Physik-Nobelpreis für KI-Pioniere (einer warnt davor, “dass Dinge außer Kontrolle geraten”)

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STOCKHOLM. Der Physik-Nobelpreis geht an Pioniere der heutigen KI-Landschaft. Ein Preisträger ist als «Godfather of AI» bekannt – ausgerechnet er sieht die Technologie inzwischen sehr kritisch.

Übernimmt bald die KI? Illustration: Shutterstock

Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an zwei Wegbereiter Künstlicher Intelligenz. John Hopfield (USA) und Geoffrey Hinton (Kanada) seien entscheidende Erfindungen gelungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichten, teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. Inzwischen revolutionierten solche Systeme Wissenschaft, Technik und das tägliche Leben.

«Geoffrey Hinton wird oft als der “Godfather of AI” bezeichnet, und das zurecht», sagte Rasmus Rothe, Gründungsvorstandsmitglied des KI-Bundesverbandes. Seine Arbeit sei über Jahre grundlegend für das gesamte Forschungsfeld gewesen. Auch Hopfield habe durch seine Innovationen in essenziellen Bereichen die Basis für viele Fortschritte im maschinellen Lernen gelegt. «Erst mit dem heutigen Fortschritt, durch Firmen wie OpenAI und den enormen Beitrag moderner Forscher, können wir den frühen Einfluss dieser Pioniere in vollem Umfang würdigen.»

Nach Meinung Hintons wird Künstliche Intelligenz einen riesigen Einfluss auf die Menschheit haben. «Sie wird mit der Industriellen Revolution vergleichbar sein», sagte er, als er bei der Preisbekanntgabe telefonisch zugeschaltet war. «Aber anstatt die Menschen an körperlicher Stärke zu übertreffen, wird sie die Menschen an intellektuellen Fähigkeiten übertreffen.»

Der “Godfather of AI” ist inzwischen ein Kritiker

Der «Godfather of AI» – etwa: Urvater der KI – gehört inzwischen allerdings zu ihren größten Kritikern. «Wir haben keine Erfahrung damit, wie es ist, wenn Dinge intelligenter sind als wir», sagte er. In vielerlei Hinsicht werde das wundervoll sein, etwa im Fall eines effizienteren Gesundheitswesens und Verbesserungen der Produktivität. «Wir müssen uns aber auch über eine Reihe möglicher negativer Folgen Sorgen machen, besonders über die Gefahr, dass diese Dinge außer Kontrolle geraten.»

Hinton hatte im vergangenen Jahr seinen Job bei Google Brain, dem KI-Forschungsteam des Unternehmens, gekündigt, um frei über die Risiken von KI sprechen zu können. Er veröffentlichte zusammen mit anderen führenden KI-Forschern mehrere Stellungnahmen zu dem Thema. Demnach sehen sie in KI eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und rufen dazu auf, die Risiken ernst zu nehmen.

Hopfield-Netzwerk und Boltzmann-Maschine

John Hopfield (91) entwickelte ein nach ihm benanntes Netzwerk, das eine Methode zum Speichern und Wiederherstellen von Mustern verwendet. Hinton (76) verwendete dieses als Grundlage für ein weiteres Netzwerk: die Boltzmann-Maschine. Diese kann lernen, charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten – etwa bestimmte Elemente in Bildern – zu erkennen.

Die Inspiration stammt von der Struktur des Gehirns. In einem künstlichen neuronalen Netz werden die Neuronen des Gehirns durch Knoten dargestellt, die sich gegenseitig durch mit Synapsen im Gehirn vergleichbaren Verbindungen beeinflussen. Das Netzwerk wird trainiert, indem zum Beispiel stärkere Verbindungen zwischen bestimmten Knoten aufgebaut werden.

Forschung und Entwicklung in diesem Bereich sind in den vergangenen Jahren rasant vorangeschritten. Moderne Systeme basieren auf komplexeren Architekturen und können mit enormen Datenmengen umgehen. «Die Arbeit der Preisträger ist bereits von größtem Nutzen. In der Physik verwenden wir künstliche neuronale Netze in einer Vielzahl von Bereichen, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften», sagte Ellen Moons, Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik.

Basis für Chatbots

Die frühen Modelle von Hopfield und Hinton legten zudem wichtige Grundlagen für moderne KI-Chatbot-Systeme. «Hinton schuf auch die Grundlagen für ChatGPT: Seine Rechenvorschrift erlaubt es zu lernen, wie man aus einer Folge von Wörtern erkennt, was als Nächstes kommt», sagte Bernhard Schölkopf vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen.

Preisträger forschten in zahlreichen Gebieten

Hinton wurde in London geboren und studierte an der Universität Cambridge – zunächst unter anderem Philosophie und Physik, ehe er zu experimenteller Psychologie wechselte. Seine Doktorarbeit schrieb er im Jahr 1978 bereits über KI. Später zog er in die USA, wo er Grundlagen neuronaler Netzwerke erforschte. Weil ein Großteil der KI-Forschung in den USA damals vom Militär finanziert wurde und er den Einsatz der Technik im Kampf ablehnte, ging er 1987 nach Kanada.

Hopfield stammt aus Chicago. Er studierte Physik und arbeitete in Laboren, ehe er Anfang der 1960er Jahre zunächst an die University of California in Berkeley und dann an die Princeton University wechselte. Über zahlreiche Stationen, etwa bei der US-Weltraumbehörde Nasa und in einem wissenschaftlichen Beratungsgremium des US-Präsidenten, kehrte er 1997 nach Princeton zurück. Dort, wo er einst Professor für Physik war, ist er heute Professor für Molekularbiologie.

«Was mich immer noch am meisten fasziniert, ist die Frage, wie der Geist aus der Maschine kommt», erzählte Hopfield in einem Interview mit dem Wissenschaftsmuseum Franklin Institute. Deswegen beschäftige er sich in seiner Forschung mit dem Gedächtnis.

Hochdotierte Auszeichnung

Die bedeutendste Auszeichnung für Physiker ist in diesem Jahr mit insgesamt elf Millionen Kronen (knapp 970.000 Euro) dotiert. Am Montag waren die Nobelpreisträger für Medizin verkündet worden: Die US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun werden für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung geehrt. In dieser Woche folgen noch die Bekanntgaben für die Nobelpreise in Chemie, Literatur und Frieden und am kommenden Montag für den von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschafts-Nobelpreis. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. News4teachers / mit Material der dpa

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