„Unterstütze das komplett“: Bildungssenatorin stößt Debatte um allgemeine Kita-Pflicht in Deutschland an – drei Jahre lang

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BERLIN. Über Sinn und Unsinn der Vorschule wird oft gestritten. Berlins Bildungssenatorin hat eine klare Position: Sie ist dafür – und am besten gleich drei Jahre lang.

“Sofort”: Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Foto: SenBJF/Koroll

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch hält eine dreijährige Vorschule für eine gute Sache. «Sofort. Ich unterschreibe das wirklich», sagte die CDU-Politikerin auf eine entsprechende Frage bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Berlin.

In anderen Ländern wie Neuseeland oder England gebe es solche Angebote im Vorschulbereich längst. «Das fängt im dritten Lebensjahr an», sagte Günther-Wünsch, die selbst lange als Lehrerin gearbeitet hat. «Wenn nach meiner persönlichen Meinung gefragt wird: sofort! Ich unterstütze das komplett.» Argumente dafür gebe es auch aus der Wissenschaft.

«Wir können das gerne gemeinsam auf die Bundesebene hochheben»

Günther-Wünsch wies allerdings auf gesetzliche Hürden hin und darauf, dass darüber nicht auf Länderebene entschieden werden könne. Die Debatte über den Vorschulbereich werde aber auch immer intensiver auf Bundesebene geführt. «Ich halte das nicht für ausgeschlossen, dass es eine Mehrheit dafür gibt», sagte Günther-Wunsch. «Wir können das gerne gemeinsam auf die Bundesebene hochheben.»

Berlin hat die Vorschule 2005 abgeschafft. Die CDU hat lange gefordert, sie wieder einzuführen. Die schwarz-rote Regierungskoalition hat sich stattdessen auf ein sogenanntes verpflichtendes «Kita-Chancenjahr» verständigt. Berliner Kinder, die nicht richtig Deutsch sprechen, müssen danach künftig mindestens ein Jahr vor der Schule eine Kita oder Sprachförderangebote freier Anbieter besuchen.

Die Debatte ist nicht neu. Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) stieß mit seiner damaligen Forderung nach einer Kita-Pflicht für alle Kinder bereits 2018 auf eine breite Ablehnung im Abgeordnetenhaus (News4teachers berichtete). Damals erteilte die oppositionelle CDU dem Vorstoß eine Absage, ebenso wie die damals mit der SPD regierenden Grünen und Linken. Immerhin: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh sprang seinem Parteifreund bei.

Hikel sah in einer Kita-Pflicht die große Chance, allen Kindern gleiche Startchancen zu geben. Er verwies auf Kinder in seinem Bezirk, die sich nicht altersgerecht auf Deutsch verständigen könnten. Solche Kinder aus Elternhäusern mit anderer Muttersprache müssten möglichst früh mit Kindern deutscher Muttersprache in Berührung kommen. «Und dies sollte gezielt in unseren Bildungseinrichtungen erfolgen, denn auf der Straße funktioniert es nicht.» Ab wann die Kita-Pflicht greifen soll, müsse gesellschaftlich ausgehandelt werden, so Hikel.

«Eltern müssen frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder in eine Kita schicken»

SPD-Fraktionschef Saleh hatte sich bereits zuvor für eine allgemeine Kita-Pflicht für Kinder ab drei Jahren ausgesprochen. Er stieß damit allerdings auch innerhalb seiner Partei auf Skepsis. «Den verbindlichen Besuch einer Kita halte ich nach wie vor für sehr vernünftig», sagte er zum Hikel-Vorstoß. «Hier werden Kinder gebildet und Vorurteile abgebaut. Kinder gehören in die Kita und nicht vor dem Fernseher geparkt.» Bildungsferne mache die Demokratie kaputt.

Die CDU-Politikerin Hildegard Bentele betonte allerdings damals: «Eltern müssen frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder in eine Kita schicken.» Sie erinnerte daran, dass Kinder mit Sprachdefiziten bereits heute 18 Monate vor Einschulung in den Kitas gefördert werden müssen. «Wenn die Senatsbildungsverwaltung ihren Job richtig machen und dies umsetzen würde, dann hätten wir damit heute schon annähernd 100 Prozent der Kinder in einer Kita.» News4teachers / mit Material der dpa

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18 Kommentare
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Philine
22 Tage zuvor

Unabhängig davon, ob man die Idee der Senatorin nun für vernünftig oder unsinnig hält: Es wird sich nicht genügend qualifiziertes Personal finden.

