Unterstützung aus der Praxis für die Praxis: Das verspricht die App SPLINT des Berliner Unternehmens Inklusion Digital. Konkret geht es darum, Lehrkräften bei der Diagnostik und Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler zu helfen – mit einem Programm, das das Fortschreiben von individuellen Förderplänen enorm erleichtert. Immer mehr Schulen in Deutschland arbeiten mit SPLINT. Dahinter steckt der Sonderpädagoge Friedo Scharf, der mit besonders förderbedürftigen Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat und dessen Erfahrungen in das Tool eingeflossen sind. Ein Interview.
Ihr Engagement für Förderpläne hat mit eigenen praktischen Erfahrungen zu tun. Sie sind Lehrer von Beruf…
Friedo Scharf: Ja, ich habe als Sonderpädagoge an einer ISS in Berlin gearbeitet. Das Kürzel steht für Integrierte Sekundarstufe – praktisch eine Gesamtschule.
Also keine Förderschule, sondern eine Regelschule?
Scharf: Es ist eine inklusiv arbeitende Regelschule. Wir hatten laut Verordnung in jeder Klasse maximal vier Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, manchmal auch mehr. Oft hatten wir in der Jahrgangsstufe sieben, wo in Berlin die Oberschule beginnt, viele Neuanträge, weil die Kinder in der Grundschule entweder noch nicht getestet worden waren oder sich der Verdacht auf Förderbedarf erhärtete.
In welchem Setting haben Sie dort gearbeitet? Standen Sie allein vor der Klasse?
Scharf: Ich habe in vielen verschiedenen Settings gearbeitet. Ich habe ein Team geleitet, in einem reformpädagogischen Schulzweig. In diesem Schulzweig habe ich zudem als Klassenlehrkraft gearbeitet und als Sonderpädagoge mit einem Teil meines Stundendeputats die Beratung verschiedener Jahrgänge innegehabt.
Waren Sie auch als Fachlehrer für bestimmte Fächer eingesetzt?
Scharf: Als Fachlehrer für Geschichte bin ich ausgebildet und Sport im Neigungsfach. Als Sonderpädagoge habe ich dann noch andere Fächer begleitet. In der ISS in Berlin ist die Fachbindung allerdings aufgehoben, d adurch wurde ich auch in anderen Fächern, in denen ich nicht ausgebildet bin, als Fachlehrer eingesetzt.
Wie haben Sie den Alltag an der Schule erlebt?
Scharf: Sehr lebendig. Wir hatten eine sehr durchmischte Schülerschaft und waren stets bestrebt, möglichst viele Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen anzusprechen. Wir waren auch in Schulentwicklungsprozesse mit einbezogen. Diese Zeit war sehr spannend und inspirierend für mich. Wir hatten viele Kolleginnen und Kollegen, die aus Überzeugung gerade an dieser heterogenen Schule mit Kindern gearbeitet haben, die keine optimalen Lernvoraussetzungen mitbrachten. Trotzdem haben wir als Kollegium auch mit Überforderung gekämpft und mussten dadurch oft abwägen, wie viele Ressourcen wir in welche Projekte stecken können.
Sie haben auch mit Förderplänen gearbeitet. Welche Erfahrungen haben Sie damit gesammelt?
Scharf: Als beratender Sonderpädagoge war ich für die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bei der Förderplanung verantwortlich und natürlich für die Förderpläne der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in meiner Klasse. Ich habe diese Pläne nicht immer im Detail geschrieben, aber ich habe dabei unterstützt. Die Förderpläne sollten für meine Kolleginnen und Kollegen eine gute Hilfe im Unterricht sein. Leider sind wir oft daran verzweifelt, weil so ein konventioneller Förderplan einmal pro Halbjahr geschrieben und darin Ziele für diesen Zeitraum festgelegt werden. In den seltensten Fällen verfolgen die Schüler*innen aber ein Ziel ein halbes Jahr lang. Meist kann ein Ziel zwei bis sechs Wochen präsent gehalten werden. Über einen längeren Zeitraum verlieren die Schüler*innen oft die Motivation.
Welche Ziele wurden in solchen Förderplänen denn definiert?
Scharf: Meist haben wir versucht, in den Förderplänen überfachliche Ziele zu definieren – etwa Pünktlichkeit. Es gibt zum Beispiel Schüler*innen, die regelmäßig fünf Minuten zu spät zum Unterricht kommen und sich dann nicht ruhig hinsetzten, sondern erst einmal alle Klassenkamerad*innen begrüßen. Solche Kinder haben das Potenzial, den Unterricht zu sprengen. Das ist für eine Lehrkraft wichtig zu wissen. Ein Hinweis für sie im Förderplan konnte dann zum Beispiel so aussehen, dass sie den Unterricht besser nicht sofort mit stofflichen Inhalten beginnt, sondern die Schüler*innen erstmal nach ihrer Befindlichkeit fragt, um locker zu starten – das mindert das Konfliktpotenzial, wenn der Schüler oder die Schülerin dann doch mal wieder zu spät in die Klasse kommt. Das kann schon dazu beitragen, dass sich die Situation entspannt und ein Schüler deshalb zugänglicher wird.
Sowas war zwar gut und schön – trug aber oft eben nicht ein halbes Jahr lang. Wenn der Schüler oder die Schülerin dann pünktlicher kommt, und das kann schon nach einigen Wochen der Fall sein, müsste der Förderplan dann eigentlich angepasst werden. Das passiert bei einem konventionellen Förderplan, der ja erstmal umständlich hervorgeholt werden muss, aber in der Regel nicht.
