BUCHHOLZ. Wenn zwei professionelle Gründungsberaterinnen beschließen, eine Schule zu eröffnen, kann man sich darauf verlassen, dass sie dies mit einem klugen Konzept umsetzen. Wir haben deshalb bei Anna Adam und Cindy Larsen nachgefragt, wie so ein ambitioniertes Projekt gelingen kann, und festgestellt: Die beiden packen ihre Vision, eine weiterführende Montessori-Schule in der Nordheide südlich von Hamburg zu gründen, nicht nur mit viel Sachverstand sondern auch mit echtem Herzblut an. Am Ziel sind sie aber noch nicht.
News4teachers: Andere haben den Traum, ein Café oder eine Bar zu eröffnen, Sie gründen jetzt eine Schule. Wie ist es dazu gekommen?
Anna Adam: Ich bin Mutter von zwei Jungs im Alter von zehn und sechs Jahren. Beruflich bin ich Wirtschaftspsychologin und arbeite selbstständig als Coach, Trainerin und Gründungsberaterin. Die Idee zur Schulgründung hatte ich schon länger, aber konkret wurde sie, als ich Cindy Larsen kennenlernte und wir uns beruflich austauschten.
Cindy Larsen: Und wie das so ist, wenn zwei Mütter zusammenkommen: Irgendwann redet man doch über Kinder und Schule. Und dabei fiel der Satz: “Man müsste eigentlich mal eine Schule gründen, die ein bisschen anders ist.” Nach intensiver Recherche und vielen Gesprächen zwischen Euphorie und Entmutigung haben wir uns entschieden, das Projekt ernsthaft anzugehen. Jetzt arbeiten wir seit 15 Monaten mit voller Energie daran, diese Vision umzusetzen.
News4teachers: Wieso haben Sie sich für eine Schule nach dem Montessori-Konzept entschieden?
Adam: Meine positiven Erfahrungen im Montessori-Kinderhaus, in dem meine Kinder waren, haben mich begeistert: Der respektvolle Umgang, dass die Erwachsenen sich zurückgenommen und den Kindern den Raum gegeben haben, sich im eigenen Tempo zu entwickeln. Diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Pädagog:innen war für mich besonders wertvoll. Bei unserem großen Sohn kam nach etwa einem Vierteljahr in der Schule starker Frust auf, verstärkt durch das Homeschooling im Jahr 2020. Er war beim Schuleintritt bereits weit; konnte flüssig lesen, schreiben und im 10.000er-Bereich addieren und subtrahieren. In der Schule wurde jedoch sehr klassisch unterrichtet. “Jetzt lernen alle das M”, hieß es dann zum Beispiel. Aber das konnte er ja schon. Statt Fortschritt erlebte er den Unterricht als Rückschritt im Vergleich zur Montessori-Kita, wo er sich freier entwickeln konnte. Das fiel ihm schwer. Die Strukturen mancher Schulen machen es schwer, flexibel auf Kinder einzugehen, was ich nachvollziehen kann – das ist eine große Herausforderung für die Lehrkräfte.
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Larsen: Ich bin ursprünglich Bankkauffrau und Buchhalterin, habe dann Wirtschaftsrecht studiert, schließlich mein eigenes Unternehmen gegründet, das sich auf Datenschutz spezialisiert, und arbeite als Gründungsberaterin. So habe ich Anna kennengelernt. Und durch die Kita in Hamburg, in der mein Sohn war, habe ich das Montessori-Konzept kennen- und schätzen gelernt. Als wir ihn dann nach unserem Umzug in eine Kita hier vor Ort schickten, fiel mir der Unterschied zur Montessori-Haltung deutlich auf. Auch die Schule bot später nicht das, was ich mir unter wertschätzender Pädagogik vorstellte, gerade im Hinblick auf einen respektvollen Umgang mit den Kindern. Das hat mich darin bestärkt, einen alternativen Bildungsweg für meine Kinder zu suchen. Heute sind meine beiden jüngeren Söhne im Montessori-Kinderhaus.
Adam: In Buchholz gibt es eine lange Montessori-Tradition und seit 2010 auch eine Montessori-Grundschule. Wir finden, es ist an der Zeit, das Konzept über die Grundschule hinauszuführen, um den Kindern eine fortlaufende Montessori-Bildung zu ermöglichen. Denn wenn wir schon sowas Verrücktes machen, wie eine Schule zu gründen, dann nur mit einer Pädagogik, hinter der wir auch zu einhundert Prozent stehen können.
“wenn wir schon sowas Verrücktes machen, wie eine Schule zu gründen, dann nur mit einer Pädagogik, hinter der wir auch zu einhundert Prozent stehen können.”
