Burnout: Fachärzte warnen vor gefährlichen Fehldiagnosen

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BERLIN. Psychiater warnen davor, sämtliche psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung stehen, als Burnout anzusehen. Eine inflationäre Verwendung des Begriffs erhöhe die Gefahr von Fehldiagnosen – mit womöglich dramatischen Folgen. 

Burnout gilt in Deutschland als Modediagnose. Foto: cauchisavona / Flickr (CC BY 2.0)
Burnout gilt in Deutschland als Modediagnose. Foto: cauchisavona / Flickr (CC BY 2.0)

„Wie sehr die breite öffentliche Diskussion um das Thema Burnout und um schädliche psychosoziale Bedingungen unserer Arbeitswelt auch zu begrüßen ist, so sehr muss doch auch vor Missverständnissen und irreführenden Sichtweisen gewarnt werden“, teilt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) mit. Die häufige Anwendung des Begriffs habe zwar zu einem offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen geführt. Betroffenen falle es erkennbar leichter, ohne Scham über ihre psychischen Erkrankungen zu sprechen. Aber oftmals werde Burnout mit der schweren und nicht selten lebensgefährlichen Krankheit der Depression gleichgestellt. „Damit droht eine besorgniserregende Unter- oder Fehlversorgung der Betroffenen“, heißt es in einem Positionspapier, mit dem die DGPPN für mehr Klarheit sorgen will.

Burnout ist – laut der Internationalen Klassifikation von Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation – keine medizinische Diagnose. Burnout gilt danach lediglich als einer der „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“. Dennoch hat Burnout der DGPPN zufolge für Diagnostik und Therapie eine mehrfache Bedeutung:

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  • Das Erleben von Burnout kann ein Risikozustand sein, der zu Erkrankungen wie Depression, Alkoholmissbrauch, Angststörungen, chronisches Schmerzsyndrom, Tinnitus, Bluthochdruck oder chronische Infektionskrankheiten führen kann.
  • Andererseits kann das Erleben von Burnout auch Früh-Symptom oder Folge von Krankheiten wie beispielsweise Psychosen, Multiple Sklerose oder Tumorerkrankungen sein.

„Nur durch eine gründliche medizinische Untersuchung kann eine zugrundeliegende Krankheit erfasst und gezielt behandelt werden. Diese differenzierende Diagnostik ist bei erlebtem Burnout unbedingt notwendig, denn für alle diese zugrundeliegenden Krankheiten gibt es gesicherte störungsspezifische Therapien, die den Patienten nicht vorenthalten werden dürfen“, heißt es in dem Papier. Für Burnout, ohne gleichzeitig bestehende Erkrankung, gebe es keine nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin wirksam nachgewiesenen Therapien oder Prävention. Sei Burnout Auslöser einer psychischen oder somatischen Erkrankung, dann sollte in der dann indizierten Therapie die Belastung am Arbeitsplatz noch stärker berücksichtigt werden.

Die DGPPN fordert, dass „psychisch gesunde“ Arbeitsplätze mehr als bisher in die Verantwortung der Betriebe und Verwaltungen rückt. Dabei sollte die Position von Betriebsärzten gestärkt werden. Wie in den meisten anderen europäischen Ländern sollten auch in Deutschland gesetzliche Regelungen zum Schutz vor gesundheitsgefährdendem psychischem Stress erfolgen. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz müssen medizinischen Risiken von Lärm, Licht, Vibrationen oder Toxinen gleichgestellt sein. Hier besteht in Deutschland den Experten zufolge erheblicher Nachholbedarf. In der medizinischen Forschung sei der Risikofaktor „psychisch ungesunder Arbeitsplatz“ bisher kaum untersucht. Das Thema „Psychische Krankheit und Arbeitsplatz“ müsse auch Gegenstand einer breit angelegten wissenschaftlichen Forschungsinitiative der Bundesregierung werden. NINA BRAUN
(11.3.2012)

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