Gewalt gegen Lehrkräfte – Schulministerin zeigt sich (wieder einmal) besorgt

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Die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller hat sich besorgt über eine Umfrage gezeigt, wonach mehr die Hälfte der befragten Lehrkräfte schon einmal in der Schule Opfer verbaler oder körperlicher Gewalt geworden sind – nicht die erste Umfrage dieser Art.

Alarmstufe Rot? NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU). Foto: Bezirksregierung Münster

«Wer gewalttätig wird, verstößt gegen eine der ganz zentralen Grundregeln unseres Zusammenlebens. Deshalb werden wir Gewalt an unseren Schulen in keiner Form akzeptieren», sagte die CDU-Politikerin am Freitag.

Bei einer Umfrage des NRW-Philologenverbands (PHV) unter knapp 1500 Lehrkräften hatten 47 Prozent der Gymnasial- und 76 Prozent der Gesamtschullehrer angegeben, in den vergangenen drei Jahren selbst von verbaler oder körperlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein. Acht Prozent (Gymnasium) beziehungsweise zwölf Prozent (Gesamtschule) berichteten von körperlichen Übergriffen, vier beziehungsweise fünf Prozent von sexualisierter Gewalt (News4teachers berichtete).

Laut der Umfrage waren viele Lehrerinnen und Lehrer außerdem von Beschimpfungen (Gymnasium 33 Prozent, Gesamtschule 25 Prozent), Bedrohungen (16 und 18 Prozent) und Online-Übergriffen (13 und 10 Prozent) betroffen. Viele berichteten von einem verschlechterten subjektiven Sicherheitsgefühl. PHV-Landesvorsitzende Sabine Mistler sprach von schockierenden Zahlen und Schilderungen, die deutlich zeigten, dass dringend etwas passieren müsse.

«Niemand muss Übergriffe und gewalttätiges Verhalten im Dienst für das Gemeinwohl hinnehmen»

Es handelte sich nicht um die erste Umfrage dieser Art. Der VBE hatte zum Beispiel im vergangenen Jahr die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage unter Schulleitungen veröffentlicht, wonach es an zwei Drittel der befragten Schulen in den vergangenen fünf Jahren psychische Gewalt wie Beleidigungen, Bedrohungen oder Belästigungen gegenüber Migliedern des Kollegium gegeben hatte. Ein Drittel meldete, dass Lehrkräfte Opfer von Cyber-Mobbing wurden, also von Diffamierung im Internet. In einem weiteren Drittel der Schulen kam es sogar zu gewalttätigen körperlichen Angriffen auf Lehrpersonal oder Schulleitungen (News4teachers berichtete).

Feller betonte seinerzeit, die Landesregierung setzte sich für den Schutz und die Sicherheit der Beschäftigten ein. «Niemand muss Übergriffe und gewalttätiges Verhalten im Dienst für das Gemeinwohl hinnehmen.» Das scheint in der Praxis noch nicht angekommen zu sein: Lehrkräfte wünschten sich in der Philologen-Umfrage nun feste Ansprechpartner vor Ort und ein schnelles, konsequentes Vorgehen gewünscht und die Hoffnung formuliert, dass bestehende Probleme nicht unter den Tisch gekehrt würden.

Das NRW-Schulministerium teilte mit, Schulen könnten jederzeit Unterstützung in Anspruch nehmen. Es stünden etwa die Notfallordner «Hinsehen und Handeln» sowie ein im Frühjahr aktualisiertes Handbuch zur Krisenprävention zur Verfügung. Außerdem verwies das Ministerium auf das Präventionsnetzwerk «#sicherimDienst» zum Schutz von Beschäftigten im öffentlichen Dienst und auf das Angebot telefonischer, schulpsychologischer Beratungsstellen («Sprech:ZEIT 24/7») hin. News4teachers / mit Material der dpa

Philologen-Umfrage: Jede zweite Lehrkraft hat Gewalt erfahren – „die Schilderungen haben uns schockiert“

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vhh
5 Monate zuvor

Sie hat die Yoga- und Achtsamkeitsübungen als Hilfsangebot vergessen. Auch nicht sinnloser als die permanent produzierten mäßig hilfreichen ‚Notfallordner‘ und ‚Handbücher‘ zu jedem gerade presseaktuellen Thema.

Dil Uhlenspiegel
5 Monate zuvor

Gewalt gegen Lehrkräfte. Da wird man sicher ganz genau hingucken müssen.

PS: Neue gesucht.

Pia
5 Monate zuvor

Wie wäre es mit einer Gefahrenzulage? Erhalten einig andere Beamte in der Justiz auch.

Mel
5 Monate zuvor
Antwortet  Pia

Gerichtsvollzieher erhalten jetzt Schutzwesten und Pfefferspray.

