Die Berufsschullehrer im Südwesten haben den Eindruck, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler nicht am Unterricht teilnehmen. «Aus dem ganzen Land erreichen uns Berichte über abgetauchte Schülerinnen und Schüler. Viele Jugendliche, die nach dem Abschluss oder Abbruch einer allgemeinbildenden Schule berufsschulpflichtig sind, kommen an den beruflichen Schulen überhaupt nicht an», sagte die stellvertretende Vorsitzende des Berufsschullehrerverbands (BLV), Michaela Keinath, in Stuttgart. Auch tauchten während des Schuljahres immer mehr Jugendliche einfach ab und blieben dem Unterricht fern.
«Das hat in den letzten ein, zwei Jahren schon enorm zugenommen», sagte Keinath. An beruflichen Gymnasien gehe es um etwa 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler, in anderen Bereichen des beruflichen Schulsystems auch um bis zu 20 Prozent, so Keinath. Konkrete Zahlen nannte der BLV nicht.
Verband: Folge der Corona-Pandemie
Als Grund für das Fehlen der Schülerinnen und Schüler nannte die stellvertretende BLV-Chefin unter anderem die Folgen der Corona-Pandemie. Viele Schüler blieben wegen psychischer Belastungen dem Unterricht fern. «Viele können mit ihren Problemlagen nicht mehr umgehen. Es ist dann einfacher, tatsächlich zu Hause im Bett zu bleiben.»
Die Schulleitungen hätten dann die mühsame Aufgabe, die verschwundenen Schülerinnen und Schüler zu erreichen, so Keinath. Das sei nicht zu leisten. «Es darf nicht die Aufgabe von Pädagoginnen und Pädagogen sein, verschwundene Schülerinnen und Schüler zu lokalisieren», kritisierte Keinath. Es brauche mehr Unterstützung, etwa durch Verwaltungskräfte.
Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei forderte mehr Unterstützung der Berufsschulen durch Schulsozialarbeit. «Nur so können wir auch dem offenbar steigenden Schulabsentismus entgegenwirken.» Dieser sei «eine schleichende Katastrophe» und nehme in der Debatte eine zu geringe Rolle ein. News4teachers / mit Material der dpa
Wenn Ängste überhand nehmen: Schulabsentismus betrifft statistisch ein Kind pro Klasse
Ich kann diess Beobachtung im sehr kleinen Rahmen meiner Erfahrungen unterstützen.
Ein Fünftel erschien so selten, dass sie keine Prüfungszulassung erhielten.
Zum Glück erhielten sie von ihren Müttern einen Tritt in den Hintern und konnten (nach einem weiteren verlorenen Jahr nach Corona) ihre Prüfungen abschließen -__-
Spoiler: Auch mehr Schulsozialarbeit hält Jugendliche nicht vom Schwänzen ab. Wir reden uns in einigen Familien mit dieser Problematik den Mund fusselig, begleiten die Schüler auch morgens in die Schule. Doch gibt es eben Eltern, die Schulabsentismus unterstützen und immer eine Entschuldigung schreiben, zum Beispiel dann, wenn sich der eben noch quickfidele Jugendliche nach der ersten Stunde wegen [beliebiges Wehwehchen hier einsetzen] entlassen lässt. Zugegeben, der psychische Druck vermehrte sich in der Pandemie. Aber die liegt nun schon zwei Jahre hinter uns. Wie lange möchte man die Pandemie noch als Grund und Entschuldigung für Missstände gebrauchen?
Oft liegt hinter Schulabsentismus, der nicht nur an Berufsschulen zugenommen hat, unserer Erfahrung nach eine Unlust am Schulbetrieb generell. Jugendliche vergleichen sich mit Profilen auf TikTok und Instagram, dem Influencerlifestyle und dem Traum, mit dem Handy Geld zu verdienen. Dabei vermeidet man alles, was nicht dem eigenen Lustgewinn zuträglich ist.
