FRANKFURT/MAIN. Die Städelschule gehört zu den angesehensten Kunsthochschulen der Welt. Finanziert wird sie aber allein von der Stadt Frankfurt. Die muss den Gürtel enger schnallen – und die Städelschule sparen. Erstes Opfer: die «Abendschule» für Jedermann.
«Klein sein hat riesige Vorteile», sagt Nikolaus Hirsch. Als Rektor der Frankfurter Städelschule leitet er eine der kleinsten, aber auch angesehensten Kunsthochschulen der Welt. Und die ist aktuell «in einer schizophrenen Situation», wie Hirsch es ausdrückt: Einerseits feiert die Schule große Erfolge, andererseits hat sie finanzielle Probleme.
Zehn Dozenten oder Absolventen stellen derzeit auf der documenta (13) in Kassel aus, viele sind mit sehr großen Arbeiten vertreten wie der ehemalige Städelschul-Professor Thomas Bayrle. Die Professorin für Bildende Kunst, Judith Hopf, ist dabei, aber auch junge Künstler wie Jernonimo Voss, der gerade erst seinen Abschluss gemacht hat. «Das zeigt, wie herausfordernd und inspirierend diese Ausbildung ist», sagt Hirsch.
Die Städelschule ist – wie auch das Städel-Museum – fast 200 Jahre alt. 1817 gründete Johann Friedrich Städel das nach ihm benannte «Kunstinstitut». Es sollte zum einen junge Künstler ausbilden und zum anderen das Bürgertum fortbilden. So kam es, dass die Schule zwar eine Staatliche Hochschule ist, aber trotzdem allein von der Stadt Frankfurt finanziert wird. Ein Unding, findet Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU). «Das Land Hessen steuert keinen Cent bei», schimpft er. «Ich kann nicht erkennen, wieso Geld da ist für die Musikhochschule, aber für die Kunst nicht.»
Derzeit sind 150 Studierende für Bildende Kunst und 40 für Architektur eingeschrieben. Etwa 20 machen pro Jahr ihren Abschluss als Meisterschüler bei einem der zwölf Dozenten – auf die freien Plätze bewerben sich rund 500 Kandidaten aus alle Welt. Nur jeder vierte Student an der Städelschule ist Deutscher.
Seit 2008 wurde der Etat nicht erhöht
Auch die Professur für Malerei muss neu besetzt werden, Christa Näher geht im kommenden Frühjahr in Ruhestand. «Es sind einige sehr prominente Namen im Gespräch», sagt Hirsch, ohne Namen zu nennen. Sicher ist nur: Die Neubesetzung wird Geld kosten. Seit 2008 wurde der Etat von 4,3 Millionen Euro nicht erhöht. Aber die Kosten steigen, zuletzt durch die Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst.
Erstes Opfer des Spardiktats: Die «Abendschule». Seit 1947 kann dort jedermann – ohne Aufnahmeprüfung – allabendlich Kurse in Malerei, Zeichnung und Bildhauerei belegen. Die Teilnehmer zahlen für wöchentlich zwölf Stunden Praxis plus zwei Stunden Kunstgeschichte pro Semester 464 Euro. Die Abendschule nutzt Räume der Städelschule im Frankfurter Ostend, muss dafür aber Miete zahlen. Wenn die Städelschule die Abendschule nicht mehr mitfinanziert, fehlen 30.000 bis 50.000 Euro, erklärt die ehemalige Leiterin Vroni Schwegler.
Schwegler findet, dass es der Stadt und der Hochschule gut ansteht, «auch ein niederschwellige Angebot für die Bürger der Stadt anzubieten». Hirsch hingegen ist der Ansicht, dass die Städelschule «sich auf das Kerngeschäft konzentrieren muss: Die wissenschaftliche Ausbildung professioneller Künstler». Die Abendkurse werde es weiter geben, aber in neuer Trägerschaft. Semmelroth findet das «einsichtig»: Für Laien, «die sich zu fein sind für die Volkshochschule», gebe es genug andere gute Ausbildungsstätten.
Den Erfolg der Städelschule – von deren guten Ruf auch die Abendschüler profitieren – begründet Hirsch mit zwei Faktoren: «Einerseits das Intime, Familiäre, die Nähe zwischen Studenten und Dozenten. Andererseits der hohe Druck, eine eigene künstlerische Position zu entwickeln.» Denn eines ist die Städelschule nicht: Eine «Schule» im Sinne einer Lehrmeinung. So breit wie möglich soll das Angebot für die Studenten sein. Daher gibt es im Wintersemester – dank Drittmittel – auch wieder einen Gastprofessor: der Künstler, Musiker und Labelbetreiber Carsten Nicolai. SANDRA TRAUNER, dpa
(20.7.2012)