Von „Cool“ bis „furchtbar“ – Der Cyber-Classroom auf der Buchmesse polarisiert

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FRANKFURT. Schüler und Lehrer können das sogenannte „Klassenzimmer der Zukunft“ auf der Frankfurter Buchmesse testen. Am Cyber-Classroom scheiden sich aber die Geister.

«Cool!» findet Paul (11). «Jede Stunde so? Furchtbar», sagt dagegen sein Lehrer (53). Die Klasse 6c der Helene-Lange-Schule ist aus Wiesbaden gekommen, um «das Klassenzimmer der Zukunft» auf der Buchmesse zu testen. In drei sogenannten Cyber Classrooms sitzen an diesem Vormittag Schüler in Halle 4.2. mit 3D-Brillen aus Pappe auf der Nase. In Biologie geht es um den Blutkreislauf, in Chemie um Akkus und Batterien, in Physik um den neuen Teilchenbeschleuniger am Genfer Forschungszentrum CERN.

3D-Brillen gehören zum Cyber-Classroom dazu. (Foto: PR/Vivenso)
3D-Brillen gehören zum Cyber-Classroom dazu. (Foto: PR/Visenso)

Visenso, eine Ausgründung der Universität Stuttgart, hat vor 15 Jahren mit Visualisierungen für die Auto-Industrie begonnen. Vor vier Jahren kam der Auftrag von einem Freizeitpark. Danach begann Visenso, Lernmodule für Schulen zu bauen, berichtet Visenso-Geschäftsführer Martin Zimmermann. Dank eines Sponsors aus der Industrie wurden «Labore» in 20 Schulen eingerichtet, an denen Lehrer und Schüler die Technik testen und dabei helfen, sie weiterzuentwickeln.

Auf der Buchmesse ist der aktuelle Stand zu begutachten, auch wenn das alles mit klassischen Schulbüchern nichts mehr zu tun hat. 70 Lernmodule sind bisher verfügbar, meist aus naturwissenschaftlichen Fächern. Die Hardware – ein Stereofernseher, der mit Spiele-Konsolen gesteuert wird – kostet 15 000 Euro. In nächsten Jahr soll aber eine günstigere, abgespeckte Version verfügbar sein, sagt Zimmermann. Dann werde die Technik kaum teuerer sein als die heute in Schulen üblichen Smartboards, «nur dass Sie die Inhalte schon drin haben».

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Schüler und Lehrer sind geteilter Meinung, ob das was bringt. Der elfjährige Paul Schnetter fand seinen Besuch im Cyber Classroom «eine ganz tolle Erfahrung». Gerade abstrakte Inhalte würden so «viel realistischer» und leichter zu begreifen. «Das wäre ziemlich cool, wenn der Unterricht immer so wäre.»

Klassenlehrer Andreas Rech findet das «eine schwierige Sache». «Gerade an unserer Schule legen wir viel Wert auf selbstständiges Lernen, auf Praktisches, auf Rausgehen.» Das alles komme hier nicht vor. Die Kosten entsprächen in etwa dem Jahresetat der Theater AG. «Das würde ich abwägen.» Und wenn es um die alten Römer geht, «dann würde ich lieber mit der Klasse nach Trier fahren». Letztlich laufe das virtuelle Klassenzimmer doch auf einen Frontalunterricht hinaus.

«Wird das mit der Zeit nicht langweilig?» fragt der Lehrer den Schüler. «Nö», meint der. «Ich kann mir das so besser vorstellen.» Am Ende einigen sich beide auf einen Kompromiss: Das virtuelle Klassenzimmer sei «eine Ergänzung». dpa

(10.10.2012)

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