Internationales Flair, flache Hierarchie: Als deutscher Lehrer in Kopenhagen

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KOPENHAGEN. Benjamin Bajramovic entschied sich nach dem Lehramtstudium, als Lehrer (zunächst) nicht in Deutschland zu arbeiten – sondern an die Europäische Schule in Kopenhagen zu gehen. Heute unterrichtet er dort Deutsch, Geografie und Geschichte. Die Entscheidung ins Ausland zu gehen, hat er nicht bereut und sieht das Bilinguale Unterrichten als Chance für Schüler*innen und Lehrkräfte. Im folgenden Gastbeitrag schildert er seine Erfahrungen aus dem ersten Jahr.

Kopenhagen ist ein attraktiver Ort zum Leben und Lehren. Foto: Shutterstock

Ein Plädoyer für den bilingualen Fachunterricht: Meine Erfahrungen an der Europäischen Schule Kopenhagen

Statt den Lehrerberuf auf dem klassischen Weg in Deutschland zu beginnen, entschied ich mich nach dem Studium ins Ausland zu gehen – genauer gesagt nach Kopenhagen. Eine Stellenausschreibung an der Europäischen Schule Kopenhagen weckte sofort mein Interesse. Die Aussicht, als Lehrkraft im Ausland zu arbeiten, war eine seltene Chance, die ich nicht verpassen wollte. Schließlich bietet sich solch eine Gelegenheit nur wenigen, und das oft nicht einmal über die Grenzen des eigenen Bundeslandes hinaus. Vor allem aber die Aussicht, bilingualen Fachunterricht für Deutschlernende zu erteilen, versprach eine spannende Herausforderung, die mich sowohl beruflich als auch persönlich bereichern würde. Nun, nach einem erfolgreichen Jahr an dieser Schule, möchte ich meine Erlebnisse und Erkenntnisse reflektieren.

Bilingualer Fachunterricht in der Praxis

Der Unterricht an der Europäischen Schule Kopenhagen findet in vergleichsweise kleinen Klassen statt, was ein intensives und direktes Arbeiten ermöglicht. Während Englisch, Französisch und Dänisch die Hauptkommunikationssprachen an der Schule darstellen, können die Schülerinnen und Schüler weitere Fremdsprachen, wie etwa Deutsch, dazu wählen. Ihre Zweitsprache prägt dann ab der 8. Klasse den Fachunterricht und wird so etwa in den Fächern Geschichte und Geographie bis zum Abitur als Unterrichtssprache verwendet.

Besonders herausfordernd ist es, Fachunterricht in einer Fremdsprache wie Deutsch zu gestalten, da die sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen variieren. Der Geschichts- und Geographieunterricht erfordert daher eine ungewohnt hohe Sensibilität im Umgang mit der Sprache. Geeignete Texte zu finden oder eigene Materialien zu erstellen, die den unterschiedlichen Sprachniveaus gerecht werden, ist eine Kernaufgabe. Ein wesentlicher Bestandteil meines Unterrichts ist das produktive Unterrichtsgespräch, das durch die kleine Gruppengröße besonders effektiv ist. Zudem legen wir großen Wert auf das gemeinsame Lesen und die regelmäßige Erstellung von Vokabellisten, um sicherzustellen, dass alle Schülerinnen und Schüler den Inhalten folgen können. Diese Anwendung der Fremdsprache erfordert viel Geduld, aber die Mühe lohnt sich. Besonders gewinnbringend ist dann der Moment, in dem man erkennt, dass die Schüler*innen die notwendige Tiefe der Inhalte erfasst haben – trotz oder gerade wegen der sprachlichen Hürden.

Dabei gilt es zu betonen, dass der Unterricht trotz der sprachlichen Herausforderungen weiterhin auf einem hohen Niveau erfolgt. Besonders förderlich ist dabei, dass fachspezifische Begriffe oft auch auf Englisch im Unterrichtsgespräch besprochen werden. So entsteht ein umfassendes Verständnis, da die Schüler*innen durch den bilingualen Austausch nicht nur die deutschen Fachtermini erlernen, sondern gleichzeitig ihre Kenntnisse in beiden Sprachen vertiefen. Diese Herangehensweise unterstützt die multilingualen Schüler*innen dabei, ein vollständiges Konzept der Inhalte zu entwickeln und fördert ihr allgemeines Verständnis enorm.