Unfassbar
22 Tage zuvor

Ich hätte nichts gegen eine KiTa-Pflicht, zumindest vormittags und zumindest die zwei Jahre vor der Einschulung. Natürlich beinhaltet die Einführung auch eine Platzgarantie für die Kinder, die auf Wunsch der Eltern auch nur die zwei Jahre in die KiTa gehen sollen.

Harald
22 Tage zuvor
Antwortet  Unfassbar

In meinem Bekanntenkreis mussten alle um einen Kitaplatz kämpfen und nur die wenigsten bekamen einen an der Wunsch-Kita. Zur Zeit entfallen auch ganze Tage kurzfristig wegen Krankheit von Erziehern. Wie will man da noch mehr Plätze anbieten?
Klar, man kann Gesetze erlassen, die einen Platz garantieren oder den Kita-Besuch erzwingen. Genauso gut könnte man ein Gesetz erlassen, das jedem einen Porsche garantiert oder Armut einfach per Gesetz verbieten oder Pi auf den Wert 3 setzen.

Unfassbar
22 Tage zuvor
Antwortet  Harald

Bevor die Pflicht kommt, muss darüber nachgedacht werden (ja, man kann träumen). Ich halte es für schlimm, dass Eltern gezwungen sind, ihr Kind auch gegen den Willen mit unter 3 Jahren schon in die KiTa zu geben, weil andernfalls kein Platz mehr sicher ist.

JoS
22 Tage zuvor
Antwortet  Unfassbar

Und ausbaden darf es dann das Personal mit gelockertem Betreuungs- bzw. eigentlich eher nur noch Verwahrungsschlüssel und Mehrarbeit, wodurch wieder mehr Leute aus dem Beruf ausscheiden …
Ständig propagiert man neue Ideen, ohne auch nur ansatzweise einen Plan zu haben, woher das Personal eigentlich kommen soll. Wie wäre es damit, dass man “die Wirtschaft” wieder mehr in die Pflicht nimmt? Schließlich geht es ja in erster Linie darum, mehr Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben. Sollen sich die Unternehmen halt gemeinsam oder einzeln engagieren und Betriebskitas gründen.

Realist
22 Tage zuvor
Antwortet  Harald

Also, Porsche würde es aktuell freuen, Pi per Gesetz auf 3 setzen hat ein amerikanischer Bundesstaat schon einmal versucht und “Armut verbieten”, da sind unsere Umverteilungspolitiker bereits dran.

Was spricht also gegen so ein Kita-Gesetz?

Lisa
22 Tage zuvor
Antwortet  Realist

” Sichere- Super- DreijahresKita- Gesetz “

Gelbe Tulpe
22 Tage zuvor

Schlechte Idee. Dann verbilden die Erzieher die Bürgerkinder.

AlterHase
22 Tage zuvor

Um Kapazitätsprobleme zu vermeiden, könnte man festlegen, dass auf Antrag die Kita-Pflicht erlassen werden kann, wenn die Kinder in einem Sprachtest gut genug sind. Das würde Entlastung schaffen ohne Einbußen.

Fräulein Rottenmeier
22 Tage zuvor
Antwortet  AlterHase

Ja, da würde ich mitgehen….ich würde auch mitgehen, wenn es ein verpflichtendes Jahr gäbe (immer vorausgesetzt es gibt auch genug Erzieherinnen), damit wäre schon viel getan….Sprachtest nicht bestanden und dann ein verpflichtendes Jahr….Kinder lernen sehr schnell…..

JoS
22 Tage zuvor
Antwortet  AlterHase

Ich bezweifle, dass das ein relevanter Punkt ist. Schon ohne Pflicht reichen die Kapazitäten nicht ansatzweise aus, um die Nachfrage zu befriedigen.

Lisa
22 Tage zuvor
Antwortet  AlterHase

Ich fände eine Kita-Pflicht auch nicht gut. Man kennt sein eigenes Kind. Nicht jedes ist ein Kollektivmensch, manches braucht eher eine ruhige Umgebung mit wenigen Bezugspersonen ,und es reicht dem Dreijährigen als Kontakt ein Spielplatzbesuch für zwei Stunden.

