HAMBURG. Die Hamburger Schulbehörde hat eine aktuelle Auswertung der bundesweit einmaligen kostenlosen schulischen Lernförderung vorgelegt. Danach haben im letzten Schuljahr 2023/24 alle Schulen der Hansestadt die Maßnahme angeboten – zustande kamen insgesamt rund 12.000 Kurse, an denen rund 74.000 Kinder und Jugendliche teilnahmen. Erfolgreich, wie die Bildungssenatorin betont.

Mit der kostenlosen individuellen Lernförderung bietet Hamburg seit dem Schuljahr 2011/12 ein laut Bildungsbehörde bundesweit einmaliges Angebot (ursprünglich „Fördern statt Wiederholen“ genannt): Schülerinnen und Schüler, die die festgelegten Mindestanforderungen in einem oder mehreren Fächern oder Lernbereichen nicht erfüllen, erhalten zusätzliche Förderung neben dem regulären Unterricht. Der Förderunterricht („Nachhilfe“) erfolgt in kleinen Gruppen zusätzlich zum regulären Unterricht und wird durch Lehr- oder Honorarkräfte durchgeführt. Leistungsrückstände können damit gezielt aufgeholt werden.
Diese Ansprüche auf Lernförderung bestehen, wenn die Notenschwelle ausreichenden Leistungen unterschritten ist. Auch Schülerinnen und Schüler mit schwach ausreichenden Leistungen sind förderberechtigt, wenn eine Verschlechterung des Leistungsbildes zu befürchten oder der Schulabschluss gefährdet ist. Darüber hinaus können auf Antrag der Schule auch andere Schülerinnen und Schüler besondere Förderung erhalten. Über die Aufnahme der Lernförderung beschließt die Zeugniskonferenz. Im Anschluss schließt die Schule mit der Schülerin oder dem Schüler und den Sorgeberechtigten eine Lern- und Fördervereinbarung ab, in der die notwendigen Fördermaßnahmen und die wechselseitigen Pflichten verbindlich festgelegt werden.
Die Förderung betraf vor allem die Kernfächer Mathematik, Deutsch und Englisch. Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) betont: „Hamburg bietet als einziges Bundesland eine kostenlose schulische Lernförderung an allen Schulen an und ist damit erfolgreich: Der Anteil der Klassenwiederholungen konnte deutlich gesenkt werden, die meisten geförderten Schülerinnen und Schüler können die Lernförderung nach spätestens einem Jahr wieder verlassen und zudem können viele Abschulungen von 6.-Klässler:innen am Gymnasium verhindert werden. Besonders freut mich, dass je nach Schulform bis zu 28 Prozent der Schüler:innen sogar freiwillig teilnehmen.“
Ergebnisse im Detail:
- Teilnahmen: Im 1. Halbjahr 2023/24 gab es insgesamt 33.520, im 2. Halbjahr 40.441 Teilnahmen, also 73.961 Teilnahmen insgesamt über das ganze Schuljahr. Das entspricht erfahrungsgemäß rund 30.000 Schülerinnen und Schülern (16 Prozent der Gesamtschüler:innenschaft), da diese an mehr als einem Lernförderkurs teilnehmen können. Die Anzahl der Teilnahmen nicht identisch mit der Anzahl geförderter Schülerinnen und Schüler.
- Mehr Förderung im 2. Halbjahr: Im 2. Halbjahr erhöhten sich die Teilnahmen um rund 20 Prozent, da erfahrungsgemäß Lernrückstände dann festgestellt sind und es darum geht die Leistungsanforderungen bis zum Ende des Schuljahres zu erreichen. Das gilt insbesondere für die Jahrgangsstufen 5 und 6 sowie 11 und 12 der Stadtteilschule sowie die Klassenstufen 5 bis 9 des Gymnasiums. Auch steht das erfolgreiche Bestehen von Schulabschlüssen oder Übergängen in die Mittel- oder Oberstufe im Fokus.
- Fächer: Die meisten Lernförderkurse wurden auch im Schuljahr 2023/24 in Mathematik (39 Prozent) und Deutsch (28 Prozent) durchgeführt. Danach folgen Englisch mit 11 Prozent und zu einem deutlich geringeren Anteil die übrigen erfassten Fachbereiche. An den Grundschulen ist Deutsch nach wie vor anteilig das Fach mit den meisten Förderungen, dicht gefolgt von Mathematik. An den Stadtteilschulen und Gymnasien finden die meisten Förderungen im Fach Mathematik statt.
- Abschulung vermieden: Weiterhin konnten durch die Teilnahme an Lernfördermaßnahmen im Schuljahr 2023/24 306 Schülerinnen und Schüler nach Abschluss der Klassenstufe 6 am Gymnasium verbleiben. Das entspricht 28 Prozent der insgesamt 1.087 Schülerinnen und Schüler, die im ersten Halbjahr der Jahrgangsstufe 6 eine Mitteilung erhalten hatten, dass sie bei gleichbleibender Leistungsentwicklung nicht in die Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums übergehen können. Der Blick auf die einzelnen Fachbereiche zeigt, dass die Förderung in Englisch am erfolgreichsten ist.