News4teachers: Als Sie dann beschlossen haben zu gründen, haben Sie sich zunächst auch andere Schulen angeschaut?
Larsen: Wir haben erst einmal über die Form der Trägerschaft nachgedacht und entschieden: Wir wollen agil bleiben und eine gUG, also eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft, gründen. Wir sind damit unser eigener Schulträger. Dann sind wir über den Montessori Bundesverband Deutschland in Kontakt mit Montessori-Schulen getreten und haben geschaut, was wir von anderen lernen können. Wir haben uns virtuell auch Schulen in anderen Bundesländern angesehen, sind ins Gespräch gekommen mit Schulleitungen und mit Gründungsinitiativen. Es gab viele spannende Beispiele, auch bei Schulgründungsinitiativen, die nichts mit Montessori-Pädagogik zu tun hatten. Als dann klarer war, dass wir unser Vorhaben wirklich durchziehen wollen und die Herausforderungen, die so eine Schulgründung mit sich bringt, irgendwie lösen werden, haben wir hier in Niedersachsen über den Montessori Landesverband eine Schule in Hildesheim kennengelernt. Dort sind wir dann zu Besuch gewesen und haben uns angeschaut, wie das Team dort gerade die Grundschule um eine weiterführende Schule erweitert. Wir sind jetzt in einem richtig inspirierenden Austausch.
News4teachers: An welche Schülerschaft wird sich Ihr Angebot richten?
Adam: Unsere Schule wird hauptsächlich von ehemaligen Montessori-Grundschülern besucht werden, da wir mit der fünften Klasse starten und damit Kontinuität ermöglichen. Diese Schülerinnen und Schüler sind mit Montessori-Materialien und -Methoden vertraut und können nahtlos weitermachen. Vor allem für Kinder aus der Buchholzer Montessori-Schule oder anderen Montessori-Grundschulen in der Umgebung wollen wir ein „Heimathafen“ sein. Quereinsteiger sind vereinzelt möglich, jedoch sollte die Familie die Montessori-Pädagogik gut verstehen, damit die Schule für alle passt.
News4teachers: Wie haben Sie denn Ihr Angebot beworben?
Larsen: Wir haben zunächst ein halbes Jahr im Verborgenen gearbeitet, alles recherchiert und vorbereitet, was wir für die Schulgründung brauchen – von Anforderungen der Landesschulbehörde über Bestimmungen für Schulgebäude bis hin zur Frage, wie ein pädagogisches Konzept erstellt wird. Als wir genügend Informationen gesammelt und einen Businessplan entworfen hatten, sind wir nach draußen gegangen. Wir haben eine Marktanalyse durchgeführt und das Gespräch gesucht mit wichtigen Akteuren: dem Kinderhaus, der Schulleitung der örtlichen Grundschule mit Montessori-Zug, dem Bürgermeister und der Landesschulbehörde. Danach sind wir mit Infoabenden und Öffentlichkeitsarbeit an die breite Öffentlichkeit gegangen, sind auf dem Stadtfest und bei Montessori-Veranstaltungen präsent und machen aktive Pressearbeit.
News4teachers: Wie war denn das erste Feedback aus der Politik?
Adam: Das war sehr positiv. Unser Bürgermeister gehört selbst zu der Elterninitiative, die vor 23 Jahren das Kinderhaus gegründet hat, und ist ein überzeugter Montessori-Befürworter, da seine Kinder dort betreut wurden. Die Stadt ist außerdem Träger der örtlichen Grundschule, in der der Montessori-Zweig untergebracht ist. Wir hatten das Gefühl, dass wir offene Türen einrennen – der Bürgermeister unterstützt die Idee und steht öffentlich dazu. Das ist natürlich wichtig, um für die ersten Jahrgänge Eltern zu gewinnen, die sich auf dieses spezielle Konzept einlassen.
News4teachers: Kommen wir noch einmal auf Ihre Schulträgerform zurück: Viele Schulgründungsinitiativen haben sich als Verein organisiert. Wieso haben Sie sich für eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft entschieden?
Larsen: Die gUG ist eigentlich die kleine Schwester der gGmbH. Der größte Vorteil daran ist: Wir sind gemeinnützig, aber wir sind kein Verein. Das heißt, wir haben die Entscheidungshoheit und können agil ohne weitere Teammitglieder agieren. Manchmal kommt eine so große Gruppe zusammen, dass ein Verein natürlich eine gute Lösung sein kann. Das Vereinsrecht in Deutschland kann allerdings dazu führen, dass einzelne Personen durch ihr Mitspracherecht das System lahmlegen können. Und das können wir uns bei einem Schulbetrieb nicht leisten. Hier müssen Kinder beschult werden, das muss funktionieren. Deshalb müssen wir der Schulleitung und den Lehrkräften die passende Struktur zur Verfügung stellen, damit sie einen richtig guten Job machen können. Wir sind eben beide aus der Wirtschaft und betrachten unser Projekt sehr praktisch –wie ein Business.
