Podcast von Kati Ahl: Zu Besuch in einer papierlosen Schule (und dort, wo ein neues Schulfach Informatik entwickelt wird)

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FRANKFURT/MAIN. Kati Ahl kennt sich mit Bildungsthemen gut aus. Sie war Lehrerin, hat Lehramtsreferendar*innen ausgebildet und war Schulleiterin. Heute ist sie Schulentwicklungsberaterin, Buchautorin und Podcast-Produzentin. In ihrer neuen Podcast-Reihe „Schule, lass mal reden!“ unternimmt sie Bildungsreisen, um herauszufinden, wie Schule in anderen Ländern funktioniert. Ihre erste Reise führt sie nach Dänemark, wo sie auf der Suche nach pädagogischen Perlen ist. Heute besucht sie dort den Lernort Tech X – und eine papierlose Schule.

Gehört zu den renommiertesten Bildungsexpertinnen in Deutschland: Kati Ahl (Foto: Oliver Steller)

Im ersten Teil ihrer Podcastreihe war sie der Frage nachgegangen, was an dänischen Schulen anders ist im Gegensatz zu Schulen in Deutschland. Dass in Dänemark anders unterrichtet wird, zeigt sich auch im zweiten Teil von Kati Ahls Bildungsreise. Dies wird vor allem am Beispiel der Digitalisierung und dem Fach Informatik deutlich. Lehrpläne bestehen hier aus Dokumenten mit QR-Codes, wo für jeden Jahrgang Themen vermerkt sind. Auch im Informatikunterricht gibt es Unterschiede. In Deutschland ist das Fach in einigen Bundesländern bereits verpflichtend, aber eben noch nicht flächendeckend. Hinzu kommt, dass die Lehrkräfte häufig über wenige fachspezifische Kenntnisse verfügen und Informatiker*innen meist keine Pädagog*innen sind.

Wie wird in Dänemark das Fach Informatik unterrichtet? Ein Beispiel hierfür ist der außerschulische Lernort Tech X, den Kati Ahl in der ersten Podcastfolge dieser Reihe bereits besucht hat. Hier haben Lehrkräfte zusammen mit Expert*innen das Fach „Technologie und Innovation“ entwickelt. Seit anderthalb Jahren wird es schon im learning hub Tech X unterrichtet. Der Digitalexperte, Pädagoge und Chef des außerschulischen Lernortes Tech X, Jesper Drachmann, bezeichnet dieses neue Schulfach im Gespräch mit Kati Ahl als Erfolgsgeschichte. Er räumt allerdings ein: „Es braucht viel Zeit, um ein neues Schulfach einzuführen, weil die Lehrkräfte anfangs viel Neues lernen müssen.“

Im Fach Technologie und Innovation werden den Schülerinnen und Schülern vielfältige Kompetenzen vermittelt. Dazu gehören Jesper Drachmann zufolge u.a. digital literacy (digitale Mündigkeit), creativity and production sowie computational thinking. Dies bedeutet, dass die Kinder und Jugendlichen produktiv sein und selbstständig etwas produzieren sollen. Außerdem bekommen sie ein Verständnis dafür, was ein Computer mit Hilfe von Algorithmen leistet. In erster Linie ist es zwar ein Schulfach, aber Jesper Drachmann wünscht sich, dass „Technologie und Innovation“ zur Querschnittsaufgabe für alle Fächer wird. Um dies zu erreichen sei es wichtig, so Drachmann, die Lehrkräfte dafür zu sensibilisieren, welche Auswirkungen die Inhalte jeweils für das eigene Fach haben.

Bei der Implementierung eines neuen Schulfaches im Kontext Digitalisierung kommen für die Lehrkräfte einige neue Aufgaben hinzu. So benötigen sie neben der pädagogischen auch eine technologische Kompetenz. In seinem Vortrag mit dem Titel „Wenn ChatGPT in der Lehrer*innenbildung mitredet“ vom 1. Februar 2024 nennt der Schweizer Informatiker Beat Döbeli Honegger diese Fähigkeit Digitalitätskompetenz. Die Lehrkraft muss also entscheiden, was ist digital-pädagogisch sinnvoll und was ist digital-inhaltlich wichtig. Natürlich muss auch von der Lehrkraft berücksichtigt werden, welche Elemente sich als pädagogisch-inhaltlich sinnvoll erweisen.

