Burnout bei Lehrern: Krankenschein verschärft die Krise

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BERN. Lehrer, die unter Burnout leiden, sollten nicht krankgeschrieben werden – das verschärft die Krise noch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Pädagogischen Hochschule Bern.   

Beim Burnout fühlen sich Betroffene tief erschöpft. Foto: Tim Caynes / Flickr (CC-BY-NC-2.0)
Beim Burnout fühlen sich Betroffene tief erschöpft. Foto: Tim Caynes / Flickr (CC-BY-NC-2.0)

Viele Lehrerinnen und Lehrer haben mit Erschöpfungssymptomen zu kämpfen; allein im Schweizer Kanton Bern werden pro Jahr schätzungsweise zwischen 70 und 100 Lehrpersonen für längere Zeit krankgeschrieben. Ein Team um den Sozialwissenschaftler Prof. Kurt Hofer von der Pädagogischen Hochschule Bern hat nun mittels Interviews und teilnehmender Beobachtung untersucht, wie acht Lehrpersonen, die aufgrund einer schweren Erschöpfung für mindestens sechs Monate krankgeschrieben wurden, ihre Krise deuten und zu bewältigen versuchen. Die Betroffenen waren zwischen 40 und 55 Jahre alt und mit einer Ausnahme weiblich.

Mangelnde Anerkennung, wachsende Entfremdung

Wie deuteten die Untersuchten ihren Zusammenbruch? Alle fühlten sich während Jahren chronisch unter Druck. Sie arbeiteten bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und verloren die Freude am Beruf. Dazu kam der Eindruck eines wachsenden Defizits an Anerkennung: von Seiten der Schülerinnen und Schüler, der Eltern, der Kollegen, der Schulleitung und der Gesellschaft. Von ihnen allen würden sie nicht das zurückbekommen, was sie andauernd gäben, sagten die Untersuchten, die meist zusätzlich die Doppelbelastung von Familie und Beruf trugen.

„Die beteiligten Lehrpersonen identifizieren ihre Krise primär aufgrund von psychosomatischen Symptomen. Sie litten während längerer Zeit unter Erschöpfung, Schlafstörungen, häufigen Erkältungen, Angstattacken, Konzentrationsproblemen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Problemen oder Entzündungen. Diese psychosomatischen Symptome können als Inkorporation von beruflichen und privaten Belastungen gelesen werden“, heißt es in der Studie.

Alle Untersuchten fühlten sich von ihrem Arbeitsort und der Institution Schule entfremdet. Sie  fühlen sich durch die wiederholten Schulreformen stark verunsichert und deuteten diese dahingehend, dass ihre Arbeit nicht mehr genüge. Auseinandersetzungen mit den Schulleitungen spielten bei der Hälfte der Fälle eine wichtige Rolle. Sie fühlte sich von Querelen mit der – meist männlichen – Schulleitung aufgerieben.

Zusammenbruch trotz reibungslosem Unterricht

Die untersuchten Lehrpersonen zeigten eine hohe Leistungsorientierung und reagierten auf die Probleme mit noch größerem Arbeitseinsatz; je belasteter sie sich fühlten, desto gewissenhafter bereiteten sie den Unterricht vor und desto mehr Zeit verbrachten sie im Schulhaus. Nur ein Teil der Betroffenen sah sich mit disziplinarischen Problemen konfrontiert. Die anderen schienen die Situation im Griff zu haben und mit der Klasse die anvisierten Lernziele zu erreichen. Konflikte mit Eltern und eine zunehmende Angst vor deren Reaktionen waren häufig die letzten Auslöser des Zusammenbruchs oder einer präventiv erfolgten Krankschreibung durch den Arzt.

Die Krankschreibung soll dazu dienen, dass sich die Betroffenen während einer bestimmten Zeit fernab vom Schulalltag regenerieren, um dann gestärkt ins Berufsleben zurückzukehren. Laut Studienleiter Hofer führt diese Praxis nicht zum Ziel. Die beschäftigungslose Zeit verunsichere die Beurlaubten, nach der Auszeit hielten sie an ihrem Arbeitsmuster fest und viele fürchteten eine Stigmatisierung.

„Die Krankschreibung erklärt die betroffenen Lehrpersonen als krank. Die Lehrpersonen werden temporär von ihrem Beruf entledigt, ihre Behandlung und Heilung findet außerhalb des Berufsfeldes statt. Damit wird die Krise der Lehrpersonen vom Kontext der beruflichen Belastungen gelöst und individualisiert. Der Fokus auf ihre Persönlichkeit wird durch verordnete begleitende psychotherapeutische oder psychologische Beratung noch verstärkt. Die durch die Krankschreibung verursachte lange andauernde Isolierung der Lehrperson von ihrem Beruf erscheint problematisch. Sie ist mit Ausschließungs- und Stigmatisierungsprozessen verbunden, welche für die Betroffenen neue Leiden und Ängste schafft“, so heißt es in der Studie.

Als Alternative schlägt Hofer eine Unterstützung vor Ort vor: Statt dass die Lehrpersonen die Schule über längere Zeit verliessen, sollten Fachpersonen sie im Schulalltag temporär begleiten und mittels Coaching entlasten. NINA BRAUN

(12.2.2012)

Zum Bericht: „Modekrankheit Burnout: Experte warnt vor Fehldiagnosen“

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