News4teachers: Was sind weitere besondere Herausforderungen bei einer Schulgründung?
Adam: Ein wichtiges Thema ist natürlich die Finanzierung. Das war ein großer Faktor, der bei mir anfangs viele Fragezeichen aufgeworfen hat. Man muss ja in Niedersachsen mindestens drei Jahre lang den Schulbetrieb gewährleisten, bevor man Zuschüsse erhalten kann für das Betreiben der Schule. Auch was die Bezahlung unserer Lernbegleiter angeht, gibt es klare rechtliche Regelungen, in denen wir uns bewegen dürfen. Wir dürfen andererseits nicht unendlich Schulgeld nehmen, sondern genau genommen nur ein recht geringes. Das ist so geregelt, damit jedes Kind unabhängig vom Elternhaus die Chance hat, diese Schule zu besuchen. Es gibt also ein wahnsinnig enges finanzielles Korsett, in dem man sich da bewegt. Wie kann sowas überhaupt funktionieren, wenn man nicht reich geboren ist und Geld übrig hat? Kann man das aus dem laufenden Betrieb heraus bezahlen? Zum Glück gibt es aber eine Sozialbank, die sich dem Thema verschrieben hat, Schulgründungen zu unterstützen. Denn ohne einen großen Kredit kommt man nicht so einfach durch die ersten Jahre.
“Wie kann sowas überhaupt funktionieren, wenn man nicht reich geboren ist und Geld übrig hat?”
Man kann also nicht einfach einen Elternabend machen und schauen, ob Interesse da ist, und los geht’s. Man muss erst einmal beweisen, dass man die Herausforderungen versteht und weiß, wie man sie bewältigen will. Wenn man nach der ersten Euphorie gemeinsam als Verein oder Gruppe mal in dieses schwarze Loch geschaut hat und wieder klar sieht, dann kann man starten (lacht).
Larsen: Genau an dem Punkt sind wir jetzt. Wir haben jetzt parallel zur Öffentlichkeitsarbeit mit der Personalsuche begonnen. Dafür haben wir Stellenanzeigen geschaltet und Netzwerke aktiviert, nutzen Mundpropaganda und suchen den Austausch mit der Montessori-Community. Außerdem haben wir jetzt eine Zusage für ein Gebäude und kümmern uns um Mietvertrag und baurechtliche Vorgaben. Unser pädagogisches Konzept entwickeln wir ebenfalls weiter: Wir haben es kürzlich der Landesschulbehörde vorgestellt und überarbeiten es nun, damit es genehmigungsfähig wird.
News4teachers: Haben Sie sich dabei von Pädagog:innen beraten lassen?
Larsen: Ja, das haben wir natürlich. Tatsächlich ist das auch eine der ersten Fragen von der Schulbehörde war. Wie können zwei, die nicht Pädagoginnen sind, eine Schule gründen wollen? Da gilt es dann das Vertrauen aufzubauen, dass wir das in einem ganz engen Austausch mit erfahrenen Pädagogen gut machen können. Wir haben zum Glück einige kompetente, hilfsbereite Menschen gefunden, die einfach schon da sind, wo wir hinwollen. Die uns immer wieder Feedback geben und über unser Konzept lesen. Wir hoffen natürlich auch auf eine baldige Einstellung einer Schulleitung, die dann ihre praktische Erfahrung in die Weiterentwicklung des Schulkonzepts einbringt. Hier sind wir in guten Gesprächen.
News4teachers: Im neuen Schuljahr 2025/2026 soll es dann erst einmal mit einer fünften Klasse losgehen?
Adam: Das würden wir uns wünschen. Über die Jahre soll die Schule dann bis zur zehnten Klasse wachsen. Wir sind gerade noch in der inneren Klärung, welche weiterführende Schulform für uns die sinnvollste ist. Nachdem wir Feedback von der Landesschulbehörde bekommen haben, werden wir da nochmal genauer hingucken. Da muss Frau Larsen nochmal Gesetzestexte wälzen (lacht).
Larsen: Aber die Landesschulbehörde hat ja auch eine beratende Funktion. An die kann man sich wenden, wenn man solche Gretchenfragen hat. Von der Schulform hängen schließlich viele wichtige Dinge ab. Beispielsweise, welche Lehrer wir einstellen dürfen oder welche Abschlüsse abgenommen werden dürfen. Man sollte sich allerdings auf die wirklich wichtigen Fragen beschränken und diese auch gut vorbereitet stellen.
