Junge Muslime: Schulen sind bei der Integration gefordert

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BERLIN. Die von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vorgestellte Integrationsstudie hat eine heftige Diskussion ausgelöst. Dabei rücken jetzt die Schulen in den Blickpunkt.

"Es gibt eine Parallelgesellschaft": Türkische Fußballfans in Kiel. Foto: Arne List / Flickr (CC BY-SA 2.0)
"Es gibt eine Parallelgesellschaft": Türkische Fußballfans in Kiel. Foto: Arne List / Flickr (CC BY-SA 2.0)

„Jeder fünfte Muslim in Deutschland will sich nicht integrieren“, hat die „Bild“-Zeitung in diesen Tagen getitelt und sich dabei auf eine „Schock-Studie“ des Bundesinnenministeriums berufen. Laut „Zeit“ ist die Zahl schlicht falsch. Aus der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ der Universität Jena, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellt und nun veröffentlicht wurde, gehe tatsächlich hervor, dass ein Viertel der Muslime zwischen 14 und 32 Jahren, die keinen deutschen Pass haben, nicht bereit ist, sich zu integrieren. Sie könnten als streng religiös bezeichnet werden, „mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenzen“, heißt es in der Untersuchung. Dabei handele es sich aber um eine Subgruppe – und eben nicht um jeden fünften aller in Deutschland lebenden Muslime.

Der Jenaer Psychologe Wolfgang Frindte, der maßgeblich an der Untersuchung beteiligt war, bezeichnete dem Bericht zufolge die Zahlen als nicht überraschend. Würden auch die Eltern- und Großelterngenerationen einbezogen, zeige sich, dass der Anteil radikaler Einstellungen sinke und sich die Muslime deutlich vom islamistischen Terrorismus distanzierten.

Trotzdem kocht die Debatte seit Veröffentlichung der Studie hoch – insbesondere bei der Frage nach Perspektiven rücken die Schulen in den Fokus.

„In der Ecke der Frustierten“

„Wenn wir den Muslimen bereits als Grundschüler die Hand reichen, landen sie auch nicht in der Ecke der Frustrierten, wo sie sich hinter der Religion verschanzen“, sagte etwa der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Prof. Christian Pfeiffer, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Pfeiffer forderte eine „Mut machende Nachhilfe“ für die Sechs- bis Zwölfjährigen. „Wir können dieses Problem lösen, wenn wir den Jüngeren mehr Chancen bieten“, betonte er. Die Studie vernachlässige regionale Aspekte. „Gelungene Beispiele der Integration und die Bedeutung integrierender Bildungsangebote werden dadurch nicht erkannt.“ Es bleibe ausgeblendet, wie ausgezeichnet die Integration gelingen könne. Pfeiffer: „Dass religiöse Muslime null Bock auf Deutschland haben, kommt natürlich vor, ist aber das Resultat versäumter Integrationschancen.“

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) stellt laut „Deutscher Handwerkszeitung“ die Chancen gelingender Integration heraus. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müsse nun noch gezielter darauf geachtet werden, dass Kinder aus Migrantenfamilien frühzeitig Deutsch lernen, damit sie die Chance haben, erfolgreich die Schule zu durchlaufen, betonte ein Sprecher gegenüber dem Blatt. Schon jetzt leisteten viele Schulen Beachtliches, und an der Motivation der jungen Menschen fehle es in der Regel nicht. „Junge Zuwanderer gehören in Handwerksbetrieben oft zu den besten Mitarbeitern“, befand ZDH-Präsident Otto Kentzler.

Lehrer „funken“ die Probleme seit langem

Berlin-Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) erklärte im „Deutschlandfunk“ hingegen, die Studie gebe in ihrer Fokussierung auf die Probleme mit integrationsunwilligen jungen Muslimen durchaus das wieder, was „bei uns vor Ort Lehrer und Erzieher und Sozialarbeiter seit langem funken“. Ein junger Mensch, der heute die Schule ohne Abschluss verlasse, habe „sehr, sehr wenig Chancen in einer Leistungsgesellschaft. Und wenn ich dann keine Ausbildung habe, wenn ich keinen Beruf habe, dann kann ich auch kein Geld verdienen, dann kann ich mir nicht die Dinge kaufen, die ich haben möchte, die aber andere haben. Dass Schuld immer die anderen sind, ist natürlich klar, dass die Gesellschaft Schuld ist, dass sie sie ausgrenzt. Dass vorher ein gewisses Verhalten war, nicht zuzuhören, nach dem Motto, hey, tu was für dich, du bereitest dein Leben vor, du schmeißt dein Leben weg, das ist dann natürlich vergessen. Aber sehen Sie mal, selbst in Neukölln gibt es freie Ausbildungsplätze. Es ist nicht so, dass diesen jungen Leuten nichts geboten wird. Aber wo das kleine Einmaleins und wo die Umgangssprache nicht beherrscht wird, wird es schwierig.“ Buschkowsky forderte, Eltern stärker in die Pflicht zu nehmen. Im Zweifelsfall sollten ihnen etwa finanzielle Strafen drohen, wenn sie nicht darauf achteten, dass ihre Kinder zur Schule gingen, sagte der SPD-Politiker. „Wir haben im letzten Jahr 37 Prozent der Einwandererkinder eingeschult mit katastrophalen Deutschkenntnissen oder gar keinen, und das waren fast alles Kinder von Eltern, die im Land geboren und aufgewachsen sind. Daran können Sie erkennen, dass diese Familien in einer anderen Welt leben und dass wir schon eine Parallelgesellschaft haben, mehrere Parallelgesellschaften haben“, sagte er.

Bundesinnenminister Friedrich, der bei der Veröffentlichung der Studie ebenfalls vor allem die negativen Aspekte hervorgehoben hatte („Wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten“) und dafür scharf kritisiert worden war, bemühte sich jetzt darum, Perspektiven aufzuzeigen – und dafür die Schulen in den Blick zu nehmen, konkret: den islamischen Religionsunterricht, wie er in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen flächendeckend eingeführt wird. „Religion spielt für viele Zuwanderer eine wichtige Rolle. Da ist es natürlich sehr hilfreich, wenn man Imame hat, die hier im Land ausgebildet und gut integriert sind. Sie können junge Menschen positiv an unsere Gesellschaft heranführen“, sagte Friedrich der „Bild“-Zeitung. „Auch die Pilotprojekte zum islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen sind vielversprechend. Sie zeigen, dass es gut ist, wenn der Religionsunterricht in deutscher Sprache an deutschen Schulen stattfindet.“ NINA BRAUN

Hier – auf 4teachers – gibt es Unterrichtsmaterial zum Thema Islam

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