„Oft nur Leute, denen nichts anderes einfällt“: Precht provoziert Lehrer

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DÜSSELDORF. Der Philosoph und Bestseller-Autor Richard David Precht („Anna, die Schule und der liebe Gott“) hat massive Kritik an der Lehrerschaft in Deutschland geübt. „Der Beruf ist mittlerweile so dröge und formalisiert, dass oft nur die Leute davon angezogen werden, denen sonst nichts anderes einfällt“, sagte er in einem Interview der „Rheinischen Post“.

Mischt derzeit die Bildungsdiskussion auf: Philosoph Precht. Foto. Raimond Spekking / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Mischt derzeit die Bildungsdiskussion auf: Philosoph Precht. Foto. Raimond Spekking / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Der Philosophieprofessor, der in seinem jüngsten Buch eine Revolution in den Schulen fordert, sieht auch in der Lehrerausbildung eine Ursache für die seiner Ansicht nach unzureichende Bildung in den Schulen. „Die Lehrerausbildung ist hierzulande schlecht. Sie müssen als guter Lehrer gut unterrichten können, aber Sie müssen über Unterricht relativ wenig wissen. Wir produzieren viel zu viel Wissen, wie es geht, statt reines Können, wie man es macht“, sagte er.

Ein Großteil der Lehrerschaft kann laut Precht ersetzt werden – durch Praktiker aus anderen Berufen.  „Und darum könnte man (..) bis zur Hälfte für die Arbeit an Projekten Menschen aus dem Leben anstellen – den pensionierten Physiker, der aus der Welt seines Berufslebens erzählt. Das heißt: Wir müssen die Trennung von Leben und Schule aufheben. Die Schulen müssen sich verändern, weil sich die Welt um sie herum radikal gewandelt hat. Schulen spielen mit Blick auf den Wissenserwerb eine viel geringere Rolle, weil die Möglichkeit der Wissensaneignung mit dem Internet um ein Vielfaches gestiegen ist. Wenn ich will, kann ich mich heute in jedes Fachgebiet einarbeiten. Dazu brauchen wir die Schulen zunehmend nicht mehr“, sagte der 48-Jährige gegenüber der „Rheinischen Post“.

Lehrpläne? „Langweiliger geht’s nicht“

Precht, dessen aktuelles Buch seit Monaten in den Bestsellerlisten geführt wird, übt darin eine radikale Kritik am deutschen Schulsystem. Er lehnt zum Beispiel Lehrpläne ab, „weil ich glaube, dass man zu planmäßig nicht lernen kann. Und ich glaube auch nicht, dass es die Aufgabe von Kultusministern ist, so minutiös vorzugeben, was Schüler zu lernen haben. Außerdem sind Lehrpläne so ambitioniert, dass sie ohnehin nie erfüllt werden können. Sie führen aber dazu, dass jedes Jahr die gleichen Bücher aus dem Regal gezogen werden – also immer die ,Judenbuche‘. Langweiliger geht’s nicht.“

Der Professor kritisiert auch das bestehende Prüfungssystem. „In der Schule müssen Sie das Wissen erwerben, weil es in Tests und in Arbeiten abgefragt wird. Und sie müssen die Festplatte wieder freiräumen für das nächste, was dann kommt. Das Problem ist also nicht die Wissensfülle als Wissensfülle, sondern die fast schon militärische Vorgabe der Aneignung. Stöbern ist immer etwas Lustvolles; und genau das findet in den Schulen nicht statt. Beim Stöbern behält man vielleicht zehn Prozent, von dem, was an Wissen angeboten wurde; und nicht ein oder zwei Prozent, wie es heute leider der Fall ist“, sagte er gegenüber dem Blatt.

Sein Rezept? „Wenn man sich auf eine Schulform einigen würde und die Kultusminister ihre Kompetenz an die Schulen abtreten würden, dann gäbe es eine echte Chance. Plötzlich könnten Schulen das für sie Richtige entwickeln und werden sich zu Höchstleistungen aufschwingen“, sagte er in dem Interview. News4teachers

Zum Kommentar: „In aller Offenheit“

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5 Kommentare
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Grias Di
10 Jahre zuvor

Komischerweise kommt eine Studie zu dem Ergebnis, dass deutsche Mathematiklehrer (Sekundarstufe 2) weltweit zu den Besten gehören. Wie schlecht muss es in den anderen Ländern sein.

Rob
10 Jahre zuvor

Hallo.
man(n) kann Precht nur Recht geben! Weg mit dem Alten und was Neues hingebaut!!

g. h.
10 Jahre zuvor
Antwortet  Rob

Ihr Kommentar ist ein treffendes Beispiel für das, was Josef Kraus „eine Politik mit der Abrissbirne nennt“.
Zitat: „Die größte Bedrohung unseres Bildungswesens ist eine Politik mit der Abrissbirne. Was gestern noch Gebot der Stunde war, wird morgen munter umstrukturiert, umbenannt und umgestoßen.“
Aus solch aktivistischem Zertrümmerungseifer, der seit Jahrzehnten fiebrig am Werk ist, entstehen Bildungswüsten, aber keine blühenden Landschaften.
Grund: In der Praxis erweist sich das Neue immer wieder als Fata Morgana.
Und Precht scheint ein besonderer Meister im Malen trügerischer Bilder.

Katha
10 Jahre zuvor

Merkwürdig – man hat den Eindruck, Herr Pracht wüsste nichts von der neuen ‚planmäßigen Kompetenzorientierung‘, die den Lehrern sehr viel mehr Freiheit gibt als zuvor… Zudem erscheint es mir arg widersprüchlich, an der Lehrerausbildung zu krititsieren, diese bereite nicht praktisch genug auf das Unterrichten vor, dann aber didaktisch vollkommen Unausgebildete einsetzen zu wollen und dies als heilsbringende Lösung zu verkaufen.

Reinhard
10 Jahre zuvor

Warum wird eigentlich immer noch über Precht berichtet?
Eigentlich ist alles über seine Thesen gesagt, und wenn er seine Schule eröffnet und einen Jahrgang erfolgreich zum Abitur geführt hat, können wir mit Faktengrundlage weiter reden.