News4teachers: Haben Sie schon erste Anmeldungen?
Adam: Ja, wir haben bereits eine lange Interessentenliste – teilweise mit Anfragen für Schuljahre weit in der Zukunft, wie zum Beispiel 2030 (lacht). Wir nehmen das humorvoll, aber freuen uns auch, wenn wir diese langfristigen Anfragen eines Tages konkretisieren können. Tatsächlich gibt es Eltern, die unsere Entwicklungsschritte genau verfolgen. Wir verschicken regelmäßig Newsletter, und unser Verteiler umfasst mittlerweile etwa 80 Personen. Darunter sind nicht nur Eltern, sondern auch Unterstützer, die das Konzept schätzen, obwohl sie selbst keine Kinder im passenden Alter haben. Es ist schön zu sehen, dass so viel Interesse besteht und es gut läuft.
News4teachers: Was würden Sie beide denn zum Abschluss unseres Gesprächs Gründungsinteressierten, die sich noch unsicher sind, mit auf den Weg geben?
“Man sollte so ein Projekt wirklich nicht aus einer spontanen Frustration heraus oder als eine romantische Revoluzzer-Idee starten.”
Adam: Man sollte so ein Projekt wirklich nicht aus einer spontanen Frustration heraus oder als eine romantische Revoluzzer-Idee starten. Stattdessen ist es wichtig, sich gründlich anzuschauen, was es wirklich bedeutet, weil es viel Kraft und Zeit kostet. Es ist wie ein „Marathon in Sprints“, in dem wir immer wieder über einen sehr langen Zeitraum schnell Ergebnisse produzieren müssen. Man braucht daher einen langen Atem und die Bereitschaft, sich mit sehr viel Herzblut viele Jahre lang dieser Aufgabe zu widmen.
Dabei ist es absolut notwendig, dass das Team funktioniert – und ein Team aus nur zwei Personen ist da schon sehr knapp bemessen. Für uns ist es gerade richtig, aber es bleibt viel Arbeit für wenige Hände. Jede von uns muss spüren, dass ihr Beitrag wertgeschätzt wird und dass die Rollen klar verteilt sind. Wenn Frau Larsen zum Beispiel sagt, dass aus rechtlicher Sicht etwas so oder so sein muss, dann hinterfrage ich das nicht. Ebenso verlässt sie sich auf meine Einschätzungen, wenn es beispielsweise um Personalthemen geht. Diese gegenseitige Wertschätzung und das Vertrauen sind unerlässlich, um diesen langen Weg gemeinsam zu gehen.
Was uns in schwierigen Momenten stützt, ist, dass wir uns gegenseitig motivieren und daran erinnern, warum wir das tun. Nach einem Rückschlag sagen wir uns oft: „Ja, wir wollen das wirklich.“ Und dann geht es wieder weiter.
Larsen: Ich kann dem nur zustimmen. Es ist wirklich wie ein echtes Unternehmen – nur ohne Verdienst. Man arbeitet fast in Vollzeit, allerdings ohne Bezahlung und auch ohne die Aussicht darauf. Normalerweise hat ein Start-up zumindest das Ziel, irgendwann einen großen Exit hinzulegen und damit finanziell abgesichert zu sein. Das werden wir nicht machen. Irgendwann endet unser ehrenamtliches Projekt, und dann steht hoffentlich die Schule, die wir aufgebaut haben. Wie ein Biotop, das wir erschaffen haben und dann an die Schulleitung übergeben.
Und ein wichtiger Punkt: Man sollte eine Schule nicht ausschließlich für die eigenen Kinder gründen. Wenn diese Motivation im Vordergrund steht, dann würden wir das nicht empfehlen. Mein jüngster Sohn ist jetzt gerade ein Jahr alt. Ob er später einmal auf eine weiterführende Montessori-Schule gehen möchte, steht ja noch in den Sternen. Wir würden uns natürlich freuen, wenn unsere jüngeren Kinder sich eines Tages für diese Schule entscheiden und sich dort wohlfühlen. Mehr nicht. Das Interview führte Sonja Mankowsky, Agentur für Bildungsjournalismus.