- Wenig „Rückfälle“ in die Nachhilfe: Eine Beobachtung über drei aufeinanderfolgende Jahre hat ergeben, dass in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch nur zwischen 10 und 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler nach Verlassen der Lernförderung nach einem Jahr erneut die Förderung in Anspruch genommen haben, nach zwei Jahren nur zwischen 6 und 10 Prozent.
- Freiwillige Teilnahme: An den Grundschulen nehmen rund 92 Prozent der geförderten Kinder verpflichtend an den Lernförderkursen teil, 8 Prozent freiwillig. An den Stadtteilschulen nehmen rund 87 Prozent der geförderten Kinder und Jugendlichen verpflichtend an den Lernförderkursen teil, 13 Prozent freiwillig. An den Gymnasien nehmen rund 72 Prozent der geförderten Kinder und Jugendlichen verpflichtend an den Lernförderkursen teil, sogar 28 Prozent freiwillig.
- Nur noch 1,2 Prozent Klassenwiederholungen: Der Anteil an Klassenwiederholungen in allen Schulformen ist deutlich gesunken: Im Schuljahr 2021/22 lag er bei 1,7 Prozent, im Schuljahr 2022/23 nur noch bei 1,2 Prozent. An Stadtteilschulen wiederholen im Schuljahr 2022/23 1,7 Prozent aller Schülerinnen und Schüler; im Vorjahr waren es noch 2,0 Prozent. An Gymnasien ist der Anteil an Klassenwiederholungen von 1,6 Prozent auf 1,4 Prozent gesunken. Viele Klassenwiederholungen schließen sich im Gymnasium an einen Auslandsaufenthalt an. An Grundschulen ist der Anteil an Klassenwiederholungen im Schuljahr 2022/23 erneut deutlich zurückgegangen; er liegt auf demselben Niveau wie vor Beginn der Corona-Pandemie (0,8 Prozent). (Die entsprechenden Daten des Schuljahres 2023/24 werden erst im Frühjahr 2025 zur Verfügung stehen.)
- Erfolgreiche Teilnahme: Im Schuljahr 2022/23 konnten rund 56 Prozent der geförderten Schülerinnen und Schüler in allen geförderten Fächern die Leistungsanforderungen erreichen und die Förderung erfolgreich abschließen. Von den Schülerinnen und Schülern mit Lernförderbedarf in mehreren Fächern konnten 65 Prozent die Lernförderung in mindestens einem Fach zum Ende des Schuljahres beenden. (Die entsprechenden Daten des Schuljahres 2023/24 werden erst im Frühjahr 2025 zur Verfügung stehen)
Die Wiederholung einer Jahrgangsstufe ist seit Einführung der verpflichtenden Lernförderung in Hamburg nur noch im Ausnahmefall möglich. Wegen der Schulschließungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erleichterte die Schulbehörde im Sommer 2021 die freiwillige Wiederholung einer Jahrgangsstufe. Infolgedessen wurden viel mehr Anträge auf Wiederholung einer Jahrgangsstufe bewilligt als in den Jahren zuvor. Seit dem Schuljahr 2023/24 wieder gelten die alten Regelungen. News4teachers
“Besonders freut mich, dass je nach Schulform bis zu 28 Prozent der Schüler:innen sogar freiwillig teilnehmen.“
Klingt fast so, als hätten wir nen Lehrkräftemangel…
Äh, nur weil die Steuerzahler etwas bezahlen müssen, also andere bezahlen, heißt das nicht, dass etwas kostenlos ist.
Ich wüsste schon gerne, wie viel Geld das die Hansestadt gekostet hat, denn dann wüsste ich auch, wie hoch die Überlebenschancen über die Leuchtturmprojektphase hinaus ist.
15 Millionen Euro. Herzliche Grüße Die Redaktion
Eine absolut lohnenswerte Investition in mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Schlussendlich helfen solche Ausgaben die Anzahl der SuS, die ohne Abschluss fie Schule verlassen, zu reduzieren. Und so die erhöhen sich die Chancen, dass wir unsere Probleme mit Blick auf den Fachkräftemangel zu reduzieren und die Höhe der sozialen Transfers zu senken. Diese Investitionen werden sichmit Sicherheit amortisieren. Und Menschen mit weniger Bildungsmängeln sind schlussendlich weniger gefährdet extremistische Einstellungen zu entwickeln.
Man muss die Kosten für eine Ganzwiederholung oder den Schulplatz für die Anschulung gegenrechnen. Auch das ist ja nicht gratis!
Abschulung.
Stimmt. Danke. Da denkt man meistens nicht dran. Es zahlt nicht der Einzelne, es zahlen alle. Und irgendwo muss das Geld ja herkommen, fehlt dann woanders, weil Schulen nicht mehr leisten, was ihre Aufgabe ist.
