eines Bezirks der Lehrkräftemangel besonders groß ist. Die CDU-Politikerin betonte, es sei nicht geplant, dafür verbeamtete Lehrer zu versetzen. Das Landesbeamtengesetz gebe diese Möglichkeit zwar her. «Aber davon machen wir keinen Gebrauch.»

Unter anderem sollen stattdessen mehr Studierende in ihrem Praxissemester an solchen Schulen eingesetzt werden, wo Lehrkräfte fehlen. Das gilt auch für Referendare. Günther-Wünsch hofft hier auf den sogenannten Klebe-Effekt: «Wenn es den Schulen möglich ist, bleiben die Referendare oft dort, wo sie ausgebildet wurden.» Allerdings müsse sichergestellt sein, dass die Schulen auch genügend Mentoren stellen können, die sich um die Betreuung der Referendare kümmern. News4teachers / mit Material der dpa

Wozu noch auf Lehramt studieren? Geht auch ohne: An Schulen unterrichten bereits 60.000 Quer- und Seiteneinsteiger

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Meinetwegen
6 Monate zuvor

Ich will mal dem vierblättrigen Kleeblatt vorgreifen und fragen, wann die CDU eigentlich ihre Wahlversprechen bzgl. der nicht zu verbeamteten Lehrer in Berlin einlösen wird? In der Opposition hatte sie da großspurige Versprechen gemacht. Nun gibt sie auf lange Sicht Millionen und Milliarden in die Verbeamtung, die im Grunde keinen Lehrer mehr bringt, denn die sind ja alle schon da; aber ein fairer Nachteilsausgleich ist nicht machbar?!?

Hornveilchen
6 Monate zuvor
Antwortet  Meinetwegen

Ha, ha, ha… ich wartete auch schon auf das Kleeblatt. Aber in der Sache stimme ich ja zu!

Dejott
6 Monate zuvor
Antwortet  Meinetwegen

Kenne ich aus Sachsen. Sie Wertschätzung….Das Problem der inneren Kündigung scheint man in den Kultusministerien nicht zu kennen.

Wasserzeichen
6 Monate zuvor
Antwortet  Meinetwegen

Richtig!

Torsten
6 Monate zuvor
Antwortet  Meinetwegen

Genau richtig !

Dejott
6 Monate zuvor

Mich ärgert immer wieder, wenn die Kultusministerien eingestellte Quereinsteiger als neueingestellte Lehrkräfte verkaufen.
Vielleicht kommt man endlich endlich mal auf die Idee: EIN BESSERER ARBEITGEBER zu werden. Das würde sich auf Dauer rumsprechen.

JoS
6 Monate zuvor

Ich bin heilfroh, dass ich aufgrund der damaligen Nichtverbeamtung in Kombination mit den hohen Lebenshaltungskosten aus Berlin weggegangen bin. In meinem jetzigen Bundesland ist zwar auch nicht alles perfekt, aber verglichen mit der Berliner Schulpolitik herrschen geradezu paradiesische Verhältnisse.

Silberfischchen
6 Monate zuvor
Antwortet  JoS

Ich hingegen bin heilfroh, dass ich aufgrund der damaligen Nichtverbeamtung in Kombination mit den hohen Gehaltszuschlägen, die bis zu 1600,- Euro ausmachten, nicht aus Berlin weggegangen bin. In diesem meinem Bundesland ist zwar nicht alles perfekt, aber verglichen mit der Schulpolitik anderswo herrschen bei uns geradezu paradiesische Verhältnisse.

Und nun?

Mika
6 Monate zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Und nun?
Nun sind die Gehaltszuschläge weg, und wer seinem Land Berlin seit vielen Jahren die Treue gehalten hat, wird als Dankeschön aus Altersgründen nicht verbeamtet, hat dann ca. 1000€ netto (selbstredend nach Abzug der Krankenkasse bei den Beamten) pro Monat weniger als seine verbeamteten Kollegen (gleiche Dienstjahre, gleiche Kinderzahl, gleicher Familienstand, gleiche Steuerklasse) im Portemonnaie und wartet drauf, ob dafür 300€ brutto Ausgleich vielleicht irgendwann mal rüberkommen.
Wahrlich paradiesisch.