Schule gründen: Auf diese Schritte kommt es an (bevor die eigentliche Arbeit beginnt)
Unabhängig davon, ob die 15 Schüler*innen pro Klassenstufe an der Montessori-Schule in Nordheide eine schöne Schulzeit erleben oder nicht:
Wo sind hier die zahlreichen Leser*innen von n4t, die sich in vielen Foren für “Eine Schule für alle”, für Chancengleichheit und für Bildungsgerechtigkeit einsetzen? Was ist mit jenen, die sich für eine umfassende Inklusion an Schulen, für Menschen mit unterschiedlichen Vorausetzungen (persönlich wie sozial) einsetzen? Wieso bleiben sie an dieser Stelle still?
Diese Schule mag viel sein, eines ist sie nicht, inklusiv:
“Unsere Schule richtet sich an Kinder, die bereits mit der Montessori-Pädagogik vertraut sind und im Idealfall schon in einer Montessori-Einrichtung betreut oder unterrichtet wurden. Wir glauben, dass Kinder, die mit diesem Lernkonzept gut vertraut sind, bei uns am besten gefördert werden können, da sie bereits mit den Prinzipien der Selbstständigkeit, der Eigenverantwortung und des individuellen Lerntempos vertraut sind.”
https://montessori-nordheide.de/die-schule/
Das ist nichts anderes als eine verbindliche und sortierende Grundschulempfehlung.
Eine leistungsunabhängige sortierende Grundschulempfehlung zudem: Kinder qualifizieren sich hier nicht durch gute Noten für eine weiterführende Schule, sondern durch den Geldbeutel und die Ambitionen ihrer Eltern.
In der Tat seltsam, dass es in diesem Forum so ruhig bleibt, wo doch sonst so häufig an dieser Stelle für eine durchgehende inklusive Gemeinschafts- bzw. Gesamtschule geworben wird
“Kinder qualifizieren sich hier nicht durch gute Noten für eine weiterführende Schule, sondern durch den Geldbeutel und die Ambitionen ihrer Eltern.”
Wohingegen sie sich sonst durch den Wohnort der Eltern qualifizieren, den man sich gerade leisten kann. Ist natürlich wesentlich inklusiver und sozialromantischer.
Sehr geehrte*r GBS-Mensch,
das bekomme ich jetzt nicht zusammen:
Sie als meinungsstarke Lehrkraft, die sich für Bildungsgerechtigkeit und Inklusion einsetzt, machen sich zum Anwalt für ein neoliberales Privatprojekt?
Reiche Eltern zu haben und in einem Villenviertel zu wohnen und Zugang zu einer besseren, mindestens unbelasteteren staatlichen (!) schulischen Einrichtung zu haben, ist natürlich nicht “neoliberal”.
Ach so, ja dann ist es ja in Ordnung.
Wie oft setzen Sie sich denn für einen sozial egalitären Neuzuschnitt von Einzugsgebieten ein?
Diese Form von “Whataboutism” klärt die Ausgangsfrage aber nunmal so gar nicht.
Wie sieht es bei solch frei gegründeten Schulen mit Integration und Inklusion aus? Muss jeder Schüler aufgenommen werden? Kann ein Schüler auch wieder entlassen werden, falls er sich nicht einfügt?
Wie bringen die beiden eine Schule an den Start?
– ehrenamtlich
– mit Kredit
– mit Unterstützern aus dem Dunstkreis der bestehenden Montessori-Grundschule inklusive Bürgermeister
Klingt nach einem Beispiel, von dem viele Lernen können.
Was kann aus diesem Beispiel gelernt werden?
“Die Montessori Pädagogik bietet vielfältige Chancen und Vorteile. Sie hat aber auch Besonderheiten, die nicht für jede Familie passend sind. Deshalb ist uns ein mehrstufiges Kennenlern- und Auswahlverfahren sehr wichtig (…).” (https://montessori-nordheide.de/faqs/#qb)
“Denn wenn wir schon sowas Verrücktes machen, wie eine Schule zu gründen, dann nur mit einer Pädagogik, hinter der wir auch zu einhundert Prozent stehen können.” (siehe oben)
“Man muss ja in Niedersachsen mindestens drei Jahre lang den Schulbetrieb gewährleisten, bevor man Zuschüsse erhalten kann für das Betreiben der Schule.” (siehe oben)
War Ironie 🙂
Respekt, der naiv-unpolitische Ton, in den viele aus dem Bildungsumfeld verfallen, wenn sie Marketing-Versprechen für gelebte Realität im Schulalltag halten, wurde täuschend echt getroffen.
Da bin ich darauf reingefallen!
Man kann das Konzept und die Auflagen finden wie man möchte. Das Engagement der Beiden ist auf jeden Fall zu loben. Mehr davon.
Und zum Konzept: ich finde es, auch wenn es schon alt ist, sehr gut für die heutige Zeit und wünschte, dass mehr Kinder in staatl. Schulen in den Genuss kommen könnten.