Welche Tipps hat Jesper Drachmann, um ein solches technologisches Fach auch an deutschen Schulen einzuführen? Für Jesper Drachmann ist es wichtig, dass vor der Implementierung eines neuen Schulfaches entsprechende Organisationsstrukturen geschaffen werden, die den Prozess erleichtern und diesem einen gestalterischen Rahmen geben. Außerdem sei es empfehlenswert, die Lehrkräfte aktiv an der Veränderung zu beteiligen und ein Netzwerk zwischen den Akteur*innen zu knüpfen. Auch sollten anstehende Veränderungen im Team gut kommuniziert werden.

Kati Ahl berichtet, dass im Nachbarland Schweden mittlerweile die Auffassung vorherrscht, es sei an den Schulen zu viel Digitalisierung betrieben worden. Nun müssten Schüler*innen und Lehrkräfte wieder zum analogen Schulbuch zurückkehren.

Wie schätzt Jesper Drachmann vor diesem Hintergrund die Bildschirmzeit von Kindern und Jugendlichen ein?  „Die Zeit am Bildschirm muss für die Kinder und Jugendlichen immer einen pädagogischen Nutzen haben oder ein anderes Ziel verfolgen“, erläutert Jesper Drachmann. „Es geht nicht um die Menge an Zeit, die die Kinder und Jugendlichen am Bildschirm verbringen, sondern um die Sinnhaftigkeit.“ Für Eltern sei es wichtig, am Leben der Kinder teilzuhaben und sich mit ihrer Digitalität zu befassen. Das bedeutet, so Drachmann, dass man mit den Kindern die Nutzerzeit vom Handy oder YouTube vereinbart und mit ihnen darüber im Gespräch bleibt. Dazu gehöre auch, mit den Kindern von Zeit zu Zeit gemeinsam ein Computerspiel zu spielen.

Eine papierlose Schule – gibt’s die? Auf ihrer Reise durch Dänemark besucht die Podcasterin Kati Ahl auch das Ørestad Gymnasium in der Nähe der Hauptstadt Kopenhagen. Diese Schule kommt ganz ohne Papier und analoge Schulbücher aus. „Diese Schule hat eine unglaubliche Architektur“, berichtet Kati Ahl. „Hier gibt es keine abgegrenzten Räume, aber dafür verschiedene Versammlungsorte und viel offenen Lernraum.“ Mit dem iPad kann man hier einfach besser lernen, so Kati Ahl weiter. Auf die Frage hin, ob das Gymnasium auch KI im Unterricht einsetzt, antwortet Schulleiter Mads Skrubbeltrang: „Wir erlauben den Einsatz von KI an unserer Schule, aber es gibt dafür noch keine klar definierten Regeln. Wir sind also noch im Lernprozess.“ Nina Odenius

Hier geht’s zur Homepage von Kati Ahl.

Weitere Folgen:

Den Podcast finden Sie auch auf

 

News4teachers-Podcast von Kati Ahl: Gemeinschaft, Innovationskraft… Was deutsche Schulen sich in Dänemark abgucken können

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17 Kommentare
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Katze
1 Monat zuvor

“Bei der Implementierung eines neuen Schulfaches im Kontext Digitalisierung kommen für die Lehrkräfte einige neue Aufgaben hinzu.”

Ich und viele meiner MINT-Kollegen wären auch froh, wenn wir in unsere Fächer im Kontext Leistungsfähigkeit wieder mehr ernsthafte fachliche Bildung implementieren könnten.

“Außerdem bekommen sie ein Verständnis dafür, was ein Computer mit Hilfe von Algorithmen leistet.”

Ein Verständnis dafür, was SuS mit ihren individuellen kognitiven und emotionalen Ressourcen selbst zu leisten vermögen, bekommen sie mit Hilfe von qualifizierten Lehrkräften in allen Fächern, welche ihnen Anstrengung und Leistung zutrauen und zumuten. Ob mit Tablet, iPad oder Lehrbuch und Schreibpapier ist dabei zweitrangig.

“Die Lehrkraft muss also entscheiden, was ist digital-pädagogisch sinnvoll und was ist digital-inhaltlich wichtig.”

Lasst die Lehrkräfte zunächst analog entscheiden, was lernpsychologisch und methodisch sinnvoll und was im jeweiligen Fach inhaltlich angemessen und wichtig ist.
Dann kümmern wir uns gern um neue Aufgaben und Herausforderungen.

