Abitur wertvoller als die meisten Berufsabschlüsse?

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BERLIN. Das Handwerk ist empört: Die Kultusministerkonferenz stuft das Abitur offenbar höher ein als die meisten Berufsabschlüsse. 

Die Pressemitteilung der Kultusministerkonferenz (KMK) lässt den Konflikt nicht erahnen: Die KMK spreche sich „einstimmig dafür aus, die Zuordnung der Allgemeinen Hochschulreife, der Fachgebundenen Hochschulreife, der Fachhochschulreife und der Abschlüsse der gesamten beruflichen Erstausbildung unter der Maßgabe der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung vorzunehmen“, heißt es darin. Die Krux liegt aber offenbar im Kleingedruckten. Tatsächlich, so berichtet die Deutsche Presse Agentur, soll das deutsche Abitur höher bewertet werden als die meisten Berufsabschlüsse. In einer achtstufigen Abschlussskala sollten die Allgemeine wie die Fachgebundene Hochschulreife künftig auf Stufe fünf rangieren, dreijährige Lehrabschlüsse dagegen nur auf Stufe vier, zweijährige Ausbildungen (zum Beispiel Verkäufer) auf Stufe drei. Nur „anspruchsvolle“ Berufsabschlüsse – gedacht ist dabei unter anderem an Gesundheitsberufe – sollten auf Stufe fünf dem Abitur gleichgestellt werden.

Hintergrund der Entscheidung ist die Entwicklung eines „Deutschen Qualifikationsrahmens“, der künftig in europaweit einheitliche Bildungspässe für junge Leute eingehen soll. Bernd Althusmann (CDU), niedersächsischer Kultusminister und amtierender Präsident der KMK, erklärte: „Uns geht es um angemessene Zuordnungen im Qualifikationsrahmen, die die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung umsetzen, die aber zugleich die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems berücksichtigen. Dazu gehören selbstverständlich die beruflichen Bildungsabschlüsse, die wir ebenso angemessen bewertet sehen wollen.“

Das deutsche Handwerk zeigt sich nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ entsetzt. Das sei ein „Generalangriff auf die duale Berufsausbildung“, kritisierte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Damit habe sich die KMK zugleich „bildungspolitisch isoliert“, sagte Schwannecke gegenüber der Zeitung. Sämtliche andere Akteure, die an der Erarbeitung eines „Deutschen Qualifikationsrahmens“ beteiligt seien, hätten für eine gleichwertige Einstufung der dualen Berufsausbildung mit dem Abitur plädiert. Das Handwerk sieht in der Entscheidung eine Untergrabung der dualen Ausbildung. Wenn der Großteil der Ausbildungsberufe unterhalb der allgemeinen Hochschulreife eingeordnet werde, drohe der dualen Berufsausbildung ein „massiver Attraktivitätsverlust“, sagte Schwannecke voraus.

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, verteidigte hingegen den Beschluss der KMK. Er begrüße, „dass Kultusministerkonferenz eine sehr differenzierte Zuordnung der beruflichen Abschlüsse und Ausbildungen vorgenommen und diese von Stufe 3 bis 5 eingeordnet hat.“ Es gebe berufliche Ausbildungen, etwa in den Gesundheitsberufen, die dem Abitur gleichwertig seien, aber auch viele, die diese Anforderungen nicht erfüllten.

 

(red)

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