Startchancen-Programm: Warum die CDU-geführten Kultusministerien das Milliardenprojekt kleinschweigen (außer einem)

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DÜSSELDORF. Während die meisten der unionsgeführten Landesregierungen das von der Ampel angetriebene, milliardenschwere Startchancen-Programm allenfalls beiläufig erwähnen, freut sich die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller (CDU) unbefangen über den Geldregen aus Berlin. Zu Recht.

Pssst, gute Nachrichten… Illustration: Shutterstock

Dem CDU-geführten Kultusministerium von Sachsen war das Startchancen-Programm bislang nur einen Blog-Beitrag wert. Eine offizielle Pressemeldung zum immerhin größten Bildungsprojekt in Deutschland (wie die, dass „Kultusminister Christian Piwarz den rund 90 Schulanfängern der 120. Grundschule Dresden den ersten Schultag mit vier großen Zuckertüten versüßen wird“) sucht man auf den Internet-Seiten des Hauses vergeblich.

Ähnlich das Bild in Hessen. „Förderverein der Grundschule am Diebsturm in Grünberg erhält 3.000 Euro“, so meldet das vom Christdemokraten Armin Schwarz geführte Kultusministerium aktuell – kein Wort dagegen zum Startchancen-Programm in den Pressemitteilungen des Hauses. In Schleswig-Holstein benannte Bildungsministerin (und Vize-Vorsitzende der Bundes-CDU) Karin Prien das Startchancen-Programm sogar um: „PerspektivSchule Kurs 2034“ heißt es dort nun kryptisch.

Dabei gibt es eigentlich keinen Grund, tiefzustapeln. Das Projekt sieht vor, dass bundesweit zunächst gut 2.100 und später bis zu 4.000 Schulen in sozial schwierigen Lagen eine spezielle Förderung bekommen. Die Maßnahmen greifen mit Beginn des neuen Schuljahres. Über die kommenden zehn Jahre wollen Bund und Länder dafür immerhin 20 Milliarden Euro bereitstellen. Das ehrgeizige Ziel: Bis zum Ende der Programmlaufzeit 2034 soll die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, halbiert werden. Das Startchancen-Programm sei das größte und langfristigste Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, sagt denn auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

Kontrahentin Prien nutzte allerdings in den Verhandlungen jede Gelegenheit, am Programm – das die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag bereits angekündigt hatte – herumzumäkeln. Nach den im Mai 2023 vorgelegten Eckpunkten sollten die Länder die jährlichen Zuwendungen von maximal einer Milliarde Euro in gleicher Höhe mitfinanzieren. Dies komme „unter keinen Umständen in Betracht“, polterte Prien. „Die Länder finanzieren schon jetzt 90 Prozent der Bildung. Es kann nicht sein, dass wir unsere eigenen Programme im Zuge des Startchancen-Programms zurechtkürzen müssen.“

Der Bund habe „keine Fachkompetenz in Sachen Bildung, das zeigt sich in vielen Details des Vorschlages, den die Presse bekam, noch bevor die Länder ihn kannten“, schimpfte die Christdemokratin. „Den Vorschlag von Frau Stark-Watzinger kann man aktuell nur so zusammenfassen: zu spät, zu wenig und zu bürokratisch.“

Durchschlagskraft der Kritik: keine. Ergebnis der Verhandlungen: Die Länder finanzieren nun die jährlichen Zuwendungen des Bundes von einer Milliarde Euro in gleicher Höhe mit, wie im Entwurf des Bundesbildungsministeriums vorgesehen – und lieber halten die CDU-Kultusminister das Programm nun öffentlich klein, als ihren eigenen, durchaus nennenswerten Beitrag daran hervorzuheben. Könnte ja wie eine Niederlage aussehen und die politische Konkurrenz dadurch punkten.

„Das Startchancen-Programm wird in Nordrhein-Westfalen ein echtes Chancen-Programm“

Eine schert jetzt allerdings aus der Phalanx der Schweigenden aus: NRW-Schulministerin Dorothee Feller. „Unser Ziel ist, dass alle Kinder in Nordrhein-Westfalen faire Bildungschancen erhalten. Das Startchancen-Programm wird dazu einen ganz wichtigen Beitrag leisten. Die positive Energie, die schon auf der Auftaktkonferenz im Juni zu spüren war, wollen wir jetzt ins neue Schuljahr hineintragen. Ich wünsche allen Startchancen-Schulen viel Erfolg“, so die Ministerin.

Und sie freut sich: Mit dem Startchancen-Programm würden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 920 Schulen in herausfordernder Lage gezielt unterstützt. Für das Programm stelle der Bund dem Land in den kommenden zehn Jahren rund 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Land werde seinerseits Mittel bis zu demselben Umfang investieren. „Die Startchancen-Schulen werden einen besonderen Schwerpunkt auf die Förderung der Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen sowie auf die Stärkung der sozial-emotionalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler legen“, sagt sie und betont: „Das Startchancen-Programm wird in Nordrhein-Westfalen ein echtes Chancen-Programm.“

Sogar „Startchancen-Plaketten“ gibt’s für die am Programm beteiligten Schulen. Feller persönlich überreichte 160 Schulleitungen aus den drei Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster die Schilder, die sich Schulen an den Eingang schrauben können und die, versehen mit den Logos von BMBF und dem Land NRW, selbstbewusst verkünden: „Wir sind eine Startchancen-Schule“.