JoS
6 Monate zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Selbst mit „Gehaltszuschlägen“ habe ich in Berlin netto knapp 300 Euro weniger verdient. Mittlerweile beträgt die Differenz zwischen meinen Bezügen und der höchsten TV-L-Stufe (das war ja die Zulage) 1600 Euro und gegenüber einem Beamten in derselben Stufe in Berlin immerhin noch fast 800 Euro. Ach und die anderthalb Stunden weniger Deputat habe ich noch gar nicht mit eingerechnet.

Anne S.
6 Monate zuvor

Berlin braucht keine voll ausgebildeten Lehrkräfte. Berlin kann es sich leisten, die vorhandenen ausgebildeten Lehrkräfte wie den letzten Dreck zu behandeln. Bitte aufhören zu „jammern“.

Wasserzeichen
6 Monate zuvor

Die CDU-Bildungssenatorin ist eine herbe Enttäuschung. Ich hoffe, wir sind sie bald wieder los.

Hornveilchen
6 Monate zuvor

In der neuesten Umfrage verliert die CDU in Berlin 4 Prozent. Die Landeskoalition hat keine Mehrheit mehr. Ich sage nur: Wen wundert’s!?

Thomas E.
6 Monate zuvor

Ich meine zu erkennen, dass hier verschiedene Dinge vermischt werden.
Das eine sind Befindlichkeiten, die die „Ausbildung“ betreffen. Man kann die Einstellung von Nicht-Lehramtlern als Versuch werten, die Arbeitssituation der perfekt ausgebildeten, aber überlasteten Lehramtlern zu verbessern. Man kann es aber auch als blanken Hohn empfinden. Tatsache bleibt, wenn niemand in den Schulen unterrichtet (egal mit welchem fachlichem Hintergrund), wird die Situation für die „echten“ Lehrer nicht besser,.
Das andere sind – mal wieder – die Befindlichkeiten, was die Bezahlung betrifft. Dieser Punkt ist unabhängig vom ersten, wird aber immer wieder gerne damit in Zusammenhang gebracht. Was beim fachfremnden Leser hängen bleibt: Die Lehrer wollen unter sich bleiben, und in jedem Fall mehr Geld. Zum einen sind sie viel besser ausgebildet als alle anderen und sind deshalb die einzigen, die „richtigen“ Unterricht machen. Aber dafür – und natürlich auch deswegen, weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind (weil man ja ausschließlich unter sich bleiben will) MUSS man ja mehr Geld bekommen. Und die Inflation möge bitte auch nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert werden. Und eine 4 Tagewoche möge es bitte auch sein. Oder ne 3 Tagewoche, für diejenigen, die eh schon eine 4 Tagewoche haben.

Anne S.
6 Monate zuvor
Antwortet  Thomas E.

Die Seiteneinsteiger werden auch nicht besser behandelt. Einfach in den Unterricht geworfen: „Schwimm mal!“

Alles große Grütze. Gepaart mit maximaler Hybris der „Oberen“. Die wundern sich nicht mal mehr, dass es so nicht geht.

447
6 Monate zuvor

Jeder meint zu wissen, was in Berlin generell und an Berliner Schulen insbesondere los ist.

Wen wundert es dann, dass es dort besondere Probleme gibt, reguläre Lehrkräfte anzuwerben?

Quer-, Aus-, Ein,- Umsteiger…ja gut, Lückenfüller als Normalfall passt zu dem Bild, das ich als Nicht-Berliner von dort mitbekomme, Schulen und Sozialbereich natürlich ganz besonders.