Streit um Schwimmunterricht – Gericht fällt Urteil

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KASSEL. Religionsfreiheit gegen den staatlichen Bildungsauftrag – der Verwaltungsgerichtshof hat heute sein Urteil im Rechtsstreit um die Teilnahme am Schwimmunterricht einer muslimischen Schülerin gesprochen.  

„Der staatliche Bildungsauftrag hat Vorrang“, entschied der Verwaltungsgerichtshof Kassel. Foto: Carlo Schrodt / pixelio.de

Das erlfjährige Mädchen ist vor Gericht mit der Forderung gescheitert, vom gemischten Schwimmunterricht befreit zu werden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel wies die Berufung einer heute zwölf Jahre alten Schülerin aus Frankfurt ab. Sie wollte feststellen lassen, dass sie im abgelaufenen Schuljahr im Alter von elf Jahren zu Unrecht nicht vom koedukativen Schwimmunterricht befreit wurde.

«Die Klägerin hätte damals am Schwimmunterricht teilnehmen müssen. Für diesen Zeitpunkt in diesem Einzelfall gab es keine Gründe für eine Befreiung», sagte der Vorsitzende Richter und Präsident des VGH, Hans Rothaug (Az: 7 A 1590/12). Bereits zuvor hatten andere Oberverwaltungsgerichte in vergleichbaren Fällen ähnlich geurteilt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage ließt der VGH aber eine Revision zumBundesverwaltungsgericht zu.

Kein Zweifel am Glauben

Abzuwägen seien die Grundrechte der Religionsfreiheit und des staatlichen Bildungsauftrags. Er habe keinen Zweifel, dass die Klägerin es mit ihrem Glauben sehr ernst meine, betonte Rothaug. Das Tragen eines Burkinis sei ihr als «milderes Mittel» an dieser Schule aber möglich gewesen. An der Helene-Lange-Schule in Frankfurt haben vier von fünf Schülern einen Migrationshintergrund. Mehr als ein Drittel sind Muslime. Ein Burkini ist ein Badeanzug, der den Bekleidungsvorschriften des Islam entspricht.

Diesen hatte die Muslima abgelehnt. «Das ist ein Plastiksack und macht jemanden hässlich», sagte ihr Anwalt Klaus Meissner. Zudem hatte er mit dem Anblick der anderen Jungen und Mädchen argumentiert. Dies verletze ihr Schamgefühl. Die Klägerin sagte: «Ich möchte Jungen nicht in kurzer Bekleidung sehen. Ich mag sowas nicht.» Das ließ der 7. Senat nicht gelten. Die Schülerin wolle Ärztin werden. Auch dann könne sie sich nicht jeder solchen Situation verschließen. Bereits das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte die Klage abgewiesen.

Richter: Integration verlangt, dass religiöse Minderheiten sich nicht ausgrenzen

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 1993 entschieden, dass eine Befreiung vom Schwimmunterricht möglich ist, wenn die Schule keinen getrennten Schwimmunterricht anbietet. «Die Schullandschaft hat sich verändert. Dem muss Rechnung getragen werden», sagte die Vertreterin des Landes vor dem VGH. Dem folgten die Richter. Die Entwicklung seit damals sei fortgeschritten. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, Integration verlange auch, dass religiöse Minderheiten sich nicht selbst ausgrenzten. Die Religionsfreiheit des Mädchens müsse vor diesem Integrationsauftrag teilweise zurücktreten.

Erst im Juni hatte das Oberverwaltungsgericht in Bremen geurteilt, dass muslimische Grundschülerinnen keinen Anspruch auf Befreiung vom Schwimmunterricht haben (AZ: 1 B 99/12). Im Grundschulalter könne von einem persönlichen Gewissenskonflikt durch die Teilnahme am gemeinsamen Schwimmen für Mädchen und Jungen noch nicht ausgegangen werden. Einen Befreiungsanspruch gebe es erst nach Einsetzen der Pubertät. Auch das nordrhein-westfälische Schulministerium hatte 2009 klargestellt, dass muslimische Schülerinnen und Schüler grundsätzlich am Schwimmunterricht und an Klassenfahrten teilnehmen müssen. dpa

(28.09.2012)

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