Fördern Schulen in Moslem-Staaten Gewaltbereitschaft?

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BERLIN. Warum reagieren manche Muslime mit Gewalt, wenn sie ihre Religion verspottet sehen? Die Berliner Politikwissenschaftlerin und Deutsch-Ägypterin Hoda Salah sieht die Ursache auch in den Schulen in der muslimischen Welt.

"Wir haben ein schreckliches Bildungssystem": Unterricht in Afghanistan. Foto: isafmedia / Flickr (CC BY 2.0)
„Wir haben ein schreckliches Bildungssystem“: Unterricht in Afghanistan. Foto: isafmedia / Flickr (CC BY 2.0)

Warum reagieren einige Muslime so wahnsinnig verletzt auf Witze über den Propheten – oder, wie bei den aktuellen Unruhen, auf eine provozierende Darstellung des Propheten Mohammed in einem Film?

Salah: «Es wäre ganz falsch zu sagen, die Verärgerung hat nur mit der Religion zu tun. Es gibt einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Westen – die Debatte: Warum ist die arabische Welt unterentwickelt? Das führt manchmal zu Aggression. Viele Menschen in der arabischen Welt fühlen sich als Verlierer des globalen Wirtschaftssystems, wie ein Spielball des Westens. Wenn sie sich auf die Religion besinnen, wird ihre Überlegenheit wieder hergestellt. Im arabischen Bildungssystem lernen wir von Kindheit an: Es gibt rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Und dazu gehören auch Witze über Heilige im Allgemeinen.»

Wer sind denn die Angreifer und diejenigen, die auf die Provokation mit Gewalt antworten?

Salah: «Es ist wichtig, zu wissen: Es sind nicht alle Moslems, die sich so verletzt fühlen. Aber es gibt Gruppen, die fundamentalistisch und in ihrem Denken nicht tolerant genug sind – eine Minderheit. Wir haben leider ein schreckliches Bildungssystem, das sehr auf Gehorsam und Auswendiglernen beruht. Auf der anderen Seite sehe ich in dieser Gewaltbereitschaft Enttäuschung gegenüber dem Westen. Der Film zeigt Mohammed als psychisch verstörten Mann, der schizophren ist und der Stimmen hört. Dagegen wollen sie sich wehren. Es ist traurig, dass sie nicht unterscheiden können zwischen Regierungen und kleinen Spinnern, die einen so oberflächlichen Film machen. Aber viele distanzieren sich inzwischen öffentlich von der Gewalt.»

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Warum eskaliert Gewalt in islamischen Ländern so oft nach den Freitagsgebeten?

Salah: «Am Freitag kann einfach eine große Masse an Menschen auf einmal mobilisiert werden. Die Gläubigen versammeln sich in den Moscheen. Es ist genau derselbe Tag, an dem die Menschen in der arabischen Welt aufgerufen waren, für Demokratie zu kämpfen. Und jetzt sind viele Menschen aufgerufen, ihre Empörung und Ablehnung zu zeigen, darüber, dass sich der Westen über sie lustig macht. Das macht mich traurig. Denn diese Politik der Angst vor dem Westen kann die autoritäre Staatsbildung nach der Revolution wieder stärken.» Das Gespräch führte ANJA MIA NEUMANN, dpa

Zum Bericht: Allah im Klassenzimmer: Auftakt zum neuen Islamunterricht

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1 Kommentar
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Irene Reindl
11 Jahre zuvor

+++Der Film zeigt Mohammed als psychisch verstörten Mann, der schizophren ist und der Stimmen hört. +++

Tja, dazu muß man doch einfach mal die Hadithen (Sunna) gelesen haben (die Erzählungen aus dem Leben des Propheten, die genauso wichtig und heilig sind wie der Koran), denn dort kommt genau das vor. Der Film hat nichts anderes getan, als einige Hadithen nachzuspielen. Selbst das Gespräch mit dem Esel (wird hier nicht erwähnt, kommt im Film vor) stammt aus der Sunna. Aber genau das ist das Problem. Viele Muslime, das merke ich in Gesprächen immer wieder, haben weder den Koran jemals gelesen noch die Sunna, sondern beziehen sich immer auf irgend etwas Diffuses, das sie mal gehört haben, das man ihnen erzählt hat, oder was angeblich im Koran stehen oder nicht stehen soll, ohne es jemals selber nachzuprüfen. Und wenn man sie dann auffordert, einfach mal nachzuschlagen (gerade durch das Internet ist es kinderleicht sich jede beliebige Sure zu ergoogeln) kommt die Ausrede: Den Koran kann man nur in Altarabisch richtig verstehen, alle Übersetzungen sind Fälschungen. Blöd nur, dass kaum jemand altarabisch spricht. In den Koranschulen werden die Suren auf Altarabisch auswendig gelernt, ohne zu verstehen, was man dort lernt. Wenn es ums Übersetzen geht, verläßt man sich voll und ganz auf die Behauptungen der Imame etc.