Gemeinschaftsschule: Warminski-Leitheußer will CDU überzeugen

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ROSENBERG. Die Gemeinschaftsschule ist das Prestigeprojekt der Baden-Württembergischen Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer. Die Opposition ist skeptisch. Bei einem Ortbesuch versuchen sie sich gegenseitig zu überzeugen.

Donnerstagmorgen in der Gemeinschaftsschule Rosenberg (Ostalbkreis): Die beiden Fünftklässler Jana und Sarah lösen die Aufgaben ihres Wochenarbeitsplanes, den sie bis Freitag fertig haben müssen. Sie ordnen einer Bildergeschichte die passenden Verben zu – die Deutschaufgabe hat ein bis zwei Sternchen, sie gilt also als mittelschwer. Ihre Mitschüler zeichnen Achsenspiegelungen in Mathe. An der Wand hängt ein selbst gebasteltes Plakat mit den Regeln. Darauf heißt es beispielsweise: «Im Unterricht strengen wir uns an. Wir geben aufeinander acht. Wir helfen uns gegenseitig.»

Die Karl-Stirner-Schule gehört zu den 42 Gemeinschaftsschulen, die in diesem Schuljahr in Baden-Württemberg als grün-rotes Projekt an den Start gingen. An diesem Tag besuchen CDU-Fraktionschef Peter Hauk und Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) die Einrichtung – gemeinsam, obwohl Regierungs- und Oppositionsparteien bei dem Thema Gemeinschaftsschule seit jeher über Kreuz liegen. Während die Befürworter die Möglichkeit des längeren gemeinsamen Lernens betonen und dass jeder Schüler individuell gefördert werde, schimpfen Gegner über die «Einheitsschule», die – so die Kritik – die unterschiedlichen Begabungen von Schülern ignoriere.

Baden-Württenbergs Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer macht Werbung für ihr Prestigeprojekt die Gemeinschaftsschule. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg
Baden-Württenbergs Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer macht Werbung für ihr Prestigeprojekt die Gemeinschaftsschule. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Schüler, Eltern und Lehrer in Rosenberg kommen aber aus dem Schwärmen nicht heraus. Schulleiter Wolfgang Streicher sagt: «Wir haben Feuer im Herzen.» Er erzählt von Schülern auf Hauptschulen, die beispielsweise in Mathe prima, in anderen Fächern aber eben schlechter waren. «Es war schon immer mein Ziel, auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler besser eingehen zu können.» Lehrer Heinz Görner, 45 Jahre im Schuldienst, sagt: «Wir haben mehr Zeit für die Schüler, für Gespräche, für Hilfestellungen.» Die Pädagogen räumen aber ein, dass sie nun auch mehr Arbeit haben. Streicher: «Je mehr Schüler in der Klasse sind, desto umfangreicher wird die Arbeit für den Lehrer, das ist klar. Aber wir sind von dem System überzeugt.»

Beispielsweise müssen die Lehrer an den Wochenenden die Arbeiten korrigieren, die die Schüler aus ihrem Wochenarbeitsplan erledigten. Der Rektor gibt zu, dass seine Schule vom Schulamt hervorragend mit Lehrern ausgestattet worden sei. «Die Lehrerversorgung ist ein wichtiger Eckpunkt. Hier ist die Politik gefordert.» In Rosenberg sei man zudem in der tollen Lage, ein engagiertes Kollegium zu haben. Hauk zeigt sich beeindruckt, ist aber von der Schulform nicht überzeugt: «Wie der Unterricht gestaltet wird, hängt doch nicht von der Frage der Gemeinschaftsschule ab.» Und er schiebt später nach: «Wenn die Ressourcenfrage geklärt ist, kann ich vieles tun.»

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Ministerin will innovative Pädagogik fördern – Hauk bezweifelt Übertragbarkeit

Während der Busfahrt zur zweiten Gemeinschaftsschule in Korb bei Stuttgart debattieren Ministerin und Fraktionschef kontrovers. Hauk befürchtet, dass die Gemeinschaftsschule die baden-württembergischen Standards in den Schulen nach unten zieht, wenn in einer Klasse Schüler mit stark unterschiedlichen Leistungen sitzen. Auch der Fraktionschef ist von der kuscheligen Schule im ländlichen Rosenberg begeistert. Doch er bezweifelt, dass dieses Vorzeigemodell so einfach übertragbar ist – jetzt, wo die Landesregierung in den kommenden zwei Jahren insgesamt 2200 Lehrerstellen streichen will. «Wir hätten uns die Weiterentwicklung der Werkrealschulen vorgestellt», sagt Hauk.

Die Ministerin meint hingegen, dass man die Ressourcen besser steuern müsse, um mehr Lehrer für individuelles Lernen einplanen zu können. Die Befürchtung, dass das Niveau in den Klassen sinken wird, teilt sie nicht. «Es gelten die Bildungsstandards im Land.» Sie betont: «Es geht um viel mehr als darum, dass man die Kinder nach der vierten Klasse zusammenlässt. Es geht auch darum, dass man eine innovative Pädagogik voranbringt.» Die Ministerin verweist darauf, dass Schüler und Eltern von weniger Stress im Unterricht berichten. «Die Gemeinschaftsschule ist nicht umsonst so ein Renner im Land.»

Hauk und Warminski-Leitheußer bleiben in der Sache – wie erwartet – weit auseinander. Unterdessen wollen weitere 120 Schulen in Baden-Württemberg zu Gemeinschaftsschulen werden. Schätzungsweise 100 könnten im nächsten Jahr den Zuschlag erhalten. Bettina Grachtgrup/dpa

(29.11.2012)

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