Das Kultusministerium Sachsen meldet aktuell dagegen: „Kultusminister Piwarz überreicht Fördermittel für die Grundschule Malschwitz“. News4teachers

„Dieses Programm muss erfolgreich werden!“ Interview mit Prof. Kai Maaz, Direktor des DIPF, über die Chancen von Startchancen

 

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25 Kommentare
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Canishine
27 Tage zuvor

Parteigezänk, Profilierungsdenken und Ego schaden der Bildungspolitik mutmaßlich mehr als jegliche pädagogische Bildungsreform nutzen könnte.

Canishine
27 Tage zuvor
Antwortet  Canishine

Besser „Bildung“ anstatt „Bildungspolitik“.

ed840
27 Tage zuvor

Wer das Startchancenprogramm nun wie für PR-Zwecke nutzt oder nicht wäre mir weniger wichtig, solange die Gelder effektiv und zielgerichtet eingesetzt werden und hoffentlich auch die gewünschten Erfolge bringen. Mal sehen, wie das z.B. in Sachsen umgesetzt wird.

https://www.schule.sachsen.de/startchancen-programm-scp-8458.html

ed840
27 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich dachte bisher Pressemeldungen wären hauptsächlich ein Mittel der PR. Was hätten Sie denn konkret an der Umsetzung des Startchancen-Programms in Sachsen auszusetzen?

ed840
27 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Wurden denn in Sachsen Schulleitungen und Lehrkräfte nicht informiert? Die website wäre z.B. schon seit Juni online und ich denke die betroffene Schulen wurden auch direkt benachrichtigt .

https://www.schule.sachsen.de/startchancen-programm-scp-8458.html

Bei SuS müsste man wohl weniger auf Pressemeldungen setzen, sondern vermutlich mehr auf Plattformen wie tik-tok etc.
Einen Teil der Eltern könnte man aber vielleicht schon noch über die Presse erreichen.

IusRespicitAequitatem
26 Tage zuvor
Antwortet  ed840

Ja, eine große PR-Aktion: Viele, vielleicht sogar sehr viele Leuchtturmprojekte.

Aber mal im Ernst, wäre es nicht besser alle SuS an allen Schulen würden bessere Startchancen bekommen. Warum die Beschränkung auf bestimmte Schulen, die durch die Aktion zudem stigmatisiert werden?

DerechteNorden
26 Tage zuvor

Nicht, dass ich mir viel von dem Programm verspreche. Es bleibt abzuwarten, wie viel es denn tatsächlich bringen kann. Nichtsdestoweniger empfinde ich Ihren Beitrag befremdlich.

Dass nicht alle Schulen etwas abbekommen, liegt einfach daran, dass es nicht genügend Geld gibt, um alle zu beglücken. Wenn man das täte, hätte niemand etwas davon.
Die Schulen, die davon profitieren können, haben es so bitter nötig, dass ich mich über Beiträge wie den Ihren wirklich wundern muss. In welchem Land leben Sie denn, dass Sie nicht mitbekommen haben, dass Kinder, die auf bestimmte Schulen gehen, gar keine Chancen haben, wenn man nicht massiv Geld in diese Schulen gibt.
Das Stigma, das Sie erwähnen, ist zudem ein Pseudo-Argument, da die Schulen, die gefördert werden sollen, sowieso bereits „stigmatisiert“ (wenn man es denn so nennen will) sind und keinerlei Rolle spielt.

IusRespicitAequitatem
26 Tage zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Ich glaube schon, dass es in diesem Land genügend Geld für alle Schulen, SuS gibt. Und ich denke, dass kaum etwas so wichtig ist wie die Bildung unserer Kinder.

Sokrates
26 Tage zuvor

Bildung sollte das Wichtigste für ein rohstoffarmes Land wie unseres sein. Aber das meiste Geld muss dahin, wo die Chancengleichheit am schlechtesten ist – und das sind v.a. Schulen in den Problemvierteln der Großstädte und z.B. nicht die Gymnasien im reichen Vortaunus oder am Starnberger See.

IusRespicitAequitatem
25 Tage zuvor
Antwortet  Sokrates

Ich glaube – wie oben schon geschrieben – dass es in diesem Land genügend Geld für alle Schulen, Schüler und Schülerinnen gibt. Vor diesem Hintergrund ist es meines Erachtens nicht nötig irgendjemand finanziell besser oder schlechter zu stellen. Wobei sich von selbst versteht, dass besonders schwache SuS eine besondere Förderung benötigen, genauso wie die besonders leistungsstarken SuS. Wir müssen die SuS halt dort abholen, wo sie stehen. Aber das machen wir doch schon immer so.

