Genial – oder pädagogischer Unfug? Hamburger Schulen nutzen Sandwesten für unruhige Kinder

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HAMBURG. Unruhige Kinder tragen an einigen Hamburger Schulen im Unterricht zeitweise bis zu fünf Kilo schwere Sandwesten. Das sei freiwillig und erfolge nur in Absprache mit den Eltern, teilte die Hamburger Schulbehörde mit. Das «Hamburger Abendblatt» berichtete über mehrere Schulen, an denen Lehrer zu der zwei bis fünf Kilogramm schweren Weste greifen und sie Kindern anlegen. «Ich kann mich besser konzentrieren», wurde ein Junge zitiert. Von 56 Grund- und Stadtteilschulen mit Schwerpunkt Inklusion setzen den Angaben zufolge 13 die therapeutischen Hilfsmittel ein, um Kinder ruhiger werden zu lassen.

Solche "Sandwesten" und Zubehör werden im Internet angeboten. Screenshot
Solche „Sandwesten“ und Zubehörartikel werden im Internet angeboten. Screenshot

Diplom-Psychologin Michaela Peponis, Referatsleiterin bei der Schulbehörde, teilte mit, dass Sandwesten in Einzelfällen eine Unterstützung für Kinder im Schulalltag sein können. «Gleichwohl liegen derzeit keine empirisch oder wissenschaftlich abgesicherten Ergebnisse dafür vor.» Der Rückschluss, dass die Westen allgemein bei Kindern eine Steigerung der Konzentration oder Verminderung körperlicher Unruhe bewirken, sei daher nicht zu belegen. Dennoch begrüße die Behörde den Ansatz, in Einzelfällen diesen Weg zu wählen, wenn einzelne Schüler positiv reagierten.

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Eigenwahrnehmung fördern

Das «Abendblatt» berichtete von einer Sonderpädagogin einer Harburger Schule, die in ihrer Lehrzeit in den USA diese Methode kennengelernt hatte und sich für die Anschaffung von Westen an ihrer Schule einsetzte. Durch den Druck und das Gewicht der Weste würden über die Rezeptoren der Haut und die Propriozeption (Eigenwahrnehmung) dem Gehirn neue Impulse geben, wodurch ein Mensch letztlich Halt bekomme und sich um andere Dinge wie Lesen oder Schreiben kümmern könne, heißt es bei einem Westen-Hersteller, der ebenfalls einräumt: «Wissenschaftliche Untersuchungen über die Wirkungsweise unserer Gewichts-Produkte gibt es nicht.» dpa

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4 Kommentare
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sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: „Das «Hamburger Abendblatt» berichtete über mehrere Schulen, an denen Lehrer zu der zwei bis fünf Kilogramm schweren Weste greifen und sie Kindern anlegen. «Ich kann mich besser konzentrieren», wurde ein Junge zitiert.“

Was soll man davon halten?

Pälzer
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Man soll es wahrnehmen und beobachten. Wenn Lehrerinnen und Kinder das ausprobieren, wird es Erfahrungen geben, die könnte man berichten und irgendwann Schlüsse daraus ziehen. Eine flächendeckende Einführung würde ich ebenso wie eine sofortige Verdammung für verfrüht halten, auch wenn beides der deutschen Leitkultur entspricht.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Wichtig ist, dass das Ganze freiwillig und mit Einverständnis der Eltern stattfindet. Die Weste simuliert vielleicht einen gewissen Druck einer Bezugsperson auf den Körper, der dann beruhigend wirkt. Wenn das Projekt wirklich erfolgreich ist, böte sich mal eine aber bitte seriöse wissenschaftliche Untersuchung an.

Bert
6 Jahre zuvor

Zwangsjacken in den Klassenräumen…warum nicht, wenn es hilft.