Schule erfordert Leistung, Anstrengungsbereitschaft und natürlich das Einhalten von Regeln. Warum sollte man sich das antun, wenn es mit ein paar Reels in den sozialen Medien vermeintlich leichter geht? Bestimmte Influencer und Rapper sagen es ganz offen, monieren und verachten den “Nine to five-Job” im “Hamsterrad” und rufen dazu auf, einfach das “eigene Business” zu starten: Hochglanzfotos in der Scheinwelt.
Jugendliche bekommen eine falsche Realität vorgegaukelt und erkennen dies nicht. Natürlich können Pädagogen und Psychologen verschiedenster Fachrichtungen mit diesen Kids in den Dialog gehen. Das tun wir ja auch. Nur wo dies keine Früchte trägt, sollten empfindliche Bußgelder bis hin zur Streichung des Kindergeldes verhängt werden dürfen. Sobald es an den Geldbeutel geht, überlegen sich Eltern und Kinder sicher mehrmals, ob ein Schulbesuch nicht doch die bessere Wahl ist.
Das sehe ich ähnlich. Gerade den letzten Abschnitt, der einschneidende Konsequenzen andeutet, müssen wir stärker ausprobieren und durchsetzen. Wenn ich sehe, wen wir an den beruflichen Schulen so alles “unterrichten” wird mir als Berufsschullehrer Angst und Bange für die Zukunft. 10% der jungen Menschen sind auf einer sehr schweren und schiefen Lebens- und Berufsbahn unterwegs. Das kann und sollte sich eine Gesellschaft nicht mehr ohne Weiteres leisten. Konsequentes sozialpädagogisches Handeln, konsequente Alltagsstruktur und konsequentes Anheben der Fachinhalte müssen wieder stärker in den Fokus.
Ganz Ihrer Meinung. Leider ist ein Bußgeldbescheid o.ä. dermaßen arbeitsintensiv und teilweise auch ausichtslos, selbst, wenn die Bürokratie dafür bedient wurde. Deshalb verzichten wir immer mehr darauf. Wenn eine Entschuldigung folgt, haken wir es einfach ab. Den Kampf kämpfen wir nicht mehr, zumal wir von unserer Schulbehörde null Unterstützung erhalten. Wir werden mit all den laufenden Problemen, die durch die unglaublich schlechte Schulpolitik entstanden sind, alleine gelassen und wenn es saudumm läuft, auch noch verantwortlich dafür gemacht.
Der Artikel spricht aber von “psychischen Belastungen”, ohne die zu präzisieren. Welche mögen das sein, und wie passt das zu Ihren Ausführungen?
Ich behaupte, dass diese Belastungen durch die sozialen Medien entstehen. Der Vergleich ist der erste Schritt zum Unglücklichsein. Ich möchte natürlich keinesfalls ernsthafte, psychische Erkrankungen kleinreden. Nur dass immer mehr Schülerinnen und Schüler davon betroffen sein sollen, liegt sicherlich nicht primär an der Pandemie.
Sorry,
und schon wieder ist “Corona” dran schuld. Das ganze hat sich schon vor Corona angekündigt, die Steigerung ist gefühlt linear. Wobei die zusätzlichen Prüfungen in Teil1 und Teil2 sowie die neuen immer volleren Lehrpläne ihres dazu geben. In der Oberstufe sind viele Schüler von der Werksrealschule in der EK einfach überfordert, mittlerweile auch von der RS. Warum? Heterogene Klassen bringen dort die gleichen Probleme, dazu die stark vermehrten Projekte und der dadurch vernachlässigte Stoff. In kaufmännischen Ausbildungsberufen zB hat man das Prozentrechnen im ersten Jahr gestrichen, dass können die Schüler schon. Dann wird kalkuliert und viele Schüle verstehen die Welt nicht mehr.
Also bitte hört auf, die einfache Lösung “Corona” auszuschlachten, das ist bequem und bringt nichts. WIr müssen nach den Problemen suchen. Und den Lehrern wieder die Möglichkeit geben, auch außerhalb des Lehrplans im Unterricht mit den Schülern zu reden.
Und überdenkt mal, ob es richtig ist, dass die Eltern die Kinder nach 2 Jahren in die “Vollversorgung” abgeben und die Familien als Hort des Zusammenhalts wegbrechen.