Dietmar
26 Tage zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Ich wundere mich darüber, dass Sie glauben, es wäre nicht genug Geld da. Schauen Sie doch mal in den Haushalt. Da ist genügend Geld für alle Schulen. Und wenn man dann noch das Geld betrachtet, das sich der Staat durch die Lappen gehen lässt: Der Skandal mit der Warburg Bank, Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte usw. Wenn Sie nur dieses Geld für die Schulen verwenden könnten, wären alle Probleme beseitigt.

Sokrates
26 Tage zuvor
Antwortet  Dietmar

Wenn gezielt Steuerbetrug und -hinterziehung bekämpft werden würde, hätten wir gemäß den entsprechenden Schätzungen sogar einen Abbau des Schuldenberges bei gleichzeitig möglichen Mehrausgaben z.B. für Bildung. Aber bestimmte vorgeblich wirtschaftsaffine Parteien scheinen daran kein echtes Interesse zu haben.

Dietmar
25 Tage zuvor
Antwortet  Sokrates

Ich weiß nicht, auf welche vorgeblich wirtschaftsaffine Parteien Sie hier anspielen.

Anne Brorhilker hat sich jedenfalls nicht konkret auf vorgeblich wirtschaftsaffine Parteien bezogen: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/cum-ex-aufarbeitung-100.html

Jetzt will sie die Regierung verklagen: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Ehemalige-Cum-Ex-Staatsanwaeltin-verklagt-jetzt-die-Regierung-article25093281.html

Hysterican
25 Tage zuvor
Antwortet  Sokrates

„Aber bestimmte vorgeblich wirtschaftsaffine Parteien scheinen daran kein echtes Interesse zu haben.“

So sehr und so gerne ich auf die FDP und deren Chefideologen (es gibt keine Probleme-es gibt nur dornige Lösungen)Lindner eindresche – aber an dieser Stelle sehe ich die – zugegebenermaßen eher klein geratene – „Leuchturmperson“ – Mr. MAGGOO Olaf Scholz in einer wichtigen Verantwortung.

Dadurch, dass er und seine Spezialdemokraten den offenkundigen und quasi von Olearius zugestandenen Steuerbetrug nicht strafrechtlich mit allen Konsequenzen verfolgt hat (inkl der Rückzahlung aller unrechtmäßig angeeigneten Millionen Plus Strafzahlungen plus Zinsen), hat er die allgemeine Richtung der Politik und der Steuerjustiz in Sachen Cum-Cum-Ex und den anderen Schweinereien quasi vorgegeben.

DerechteNorden
25 Tage zuvor
Antwortet  Dietmar

Konjunktiv. Da das aber nicht getan wird, muss man Prioritäten setzen.
Und da ist es doch nur richtig, dass diejenigen, die es nötigsten haben, bevorzugt werden.

Dietmar
25 Tage zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Weil die Gelder falsch verteilt werden, muss man damit leben und Prioritäten setzen? Und Prioritäten setzten bedeutet für Sie, bestimmte SuS finanziell besser zu stellen als andere?

Nein, man muss – gerade in einem Forum wie diesem – darauf hinweisen, dass die Gelder falsch verteilt werden. Gerade im Disput gibt es keinen faulen Kompromiss und kein Leben mit der Lage.

DerechteNorden
25 Tage zuvor
Antwortet  Dietmar

Weisen Sie hier doch gern darauf hin. Interessiert die Politik aber nicht.

Dietmar
24 Tage zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Doch, interessiert die Politik schon. Denn die Politik schaut den Wählern aufs Maul.

Wenn irgendwann mal viele Menschen verstanden haben, dass im Haushalt genügend Geld für wirklich jedes Kind und jede Schule ist, und die Menschen auch den Wunsch haben, das vorhandene Geld den Kindern und Schulen zukommen zu lassen, dann werden die Kinder und Schulen das Geld bekommen, das sie brauchen.

Bis dahin muss ich halt noch warten und bei den Leuten Überzeugungsarbeit leisten, die vor faulen Kompromissen beide Augen verschließen. Eine lohnenswerte Arbeit, die ich gerne mache.

RainerZufall
27 Tage zuvor

„Der Bund habe „keine Fachkompetenz in Sachen Bildung, das zeigt sich in vielen Details des Vorschlages, den die Presse bekam, noch bevor die Länder ihn kannten““

Die Länder müssen ja das Geld nicht annehemen – mehr für die übrigen…

dickebank
26 Tage zuvor

Frau F. aus NRW kann sich aber auch schlecht gegen die B.-Stiftung in Stellung bringen. Das würde ihre Amtszeit auf die Lebensdauer von Eintagsfliegen hinaus laufen lassen.

447
25 Tage zuvor
Antwortet  dickebank

System erkannt.

ginny92
23 Tage zuvor

Ich stimme durch aus damit über ein das das Start-Chancen-Programm ein wenig zu Geräusch los über die Bühne geht. Allerdings zur Wahrheit gehört aber auch das es nicht der benötige Befreiungsschlag ist.