Beli
1 Monat zuvor
Antwortet  Katze

Danke!!

vhh
1 Monat zuvor

Die meisten Lehrkräfte haben eine Idee davon, was unter optimalen Bedingungen möglich wäre. Tekx liegt am Rand von Kopenhagen und versteht sich lt. Homepage als ‘Inkubator’ für neue Ideen, als außerschulischer Lernort (60 Plätze). Wenn hier ein Fach neu entwickelt und seit eineinhalb Jahren unterrichtet wird, was sagt das über die Anwendbarkeit auf dem flachen Land, unter suboptimaler Ausstattung? Die Lehrkräfte müssen viel Neues lernen, es kommen neue Aufgaben hinzu (jetzt stellt euch nicht so an..). Am besten als Querschnittsaufgabe in allen Fächern (dann braucht man auch keine neuen Stellen, denken sich in D die brillanten 16). Im dänischen System dürfte es sehr viel einfacher sein, entsprechende Fortbildungszeit zu vereinbaren und zu integrieren, trotzdem ist es ‘nicht einfach’? https://deutsches-schulportal.de/expertenstimmen/daenemark-wie-andere-laender-die-lehrerarbeitszeit-regeln/
Lehrpläne bestehen aus QR-Codes, die auf Themen verlinken. Wie innovativ! Sorry, aber das ist nicht Digitalisierung, das ist nur ein anderer Weg, Material anzubieten. Wie Thesaurus statt Wörterbuch.
Das Ørestad-Gymnasium ist eine Oberstufenschule mit medienorientiertem Profil in einem neuen Stadtteil Kopenhagens (wenn ich das richtig recherchiert habe). Ist irgendetwas davon selbst in mittlerer Zukunft für unsere Schulen vorstellbar, die nicht einmal die Instandhaltung von Toiletten und Fenstern sicherstellen können? Hatte nicht gerade ein Bausenator sinngemäß erklärt, die pädagogischen Aspekte könnten bei Schulbauten keinen Vorrang haben?
Bildungsausgaben Dk 5,8%, D 4,6% des BIP, das in Dk pro Kopf fast 30% höher ist.
Was nützt es, sich Vorbilder oder Beispiele zu suchen, die unrealistisch sind? Das führt wieder zu Leuchtturmprojekten, alle klopfen sich auf die Schultern,’wir können es auch’, aber in der Breite wird es währenddessen schlimmer.
Vor allen denkbaren Veränderungen steht eine Frage bzw Entscheidung: sollen Schulen Lern- oder Aufbewahrungsorte sein? Die zweite Lösung erfordert nur digitale Anfangsinvestitionen, dann ist der KI-gestützte Unterricht für 100 SuS mit einer Lehrkraft vorstellbar. Ein Lernort braucht leider kontinuierliche Investitionen und neue Gebäude und IT-Unterstützung und Doppelbesetzungen…
Nein, ich muss keine Beispiele sehen, wie es sein könnte, vielleicht sogar sollte. Ich möchte nur erleben, dass die kontinuierliche Verschlechterung der Lage zur Kenntnis genommen und versucht wird, ernsthaft etwas dagegen zu tun. An allen Schulen.

Tigrib
1 Monat zuvor
Antwortet  vhh

Tolle Architektur wird gelobt. Tja, wo sind wir in Deutschland da mittlerweile gelandet…
Bei mir gehen nur noch 2 der 5 Fenster auf, es rieselt von der Decke herunter und in den Ferien muss ich selbst zum Pinsel greifen, um perverse Kritzeleien an den Wänden zu entfernen (dafür ist kein Geld da). In solch einer Atmosphäre lernt es sich nicht gut! Egal ob mit oder ohne Digitalisierung.

Na ja
13 Tage zuvor
Antwortet  Tigrib

Bei uns geht in manchen Räumen nur noch ein Fenster auf, das Dach ist undicht und der Kopierer ist seit Monaten kaputt und wird nicht getauscht. Papierlos sind wir somit auch, haben aber als Schule mit 900 Schülern nur 60 Tablets.

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor

Eine schöne Gegenüberstellung zur Ergänzung:

https://www.luebeck.de/files/bildungsportal/bildung/KultKIT/kultKIT_Factsheet-Schulsysteme_DK-D.pdf

Das Problem in Deutschland lässt sich beziffern: 16.

Wir könnten so gut sein, würde man uns nur lassen und uns den Freiraum zum Unterrichten schaffen und geben. Ein System am Abgrund, so könnte man Deutschlands Bildungsgewürge bezeichnen.

Lisa
1 Monat zuvor

Während die einen offene Lernräume und Digitalkompetenz bekommen, scheitern die anderen schon am sinnentnehmenden Lesen. Es gibt bereits eine unheimliche Kluft. Wie werden mit diesem neuen Fach Integration und Inklusion, die beiden großen Herausforderungen, bewältigt?

