Schavan lehnt Rücktritt ab – wie lange noch steht Merkel zu ihr?

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BERLIN (Mit Kommentar). Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will vor Gericht um ihren Doktortitel kämpfen und tritt vorerst nicht zurück. «Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen», sagte die 57-jährige Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel vor Journalisten in Johannesburg. Sie ergänzte: «Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich heute keine weitere Stellungnahme abgeben werde.» Aus der Opposition wurden die Rufe nach einem Rücktritt der Ministerin lauter.

Da war alles noch im Lot: Kanzlerin Merkel mit ihrer Wissenschaftsministerin Schavan auf der Computermesse CEBIT. (Foto: Andreas Schepers/Flickr CC BY-NC-SA 2.0)
Da war alles noch im Lot: Kanzlerin Merkel mit ihrer Wissenschaftsministerin Schavan auf der Computermesse CEBIT. (Foto: Andreas Schepers/Flickr CC BY-NC-SA 2.0)

Schavan ist derzeit auf einer bis Freitag geplanten fünftägigen Südafrikareise. Nach dpa-Informationen will sie nicht zurücktreten und um ihren Titel kämpfen. Allerdings wurde in Parteikreisen offengelassen, ob die Ministerin den politischen Druck auf Dauer aushält. Schavan gilt als enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die entscheidende Frage dürfte sein, wie lange Merkel noch zu ihr steht. Im heraufziehenden Bundestagswahlkampf wird sich der Druck auf die Bundesbildungsministerin enorm verschärfen.

Merkel habe «volles Vertrauen» in Schavan, versicherte Regierungssprecher Steffen Seibert. Zugleich vermied er ein ausdrückliches Bekenntnis zum Verbleib Schavans im Amt. Seibert sagte, nach der für Freitagabend erwarteten Rückkehr der Ministerin von ihrer Reise werde «Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden». Die genaue Zeit ließ er offen. «Ein solcher Termin wird sich immer finden, wenn es nötig ist.» Merkel stehe «in gutem Kontakt» mit Schavan. «Sie schätzt ihre Leistung als Ministerin außerordentlich.» Merkel ist bis Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Seibert sagte, Schavan werde in Deutschland sicher «auch erneut und ausführlicher Stellung nehmen, als das aus dem Ausland möglich und angebracht ist».

Die Universität Düsseldorf hatte Schavan nach neun Monaten Prüfung wegen «vorsätzlicher Täuschung» in ihrer Promotionsarbeit den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel entzogen. Im Fakultätsrat hatten 12 von 15 stimmberechtigten Mitgliedern für die Aberkennung votiert. Es gab zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Erste Plagiatsvorwürfe gegen die Ministerin waren Ende April 2012 anonym im Internet aufgetaucht.

Schavan hatte schon am Vorabend über ihre Anwälte erklären lassen, sie werde gegen die Entscheidung klagen. Sie hat für ihre Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Monat Zeit. Der Prozess könnte sich über Monate hinziehen und durch die Instanzen gehen. Die Uni-Entscheidung ist somit noch nicht rechtskräftig.

Schavan ist nach dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das zweite Regierungsmitglied im Kabinett Merkel, dem wegen Plagiatsvorwürfen der Doktorgrad entzogen wird. Die Ministerin hatte Plagiate und eine Täuschungsabsicht in ihrer 1980 verfassten Doktorarbeit stets bestritten und die Prüfung durch die Uni selbst mitangeregt.

SPD: „Geschummelt ist geschummelt“

Die SPD pocht auf einen raschen Rücktritt Schavans. «Frau Schavan hat nicht so dreist getäuscht wie zu Guttenberg. Aber geschummelt ist geschummelt», sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Als Vorbild für junge Doktoranden, die die wissenschaftlichen Regeln unbedingt einhalten wollen und müssen, sei Schavan nun denkbar ungeeignet. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält Schavan als Bildungsministerin nicht mehr für glaubwürdig. Zwar sei der Titelentzug nach mehr als 30 Jahren «menschlich und persönlich tragisch», sagte sie im ZDF. Trotzdem könne man Schavan als Wissenschaftsministerin nicht mehr ernst nehmen. Dem «Tagesspiegel» sagte Künast: «Ich gehe davon aus, dass Frau Schavan sich und der Wissenschaft die Verlängerung dieser Affäre erspart und ihren Rücktritt erklärt.»

Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) wies die Rücktrittsforderungen zurück. In Deutschland sei für den Job des Bildungsministers ein Doktortitel keine Voraussetzung. Vielmehr sei Schavans fachliche Eignung ausschlaggebend. Kretschmer sagte im ZDF: «Wir brauchen jetzt einheitliche Standards, mit denen nicht nur Doktorarbeiten, sondern auch die Prüfungen von Dissertationen bewertet werden.» Es gehe nicht «um eine einzelne Frau und Wissenschaftsministerin», sondern um viele Zehntausende Dissertationen, die von «so einem fragwürdigen» und «mehr als kritikfähigem Verfahren» geprüft werden.

Die forschungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Petra Sitte, erklärte zu Schavan: «Ihre Handlungsfähigkeit in ihrem Amt wäre nach der Aberkennung des Doktorgrades und damit auch ihres ersten Studienabschlusses kaum noch gegeben. Ein Rücktritt ist aus meiner Sicht wohl nicht vermeidbar.» Der politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponader, nannte einen Rücktritt überfällig. dpa

(6.2.2013)

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