Eine große Schwierigkeit ist dabei die Speicherung der Schülerdaten. Ein auf Papier geschriebener Förderplan muss zwar für Lehrkräfte einsehbar, darf aber nicht frei zugänglich sein. Das Klassenbuch scheidet deshalb aus. Datenschutzkonform kann ich ihn nur in der Schülerakte ablegen. Da schaut aber eine Lehrkraft, die es mit 200 Kinder und Jugendliche in der Woche zu tun hat, bestenfalls alle paar Wochen hinein. Mehr ist nicht machbar. Auch ein Austausch im Kollegium über eventuelle Anpassungen der Zielsetzungen war im Schulalltag deshalb nicht möglich.
War Frustration über die unzureichende Praxis dann die Initialzündung, um eine Lösung zu entwickeln?
Scharf: Ja, aber der Weg bis zur Lösung war länger. Ich habe erst einmal versucht, den Prozess über Exceltabellen abzubilden und darüber die Rückmeldungen der Kolleg*innen einzuholen. Das ging etwas schneller, weil die einzelnen Werte in den Makros angelegt waren und die Lehrkräfte diese dann auswählen konnten. Eine solche Exceltabelle hat aber viele Einschränkungen. Zudem ist ein solches Dokument auf einem USB-Stick gespeichert, der passwortgeschützt sein und dann auch wieder von Lehrkraft zu Lehrkraft weitergereicht werden muss. Das ist am Ende genauso wenig praktikabel wie der Förderplan in der Schülerakte. Deshalb kam ich auf den Gedanken: Man bräuchte eine Online-Lösung, auf die alle Zugriff haben und an der alle gemeinsam arbeiten können. Dabei muss das Ganze aber datenschutzkonform sein.
Nun hatte ich 2020/2021 ein Sabbatjahr angemeldet. In dieser Zeit habe ich mit einem Freund zusammengesessen, der Programmierer ist und wir haben gemeinsam überlegt, welche Lösung wir für das Problem finden könnten. Dieser Freund – der spätere Mitgründer Sebastian Trapp – hat dann eine Lösung entwickelt. Die haben wir meinem Cousin vorgestellt, der ein auf Datenschutz spezialisierter Anwalt ist und dessen Hinweise enorm wichtig waren. Er berät uns bis heute.
Und mit dem fertig entwickelten Produkt sind Sie dann nach Ihrem Sabbatjahr wieder an die Schule zurückgekehrt…
Scharf: Nach dem Sabbatjahr habe ich von der Senatsverwaltung ein Angebot für eine halbe Stelle als Digitalisierungsberater für die Schulentwicklung erhalten. Diese Teil-Abordnung habe ich angenommen. Alles zusammen wurde dann auf Dauer aber zu viel – und ich musste mich am Ende entscheiden: Entweder meine Beamtenstelle verlassen oder das Projekt aufgeben. Niedersachsen hatte zu diesem Zeitpunkt schon Interesse angemeldet, unser Produkt mit einer Landeslizenz zu testen. So habe ich mich dazu entschlossen, das Projekt erst einmal durchzuziehen und habe um die Entlassung aus dem Schuldienst gebeten. So bin ich also ins kalte Wasser der Selbstständigkeit gesprungen.
Wie konnten Sie denn Lehrkräfte dafür gewinnen, SPLINT in der Praxis zu testen?
Scharf: Ich war in den sozialen Medien aktiv und habe mich zum Beispiel über das Twitter- oder Insta-Lehrerzimmer mit Kolleg*innen ausgetauscht. Dort habe ich auch etwas über SPLINT gepostet und angefragt, wer das Programm einmal testen möchte. Innerhalb von zwei Monaten haben wir über 1000 Tester gefunden, die es dann auch in ihren Netzwerken geteilt haben. In manchen Fällen konnten wir auch Schulen und Schulämter gewinnen, die die Tests begleitet haben.
Haben Sie anhand der Rückmeldungen nachsteuern müssen?
Scharf: Ja, klar. Eine Förderplanung folgt zwar standardisierten Regeln, aber trotzdem ist es wichtig, darauf multiperspektivisch zu schauen. Und dafür reicht mein Blick nicht aus. So haben wir versucht, das Produkt barrierefrei zu gestalten, damit der Zugang für Lehrkräfte mit verschieden hoher digitaler Affinität möglich ist. Wir haben eigens Tests mit Lehrkräften durchgeführt, die sich im Allgemeinen mit digitalen Tools schwer tun. Mir ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass SPLINT ein Programm ist, dass sich ganz stark nach der Praxis richtet. Deshalb sind uns der Austausch und die Rückmeldung der Lehrkräfte ein großes Anliegen. Auch arbeiten wir eng mit verschiedenen Universitäten zusammen, um das Programm stets auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand zu halten.
Letzte Frage: Warum heißt SPLINT eigentlich SPLINT?
Scharf: Es war nicht einfach, einen Namen zu finden, der allen Beteiligten gefiel. Wir hatten Kontakt zu einer Designagentur aus Berlin. Wir dachten, dass ein Förderplanungstool ja eine Art Werkzeugkasten ist – und baten die Agentur, für uns mal einige Werkzeuge aufzulisten. Ein Splint ist eine Art Klammer, mit der man etwas festhält. Das Bild fanden wir passend.
Testen Sie SPLINT als einzelne Lehrkraft oder als Team an Ihrer Schule oder Einrichtung sechs Wochen lang kostenlos! Wichtig für Schulleitungen: SPLINT ist aus den Mitteln des Startchancen-Programms finanzierbar.
Dies ist eine Pressemeldung der Inklusion-Digital GmbH.
Unterstützung aus der Praxis für die Praxis: Förderpläne einfach entwickeln – mit der SPLINT App