Fräulein Rottenmeier
13 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Das nennt sich Diklusion…..habe ganz bald eine ganz tolle Fortbildung zu….

potschemutschka
12 Tage zuvor

Bitte davon berichten!

Fräulein Rottenmeier
11 Tage zuvor
Antwortet  potschemutschka

Ja, mache ich….allerdings hält sich meine Vorfreude in Grenzen, denn wir haben gerade ganz andere Probleme als tolle digitale Apps in unsere gelebte Inklusion einzubinden.
Ich muss gestehen, dass mich dieser Digitalisierungswahn nicht besonders reizt. Es gibt super Apps, die nutze ich auch, aber eigentlich finde ich Papier und analoge Lernmittel schon besser (Kopf, Herz und Hand und so…)

potschemutschka
11 Tage zuvor

Das dachte ich mir, dass das ein klein bisschen ironisch gemeint war. 🙂 Die Erkenntnisse aus der Fortbildung interessieren mich trotzdem.

Fräulein Rottenmeier
6 Tage zuvor
Antwortet  potschemutschka

So, bin wieder da und gebe zu, dass es wirklich informativ war. Grundsätzlich ging um Medien in einem heterogenen (inklusiven) Unterricht. Natürlich sind die allgemeinen Apps bekannt, die so gängig im Unterricht eingesetzt werden. Um die ging es aber eigentlich nur in zweiter Linie….in erster Linie ging es darum, dass Frau Schulz uns in zunächst in die Theorie mitgenommen hat, welche Lernebenen es gibt:
1. Ebene: Lernen mit Medien
2. Ebene: Lernen durch Medien
3. Ebene: Lehren mit Medien
4. Ebene: Lernen über Medien (Metaebene)

Wir haben uns dann weiter mit Ebene 1 bis 3 beschäftigt, was uns in der Grundschule und in inklusiven Settings am meisten betrifft.
Im Vordergrund standen zunächst Assistive Möglichkeiten, die ein I-Pad so bietet (für seh- und Hörbehinderte Menschen gut), aber auch welche Apps wirklich gut geeignet sind, Kinder mit Einschränkungen Teilhabe zu ermöglichen (z.B. Book Creator zum Thema Lerntagebücher)
Auf Ebene 3 kann man sich Gedanken über Classroommmangement digital machen, z.B. Digitale Tafeln, die alle Elemente des in sich vereinigen….

Unten weiter habe ich ihren Vortrag verlinkt….(sie erlaubte und wünschte ausdrücklich, dass ihre Materialien und Gedanken verbreitet werden….)….keine Ahnung, ob der Link funktioniert….

https://taskcards.s3.hidrive.strato.com/attachments/c00e45eb-5bea-44ae-b6e8-c848db364148?response-content-disposition=filename%3D2024_09_04_Diklusion_LSchulz_Bielefeld.pdf&X-Amz-Algorithm=AWS4-HMAC-SHA256&X-Amz-Credential=AHS49RUS6XLXF0S0CNIF%2F20240904%2Feu-central-1%2Fs3%2Faws4_request&X-Amz-Date=20240904T073424Z&X-Amz-Expires=604800&X-Amz-SignedHeaders=host&X-Amz-Signature=a595df7c9b16dcbd6182b3eeeba297adb69239df232a97e38c419dc4e485607f

Fräulein Rottenmeier
5 Tage zuvor

Undnweil der Link funktioniert, dann auch noch die komplette Taskcard mit Materialvorschlägen….
https://www.taskcards.de/#/board/452ac0e7-c2f1-4e56-a7b0-d713e52ab3ee/view?token=a6b10fa1-85d1-45fa-aa86-bfb9366fee89

Dr. Specht
1 Monat zuvor

Zur Bewertung des Gesamtbildes der bildungspolitischen Situation bezüglich der Digitalisierung von Schulen gehören auch diese Fakten:

https://www.sueddeutsche.de/politik/digitalisierung-daenemark-schule-handy-pisa-tablet-1.6344670

ed840
1 Monat zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Dass sich der Wind in DK teilweise wieder zu drehen scheint, habe ich auch mitbekommen:

https://www.shz.de/deutschland-welt/schleswig-holstein/artikel/diese-schule-in-daenemark-will-moeglichst-wenig-digital-sein-45794923

Achin
1 Monat zuvor
Antwortet  ed840

Warum erwähnt dies Frau Ahl mit keiner Silbe?

ed840
1 Monat zuvor
Antwortet  Achin

Kann ich Ihnen nicht sagen, da ich Frau Ahl nicht näher kenne. Spekulationen und Mutmaßungen sind auch nicht so mein Ding.