Adele Horn
18 Tage zuvor
Antwortet  AlterHase

Gerade die mit den guten Sprachkenntnissen sollen ja anscheinend mal wieder als Erfüllungsgehilfen herhalten, um die anderen Kinder auf Zack zu bringen. Die würde man also erst recht nicht aus der Pflicht nehmen. Evtl. mit dem Resultat, dass sie in privat organisierte KiTas flüchten.

Spirale
22 Tage zuvor

“Bildungsferne mache die Demokratie kaputt.”

Ein kluger Satz aus dem Munde eines Berliner SPD-Politikers. Selten wie eine totale Sonnenfinsternis in Deutschland, aber nicht ausgeschlossen.

Wie dem auch sei, die Politiker müssen hier mal klare Kanze beweisen: Wenn ein Kind nicht zum verbindlichen Sprachtest erscheint, zu schlecht ist oder sonstige Defizite hat: Kitapflicht.

Eine allgemeine Kitapflicht wird sich, so sinnvoll sie auch ist, nicht durchsetzen lassen. Aber man muss ja immer 200% fordern um wenigstens 50% oder so zu bekommen.

Lisa
22 Tage zuvor

Erst wenn die letzte Vorschule abgeschafft ist, werdet ihr feststellen, dass bloßes Geldeinsparen eure Zukunft nicht garantiert…..oder so ähnlich….
Führt sie doch wieder ein, wenn es ein Fehler war, sie abzuschaffen!

Einer
21 Tage zuvor

Ist doch völlig ohne Belang was sie unterstützt oder sogar fordert. Es gibt kein wirkliches Personal. Und selbst wenn Personal da wäre, dann wäre kein Geld da um ordentliches Personal ordentlich zu bezahlen. Es geht ja nicht um Verwahrung sondern um wirkliche Förderung. Fördern geht aber nur mit Fachwissen und entsprechender Ausbildung. Auch der Betreuungsschlüssel muss dann eine Förderung gewährleisten. Zwei Erzieher mit 20 Kinder geht nicht!! Kein Erzieher kann mehr als fünf Kinder unter 6 Jahren fördern. Kein Erzieher kann mehr als zwei Kinder unter drei Jahren fördern/betreuen.

Wandervogel
21 Tage zuvor

Frau Günther-Wünsch von der CDU Berlin glaube ich gar nichts mehr. Sie hat die nicht-verbeamteten Kollegen im Regen stehen lassen, aber große Töne gespuckt, als sie noch Opposition war. Seit sie regiert, ist sie ganz still diesbezüglich und was sie unternimmt, trägt alles nicht zum besseren Lernen bei, sondern ist pure Symbolpolitik: mehr Klassenarbeiten, als ob dadurch das Lernen besser würde, weiterhin die unsäglichen 5 Teilbereiche in Deutsch, die es in keinem anderen Fach gibt, als ob dadurch das Lernen besser würde und nun dass nur noch Deutsch, Mathe und Englisch für den Übertritt ans Gymnasium zählen, wodurch alle anderen Fächer abgewertet werden. Die CDU Berlin richtet im Bildungsbereich nur lauter Unsinn an!!!!!!!!!!! Hoffentlich endet das sehr bald wieder!

Mutti
20 Tage zuvor

Wir haben einen Mangel an Kita-Plätzen. Wer bekommt nun einen?
a) das Kinder der Doppelverdiener, die viele Steuern abwerfen, das aber tadellos spricht
b) das Kind der Alleinerziehenden, die sonst nicht arbeiten kann oder sonst aufstocken muss, wenn sie nicht genug Stunden machen kann und die laut aktuellem Scheidungsrecht dazu verpflichtet ist, voll arbeiten zu gehen
c) das Kind mit Sprachproblemen, dessen Eltern noch nie ins deutsche Sozialsystem eingezahlt haben und aktuell nicht tun, was in 20 Jahren ohne diese Förderung schlechte Prognosen hat, selbst (guter) Steuerzahler zu werden, aber um so eher von Transferleistungen abhängig zu sein

Spannende gesellschaftliche Debatte