Heute vermeldet N4T, dass das Bundesland S-H an Lehrern sparen will, weil kein Geld mehr da ist. Glaubt jemand wirklich, dass es zukünftig in HH anders aussehen wird? Ich sehe hier langfristig keine Überlebenschancen für das Projekt bzw. es dürfte der Bevölkerung schwer zu erklären sein, dass keine Lehrer eingestellt werden, aber dafür Millionen für Nachhilfe ausgegeben wird.
Hatte das jetzt nicht herausgelesen, aber gilt das Nachhilfeangebot für alle oder wieder nur für Benachteiligte?
“(…)wieder nur für Benachteiligte?”
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich entschieden, Mittel aus dem BuT-Paket so zu verwenden. In anderen Bundesländern fließt das Geld in Nachhilfeinstitute.
Für nicht so Benachteiligte kommt das Geld aus einem anderen Topf.
Da das Geld aus anderen Töpfen kommt, hat es mit Lehrerstellen auch so absolut gar nichts zu tun.
Und ab Mittelschicht aufwärts dürfen sich Eltern auch gerne selbst monetär beteiligen, wenn sie Ihre Kinder auf Schulen, Schulformen schicken, in denen sie nicht reüssieren oder Schwierigkeiten dabei haben..
Nachtrag:
Da ich an einer Schule in der Freien und Hansestadt Hamburg tätig bin, kann ich Ihnen geradezu an Eides statt versichern, dass höchstselbstverständlich genauestens auseinandergezuselt wird, auf welcher der verschiedenen Rechtsgrundlagen, die Teilnahme am Förderunterricht begründet und gewährt wird.
Weil Schule unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr leisten können, wohl eher. Das Geld ist in unserem Land ohne Rohstoffe am allerbesten in Bildung angelegt! Also bitte mehr davon!
Toll! Sollte flächendeckend eingerichtet werden. Viele Kinder, wie mein jüngerer Sohn, haben immer noch mit Lernrückständen aus der Coronazeit zu kämpfen. Für das Aufholen der in der Coronazeit entstandenen Lernrückstände habe ich kein Konzept wahrgenommen. Während der Coronazeit hat man die Prüfungsvorgaben für Abschlussschüler abgespeckt – wie die Kinder mit ihren bestehenden Lernlücken ihre Abschlüsse unter normalen Voraussetzungen schaffen sollen ist mir schleierhaft. Wir haben für unseren Sohn einen Nachhilfelehrer engagiert (den wir nach langem Suchen gefunden hatten), der ihn dabei unterstützt. Aber das können sich nicht alle Familien finanziell leisten.
Ich finde gezieltes Wiederholen gut, wobei das nur funktioniert, wenn ein Schüler in ein bis zwei Fächern den Anschluss verloren hat.Wenn er generell schlecht ist, ist alles zu wiederholen eventuell sinnvoller.
Aber so: Bravo Hamburg!
Wiederholen bringt praktisch nie etwas, außer ein Schüler war länger nicht anwesend. Ansonsten wird man damit die zugrundeliegenden Probleme nicht beseitigen.
Es ist gut, dass es das gibt. Aber warum ist es nötig? Wie können jetzt schlecht bezahlte und meist nicht als Lehrer ausgebildete Nachhilfebeschäftigte schaffen, was hochqualifizierte Lehrer nicht schafften?
Sind oft Lehrkräfte oder Lehramtsstudis, die das machen. Die Gruppen sind nicht größer als 10. Insofern absolut sinnvoll, ob das der Weisheit letzter Schluss ist – andere Sache. Die Kinder werden im G8-System auch totgefördert.
Es sind kaum ausgebildete Lehrer, die das machen (das haben die gar nicht nötig), vielleicht noch der eine oder andere Pensionär. Sehr oft sind es eher Studenten (aller Art) oder volljährige Schüler, die sich damit etwas dazuverdienen.
Warum ist Nachhilfe mit Kleinstgruppen oder Einzelunterricht zumindest teilweise effektiver als Unterricht mit 30 SuS gleichzeitig. Ein Mysterium.
Zudem Nachhilfe oft nur Hausaufgabenbetreuung ist, die nicht beim Schließen von Lücken hilft.
Manch Schüler ist wie eine Kuh. Den Stoff einmal wiederkäuen hilft, ihn zu verdauen.
Ganz einfach: Einzel- oder Kleingruppenförderung mit entsprechend regelmäßigem Feedback, das von einer Lehrkraft bei 30 Schüler*innen nicht zu leisten ist. Auch wenn immer wieder mit verfälschtem Bezug auf Hattie behauptet wird, dass die Gruppengröße keine Rolle spielen würde.
Kleinere Gruppen und Freiwilligkeit. Wer nicht will, muss ja nicht und darf nach Hause gehen. Auf diese Weise lässt sich vermutlich alles lehren .
Ein Coaching wäre sinnvoll, also mal genau hingucken, woran es eigentlich hapert.
Nur Nachhilfe führt meiner Erfahrung leider häufig dazu, dass im Unterricht noch weniger aufgepasst wird.