Odenwaldschule: Mahnmal für Opfer vorgestellt (gestaltet von einem früheren Schüler)

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HEPPENHEIM. Jahrelang wurde Kindern an dem einst renommierten Internat sexuelle Gewalt angetan. Nun erinnert ein Mahnmal an sie.

Das Goethehaus der Odenwaldschule. Foto: shutterstock / JoachimDortmund
Düstere Vergangenheit: Das Goethehaus der Odenwaldschule. Foto: shutterstock / JoachimDortmund

Auf dem Gelände der früheren Odenwaldschule in Heppenheim ist ein Mahnmal für Opfer sexueller Gewalt offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt worden. «Wir können niemandem das Leid nehmen, das er oder sie hier hat erleben müssen. Umso wichtiger ist es, einen öffentlichen Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der Mahnung zu schaffen», sagte Sozialministerin Heike Hofmann (SPD). Knapp 15 Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchskandals an der Schule soll das Mahnmal an das Leid betroffener ehemaliger Schüler erinnern.

Initiative und Entwurf stammen von dem Kunstexperten Adrian Koerfer, selbst früher Schüler der Odenwaldschule. Das neue Denkmal besteht aus Stahlplatten und hoch angebrachten, unerreichbaren Türklinken – als Symbol für Gewalt und Ohnmacht.

Unterstützer sind unter anderem das Land, der Kreis Bergstraße und die Stadt Heppenheim. Allein das Land hat nach eigenen Angaben 40.000 Euro bereitgestellt. «Mit der Finanzierung des Mahnmals übernimmt die Politik Verantwortung für jahrelanges behördliches Versagen», teilte die Grünen-Fraktion im hessischen Landtag mit.

Sie hätten sich gewünscht, das Mahnmal wäre in Wiesbaden aufgestellt worden, hieß es von dem Verein «Glasbrechen» für Betroffene von sexueller Gewalt an der Odenwaldschule: «Das Mahnmal hätte Fragen aufgeworfen, Menschen miteinander ins Gespräch gebracht oder zum Nachdenken angeregt.»

Hunderte Verbrechen

Studien zufolge sollen mehr als zwei Dutzend Lehrkräfte und andere Mitarbeiter des einstigen Elite-Internats über Jahre an Hunderten Verbrechen an Schutzbefohlenen beteiligt gewesen sein. Die Opfer erlitten sexuelle Gewalt, emotionale Ausbeutung sowie Vertuschung und wurden traumatisiert. Neben dem früheren Schulleiter Gerold Becker soll es mindestens vier weitere Haupttäter gegeben haben.

Nach Bekanntwerden des Skandals musste das Internat schließlich Insolvenz anmelden, der Schulbetrieb wurde 2015 nach mehr als 100 Jahren eingestellt. Eine Unternehmerfamilie übernahm das Gelände und baute es um. An der Odenwaldschule hatten auch Prominente wie der Schriftsteller Klaus Mann und der Politiker Daniel Cohn-Bendit die Schulbank gedrückt. News4teachers / mit Material der dpa

Odenwaldschule Teil eines Netzwerks? Missbrauchsskandal erschüttert die Pädagogik

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4 Kommentare
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Dr. Specht
17 Tage zuvor

Meine allerhöchste Achtung vor der Ausdauer und der Kraft der Missbrauchopfer der Odenwaldschule. In meinem Studium gab es zahlreiche Publikationen, die das Leben und die Reformpädagogik dort gleichsam in den Himmel hoben, mit den salbungsvollsten Vokabeln.

Was bleibt ist neben Traurigkeit über das Geschehene die Verwunderung, dass die rhetorischen Blendkerzen dieser Szene über einen so langen Zeitraum ihren Zweck erfüllten. Die Süddeutsche brachte dies mit einer Überschrift eines Artikels über die Biografie des langjährigen Schulleiters zum Ausdruck: “Der Blender vom Zauberberg”.

https://www.sueddeutsche.de/bildung/missbrauchsskandal-der-blender-vom-zauberberg-1.2892452

Wäre die pädagogisch-interessierte Öffentlichkeit heute wachsamer gegenüber solchen (scheinbar) charismatischen Schulidolen?

Lisa
16 Tage zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Ich habe noch in den Achtzigern von gewissen Lehrenden vom “pädagogischen Eros” sprechen hören. Damals schon hat es einigen von uns Kommilitoninnen gegruselt. Wie schlimm es wirklich war, haben wir uns jedoch nicht vorstellen können, das gebe ich zu. Das Internet- Zeitalter hat außer vielen Nachteilen auch einen großen Vorteil: So vieles wird jetzt erst aufgedeckt.

Der Zauberlehrling
17 Tage zuvor
Carabas
16 Tage zuvor

Würde es dann nicht Sinn machen, Klassen von zwei Lehrkräften, idealerweise gegengeschlechtlich zu Unterrichten lassen? Das wünschen sich doch auch viele Lehrkräfte und hätte auf Inklusion, Integration und den Lernerfolg viele SuS doch erhebliche Vorteile.