Neuer Ärger für Grün-Rot: Inklusion wird zum Streitthema

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STUTTGART. Baden-Württembergs Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) gerät immer weiter unter Druck.  Die Teilhabe behinderter Kinder und Jugendlicher im Bildungswesen kommt aus Sicht betroffener Eltern im Südwesten nicht voran. Grün-Rot habe andere Schwerpunkte, heißt es.

Unter Druck: Gabriele Warminski-Leitheußer. (Foto: Grüne Baden-Württemberg/Flickr)
Unter Druck: Gabriele Warminski-Leitheußer. (Foto: Grüne Baden-Württemberg/Flickr)

Die Lehrerverbände laufen wegen dem angekündigten Abbau von 11.600 Lehrerstellen in Baden-Württemberg Sturm. Und jetzt kommt auch noch Ärger für die grün-rote Landesregierung in Sachen Inklusion: «Wir haben den Eindruck, dass das Kultusministerium nicht wirklich an der völkerrechtlich gebotenen inklusiven Umgestaltung des Schulsystems interessiert ist», sagte Kirsten Ehrhardt, Sprecherin Initiative «Gemeinsam leben – gemeinsam lernen». Selbst an der neuen Gemeinschaftsschule, an der der gemeinsame Unterricht zum Programm gehört, sei es manchen Eltern nur mit großem Druck gelungen, ihre behinderten Kinder unterzubringen. Baden-Württemberg dürfe nicht weiter «Schlusslicht» bei der Öffnung der Schulen für behinderte Kinder bleiben.

Minister Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) zeigte Verständnis für die «Ungeduld» der Eltern, machte für Verzögerungen aber die Vorgängerregierung verantwortlich.

Die Elterninitiative will der grün-roten Koalition mit einem eigenen Gesetzentwurf Beine machen. Demnach sollen Sonderschulen vom Schuljahr 2013/14 an keine Schüler mehr aufnehmen. Damit würde auch das in der grün-roten Koalitionsvereinbarung angestrebte Wahlrecht zwischen Regel- und Sonderschule für die Eltern behinderte Kinder entfallen. Behinderte Kinder und Jugendliche sollen überdies ein Recht auf wohnortnahen inklusiven Unterricht erhalten.

Elternverein will Sonderschulen abschaffen

Ein Nebeneinander von inklusiven Schulen und Sonderschulen mit ihren rund 50.000 Schülern hält der Verein weder für finanzierbar noch für sinnvoll. Nur durch eine vollständige Umstellung könnten die notwendigen Ressourcen für die angemessene Betreuung von Kindern mit Behinderung bereitgestellt werden. Auch für die Kommunen sei ein Grundstock an Hilfe für behinderte Schüler günstiger als jedem einzelnen «einen persönlichen Aufpasser» zur Seite zu stellen, sagte Ehrhardt. «Inklusion darf nichts Exklusives sein.»

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Den Vorwurf, Grün-Rot kümmere sich eher um ihr Vorzeigeprojekt Gemeinschaftsschule als um die Inklusion, wies Warminski-Leitheußer zurück: «Die Inklusion hat einen überaus wichtigen Stellenwert für die grün-rote Landesregierung.» Allerdings benötige eine Schulgesetzänderung ein sorgfältiges und abgesprochenes Vorgehen. Es müssten Fragen zu Benotung, Versetzungsordnung, zu Schülerbeförderung sowie zu Raum- und Sachausstattung geklärt werden. Das Schulgesetz solle nach wie vor im Schuljahr 2013/14 geändert und die Inklusion schrittweise umgesetzt werden.

Anders als die Elterninitiative will das Ministerium nicht die fast 600 Sonderschulen im Land, sondern nur die Sonderschulpflicht abschaffen. In diesem Schuljahr werden 100 Lehrerstellen an den Sonderschulen geschaffen.

Nach den Vorstellungen des Vereins soll pro Stadt- und Landkreis ein Förderkompetenzzentrum geschaffen werden, das einerseits die Fortbildung der Regelschullehrer übernimmt, andererseits den Einsatz von Sonderschullehrern mit Spezialqualifikation verwaltet und koordiniert. Die weit zahlreicheren Sonderschullehrer mit Schwerpunkt Lernbehinderung, Sprachdefizite und Erziehungshilfe sollen in dem Maße an den jeweiligen Schulen beschäftigt werden, wie Sonderschulklassen wegfallen; auf diese Handicaps entfallen derzeit mehr als 60 Prozent der Sonderschüler. JULIA GIERTZ, dpa

Zum Bericht: „Inklusion: NRW-Kommunen drohen Löhrmann mit Klage“

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