Lieber spät als nie
5 Monate zuvor

Selbst im 4. Sj. der Grundschule wird man als Lehrer schon mit verbaler Gewalt konfrontiert. Bei uns flogen auch schon Stühle, Unterrichtsmaterial wurde auf den Boden geschmissen, Mittelfinger gezeigt.
Und untereinander wird geboxt, getreten, geschubst, bedroht…
Es sind aber immer die 2 oder 3 Kinder aus den Klassen, die so ein Verhalten an den Tag legen. Zig Gespräche, zusätzliche Arbeit für uns Lehrer ohne dass es wirklich fruchtet und die Gewalt weniger wird.
Ein trauriges Bild…

EmpiD
5 Monate zuvor

Ich habe vor ca. 4 Jahren mal ein tiefgreifendes Seminar zum Thema „Gewalt an Schulen“ besucht und eine Arbeit zur „Gewalt gegen Lehrkräfte“ geschrieben. Dabei habe ich sehr spannende (mittlerweile natürlich ältere) Studien des VBE gelesen und die Praxis erfahren, die Lehrkräfte durchmachen müssen, wenn sie Gewalt ausgesetzt sind.
Es ist taktisches Kleinhalten und Ignorieren. In den Studien ist sehr gut aufgeschlüsselt gewesen, dass die Bildungsministerien solche Meldungen nicht wollen und eher noch unterdrücken und wer doch Hilfe sucht, muss einen extrem langen bürokratischen Weg gehen.
Aussagen von Bildungministern/-ministerinnen sind also nichts wert. Die wissen und wussten über dieses Problem, es gab schon vorher Statistiken. Sie haben es nur ignoriert. Denn wie sie oft, sind ihnen Lehrkräfte und Kinder egal.

Nasenbär
5 Monate zuvor
Antwortet  EmpiD

…dass die Bildungsministerien solche Meldungen nicht wollen und eher noch unterdrücken“
Diese Vermutung liegt in der Luft. Wie kann das aber sein, wenn doch die Journalisten stets so investigativ tätig sind?
Wem hilft das am Ende auch? Es tritt doch irgendwann zutage und dann sind die Folgen viel schlimmer.

Müllerin
5 Monate zuvor
Antwortet  EmpiD

Die Gewaltkriminalität hat insgesamt zugenommen, sagt das BKA:
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/anstieg-gewaltkriminalitaet-100.html

Mel
5 Monate zuvor

Notfallordner… Handbuch… Das kann doch nicht der Ernst der Schulministerin sein. Ich erwarte, das das Schulministerium endlich handelt! Wir brauchen eine klare Kante und deutliche Ansagen an gewalttätige Schüler. Das Ministerium muss dringend unterstützen und darf das Problem nicht weiter allein in den Schulen lassen. Wir brauchen eine öffentliche Kampagne, die gewalttätigen Schülern klare Grenzen aufzeigt, schärfere Ordnungsmaßnahmen, Prävention, … Lehrkräfte dürfen nicht weiter schutzlos Angriffen und Gewalt ausgesetzt sein! Das muss aufhören!!!

Lessi
5 Monate zuvor
Antwortet  Mel

Richtig. Das nennt sich Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Da wird wieder nichts passieren… schön zielscharf beobachten, Aufgaben nach unten delegieren, ganz viel Bla- Bla und das war`s!

447
5 Monate zuvor

… und sorgt über die Bezirksregierungen bis in den letzten Schulwinkel des Landes für Täterverstehertum, Relativierung, Entschuldung, mangelnde Kobsequenzen, die das an manchen Orten übergriffige Klima erst möglich machen.

Mel
5 Monate zuvor

Aber das kann man doch so nicht mehr hinnehmen! Jeder Arbeitnehmer hat laut Arbeitsschutzgesetz das Recht auf ein sicheres Arbeitsumfeld… und Kinder und Jugendliche dürfen LehrerInnen ohne große Konsequenzen anschreien, mobben, anspucken oder schlagen? Unsere Arbeitsplätze bestehen mittlerweile aus täglichen Angriffen auf Körper und Psyche. Wir brauchen Schutz und haben ein Recht darauf! Wir dürfen uns nicht mehr gefallen lassen, dass unser Dienstherr nichts dagegen unternimmt und seiner Pflicht nicht nachkommt!

Hysterican
5 Monate zuvor
Antwortet  Mel

Im Zweifelsfall – und das sind nach meiner Erfahrung aus gut 30 Dienstjahren – wird seitens der LuL erwartet, dass sie pädagogisch mit einem gewaltvollen Übergriff umgehen …

heißt: wer solchermaßen Opfern wird, bekommt i.d.R. die Aufgabe (seitens der SL oder der übergeordneten Schulbehörde) v.a. das eigene Handeln zu reflektieren, ob sich daraus nicht evtl ein Anlass für diesen Übergriff ergeben hat … und zum anderen ergeht dann die Erwartungshaltung an das Opfer, mit professioneller Distanz und pädagogischem Maß auf Übergriffe zu reagieren.

Ergo: Füße stillhalten,von einer Anzeige oder disziplinarischen Maßnahmen, wie z.B. einem Schulverweis absehen. Das hätte dann ja für die SuS als Täter nachhaltige negative Folgen … und „wir wollen denen doch wohl nicht das Leben versauen?“

laromir
5 Monate zuvor
Antwortet  Mel

Und die Eltern sollte man auch nicht vergessen. Es gab schon einige Eltern die unterschwellig drohen oder gleich an die Schulleitung oder das Schulamt gehen. Die versuchen, bei den Eltern Stimmung zu machen etc. Aber es bringt ja kaum was, wenn man sich wehrt. Wenn ein SuS nicht eine 1000 Seite Akte hat, dann wird man selbst zu Tonnen an Bürokratie genötigt und am Ende passiert nichts wirklich Bedeutsames. Anzeigen und Polizei wird nicht gerne gesehen, vieles wird relativiert… deswegen juckt es auch viele nicht, wie sie sich benehmen.