Spitzentreffen bei Seehofer: G8 bleibt – wird aber reformiert

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MÜNCHEN. Knapp vier Stunden saßen sich die Kontrahenten in der bayerischen Staatskanzlei gegenüber, dann herrschte Einigkeit zwischen Politik, Lehrern, Eltern und Schülern: Das G8 bleibt im Freistaat bestehen – es gibt aber einige Korrekturen.

"Das bayerische Gymnasium in seiner achtjährigen Form hat sich bewährt": Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Paukner / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
"Das bayerische Gymnasium in seiner achtjährigen Form hat sich bewährt": Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Paukner / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Das umstrittene achtjährige Gymnasium (G8) soll mit umfassenden Korrekturen aus der Kritik kommen – ein komplettes Zurück zum alten G9 wird es aber definitiv nicht geben. Darauf verständigten sich Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und die schwarz-gelbe Koalition bei einem Spitzentreffen mit Lehrern, Eltern und Schülern in der Staatskanzlei. Gymnasiasten sollen aber in der Mittelstufe bei Bedarf ein Jahr zusätzlich einlegen können – ohne dass dies dann als Wiederholen zählt. Das berichtete Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) nach dem Treffen.

Zudem sollen – so die Einigung – der Stoff «maßvoll» reduziert und der Unterrichtsausfall effektiver bekämpft werden. In 11 von 25 Fächern sollen die Lerninhalte eingedampft werden. Zur Reduzierung der Stofffülle sind in der Oberstufe unter anderem Kürzungen in Biologie und Geografie geplant. Im Fach Geschichte soll das Mittelalter zugunsten von Zeitgeschichte reduziert werden. Außerdem solle bei den Fremdsprachen der Literaturkanon reduziert und mehr mit Textauszügen gearbeitet werden, bestätigte Kultusstaatssekretär Bernd Sibler (CSU) einen Bericht der Tageszeitung «Münchner Merkur».

Zudem sollen Blockseminare zur Förderung der Schüler angeboten werden können. Die Maßnahmen werden aber noch nicht zum kommenden Schuljahr greifen.

«Das bayerische Gymnasium in seiner achtjährigen Form hat sich bewährt. Es steht für Qualität. Es wird beibehalten», sagte Spaenle bei einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei.

Die Frage, wie die «zusätzliche Lernzeit» von einem Jahr in der Mittelstufe ausgestaltet wird, soll im weiteren Gespräch zwischen Staatsregierung, Koalition, Eltern, Lehrern und Schülern geklärt werden. Auch eine weitere Spitzenrunde mit Seehofer ist geplant. Bereits am 31. Juli will das Kabinett über die Details beraten.

Um den Unterrichtsausfall effektiver zu bekämpfen, sollen sofort 250 Lehrerstellen zusätzlich für die «Mobile Reserve» bereitgestellt werden. Zudem gibt es einen Einstieg in die sogenannte integrierte Lehrerreserve an Schulen – also eine Art Personalpuffer.

Für Mathematik und Deutsch kann es in der Mittelstufe – je nach Entscheidung der einzelnen Schulen – mehr Zeit geben: eine Stunde mehr für Mathe in Jahrgangsstufe 8 und eine Stunde mehr für Deutsch in Jahrgangsstufe 10. Dazu heißt es in dem Beschluss der Runde: «Über Auswahl und Einsatz der Förderinstrumente entscheidet jede Schule vor Ort.» Die FDP-Bildungsexpertin Renate Will begrüßte dies als weiteren Schritt hin zu einer eigenverantwortlichen Schule.

Das G8 stand seit seiner Einführung zum Schuljahr 2004/2005 in der Kritik. Lehrer, Eltern und Schüler klagten immer wieder über eine viel zu große Stofffülle. Befeuert wurde die Kritik zudem dadurch, dass die Durchfallquoten in den Abiturprüfungen im G8 merklich über denen im alten G9 liegen – zuletzt bei 3,7 Prozent.

„Man kriegt nie alles, was man will“

Sowohl Lehrer- als auch Elternvertreter zeigten sich nach der Einigung am Freitag aber grundsätzlich zufrieden. Der Chef des Bayerischen Philologenverbandes, Max Schmidt, sagte: «Man kriegt nie alles, was man will.» Man werde nun aber sehen, ob die Probleme mit der zusätzlichen «individuellen Lernzeit» von einem Jahr gelöst werden könnten. Die Vorsitzende der Landes-Eltern-Vereinigung, Susanne Arndt, zeigte sich zuversichtlich, dass man die Schüler, die man bisher «verloren» habe, damit nun bei der Stange halten könne.

Der SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold kritisierte die Ergebnisse des Krisengesprächs. «Wie immer hat die Staatsregierung einen schlechten Kompromiss gemacht», sagte Pronold. Er fühle sich an des Kaisers neue Kleider erinnert, die die bekannten Defizite kaschieren sollten. «Das Intensivierungsjahr als andere Umschreibung für Sitzenbleiben ist keine Konzeption.»Eine moderne Schule müsse die Schüler in die Lage versetzen, sich das Wissen, das sie brauchen, anzueignen. «Und das geht mit starren Regelungen und Vorgaben nicht», sagte Pronold. Die Schüler müssten je nach individuellen Interessen Schwerpunkte setzen können. «Ich bin entsetzt, wie eng das Konzept beim heutigen Abi ist.»

Die Landtags-SPD hatte zuletzt auch für ein «Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten» plädiert. Demnach sollten angehende Abiturienten künftig die Wahl haben, ob sie die Oberstufe in zwei oder drei Jahren absolvieren wollen. Das lehnte Spaenle aber ab, weil dies nicht mit den Regeln der Kultusministerkonferenz vereinbar sei.

Die Grünen nannten den Runden Tisch eine reine Showveranstaltung. Die Unzufriedenheit vieler Eltern, Schüler und Lehrer über das G8 lasse sich nicht «mit einem Gipfeltreffen bei Ministerpräsident Seehofer wegwischen», erklärte der Schulexperte Thomas Gehring. Die Freien Wähler warben für eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9. dpa
(14.7.2012)

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