Interkulturelle Kommunikation und Verständnis

Die Europäische Schule Kopenhagen ist eine sehr internationale Schule mit einem dänischen Flair. Als akkreditierte Europäische Schule übernimmt sie das Konzept der Europäischen Schulen und integriert es in das dänische Schulsystem. Diese einzigartige Verbindung schafft ein Arbeitsumfeld, in dem kulturelle Sensibilität und der Austausch über Grenzen hinweg gefördert werden.

Ein besonderes Merkmal der Schule ist somit etwa die flache Hierarchie. Alle Lehrkräfte, unabhängig von ihrer Position, werden mit dem Vornamen angesprochen. Dies gilt auch für den Umgang unter den Kolleg*innen, was eine Atmosphäre der Zusammenarbeit auf Augenhöhe schafft. Die internationale Schülerschaft, die mehr als 40 Nationalitäten umfasst, bietet die wertvolle Gelegenheit, kontinuierlich Neues über andere Kulturen und Sprachen zu lernen. Diese Vielfalt bereichert nicht nur den Unterricht, sondern auch das Kollegium.

Persönliche Erfahrungen und Reflexionen

Mein erstes Jahr an der Europäischen Schule Kopenhagen war ein Sprung ins kalte Wasser, der sich als äußerst gewinnbringend herausgestellt hat. Die Arbeit in einem so internationalen Umfeld hat meine Sensibilität gegenüber kulturellen Unterschieden geschärft und mir neue Fähigkeiten im Umgang mit meinen Fächern vermittelt, insbesondere wenn es darum geht, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären.

Der Schritt ins Ausland hat mir gezeigt, wie bereichernd es sein kann, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und neue berufliche Wege zu beschreiten. Ich habe nicht nur als Lehrer, sondern auch als Mensch viel gelernt und bin gespannt, welche Herausforderungen und Chancen das nächste Jahr bereithält.

Ausblick: Chancen des bilingualen Fachunterrichts für die Zukunft

Die Erfahrungen, die ich im ersten Jahr an der Europäischen Schule Kopenhagen gesammelt habe, zeigen darüber hinaus auch deutlich das Potenzial des bilingualen Fachunterrichts. Diese Unterrichtsform bietet nicht nur eine intensive und sinnstiftende Auseinandersetzung mit Fachinhalten, sondern integriert auch den Fremdsprachenunterricht auf eine Weise, die sowohl sprachliche als auch fachliche Kompetenzen stärkt.

Für Deutschland eröffnet der bilinguale Fachunterricht eine vielversprechende Perspektive. Durch die Verknüpfung von Fremdsprachenunterricht mit relevanten Inhalten aus den verschiedenen Fachbereichen können Schülerinnen und Schüler besser auf die zunehmend multilinguale Welt von morgen vorbereitet werden. Anstatt Sprachen isoliert und losgelöst von ihrem Anwendungsbezug zu lernen, erleben die Lernenden eine unmittelbare Verknüpfung von Sprache und Inhalt. Dies fördert nicht nur ihre Sprachkompetenz, sondern vermittelt auch ein tiefes Verständnis für die behandelten Themen.

Die Einführung und Verstärkung des bilingualen Fachunterrichts könnte eine wertvolle Chance sein, den Fremdsprachenunterricht in Deutschland neu zu denken. Lehrkräfte könnten ihre Fähigkeiten im Umgang mit Sprache und Sachverhalten weiterentwickeln und so auch ihre Methodenkompetenz erweitern. Für die Schülerinnen und Schüler würde dies bedeuten, dass sie nicht nur eine Fremdsprache erlernen, sondern diese direkt auf sinnvolle und praxisnahe Inhalte anwenden. Dies schafft Lernangebote, die für die Welt von morgen essenziell sind, in der Mehrsprachigkeit zunehmend zur Norm wird. News4teachers

Link zur Europäischen Schule Kopenhagen: Home – European School Copenhagen

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1 Kommentar
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Lisa
16 Tage zuvor

Kann ihn verstehen. Die Schulen dieser Art sind aber auch meist ansprechend und gut ausgestattet. Der Unterricht läuft auf hohem Niveau. Und man bekommt ohne Probleme Gelder für alles Mögliche, wenn man es beantragt. Ob die kulturelle Kompetenz, die man an solcher Schule lernt, auch hier weiter hilft, bezweifle ich ein wenig.