Biologie: Gemüse-Fisch-Kreislauf gegen die Ernährungsprobleme der Zukunft

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BERLIN. Gemüse und Fisch: Produziert man sie gemeinsam in einem intelligenten Kreislaufsystem, könnten viele Hungrige satt werden – für kleines Geld. Berliner Forscher arbeiten daran.

Nein, es geht nicht um Fischkonserven in Tomatensoße, wenn Prof. Werner Kloas mit leuchtenden Augen vom «Tomatenfisch» spricht. Der Biologe hat dabei nicht weniger als einen Ansatz zur Sicherung der Welternährung im Blick: Mit Fischen und Nutzpflanzen – in diesem Fall: Tomaten – in einem geschlossenen, nachhaltigen Produktionssystem. Am beschaulichen Müggelsee im Südosten von Berlin arbeiten Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) an der Perfektionierung eines solchen Aquaponik-Systems, das Fischzucht (Aquakultur) und erdfreie Pflanzenzucht (Hydroponik) miteinander kombiniert.

Arapaimas könnten das System noch effizienter machen. Foto: Jeff Kubina / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-2.0)
Arapaimas könnten das System noch effizienter machen. Foto: Jeff Kubina / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-2.0)

Im Forschungsgewächshaus sprudelt Wasser in fast mannshohe Fischbassins und in der Mitte ranken lange Reihen Tomaten aus Bottichen empor. Die Behälter sind durch Rohre und Schläuche verbunden, im Hintergrund brummen Bio-Kläranlagen und Bakterien-Filter. Es ist so heiß, dass sich Wasser am Glasdach absetzt – auch das ist Teil des Kreislaufkonzepts.

Kloas nimmt das Schutznetz von einem Bassin, wo sich sofort Dutzende Buntbarsche (Tilapien) an die Oberfläche drängeln. Sie wollen Futter. «Unsere Fische wachsen stressfrei. Es dürfen nicht zu viele in einem Bassin sein, aber auch nicht zu wenige. Sie mögen den Kuscheleffekt», erklärt Kloas.

Frischwasser sprudelt in die Bassins, verbrauchtes Wasser mit Fischexkrementen wird abgeleitet. «Es enthält giftiges Ammonium. Aber mit Hilfe von Bakterien wird es in Nitrat umgewandelt – und das ist optimaler Pflanzendünger», sagt Kloas. Das aufbereitete, nährstoffreiche Wasser wird in die Pflanzenbehälter geflutet, daumenhoch umspielt es die freiliegenden Wurzeln: Die Tomaten gedeihen prächtig – und produzieren sauberen Wasserdampf, der sich in einer Kältefalle am Dach absetzt. Von dort aus tröpfelt es über Rohre zurück ins System und kommt als Frischwasser wieder in die Fischbassins.

Die Idee der Aquaponik gibt es seit Jahrzehnten, und sie wird weltweit verfolgt, teils sogar in kommerziell genutzten Anlagen. Auch an der Universität in Rostock, wo es einen Lehrstuhl für Aquakultur gibt, wird an einem speziellen Fischglashaus geforscht, um Fische ressourcenschonend auf Landwirtschaftsflächen zu produzieren.

«Wir haben das System so weiterentwickelt, dass es hocheffizient ist und fast kein zusätzliches Wasser benötigt», sagt Kloas. Nur drei Prozent der Wassermenge müssen zugesetzt werden. «Für ein Kilogramm Freilandtomaten im spanischen Almeria müssen 180 Liter Grundwasser eingesetzt werden, mit Aquaponik braucht man nur 35 Liter und ein Fünftel der Fläche.» Auch die Ernährung der Fische ist nachhaltig und kostengünstig: Mit proteinreichen Mücken- und Fliegenlarven.

Nutzt man für die Wärmezufuhr im Treibhaus nun noch die Abwärme von Biogasanlagen oder Solarpanels – wie am IGB der Fall -, so funktioniert das Ganze emissionsfrei. «Fische wachsen schnell, sie liefern hochwertige und leicht verdauliche Proteine», betont Kloas. Noch effizienter kann das System werden, wenn es den Forschern gelingt, statt der Buntbarsche die riesigen Arapaimas (Amazonas-Süßwasserfische) zu züchten, die in kurzer Zeit mehr als zwei Meter lang und weit über 100 Kilogramm schwer werden.

«Unsere Technologie kann zur Lebensmittelsicherheit im 21. Jahrhundert einen wichtigen Beitrag leisten», sagt Kloas. In Entwicklungsländern etwa könne für rund 1000 Euro ein Basissystem aus speziell beschichteten Regentonnen und einer Pumpe 200 Kilogramm Fisch pro Jahr liefern. Das Berliner Verfahren wird unter Federführung des IGB deshalb nun auch im großen Maßstab erprobt: Rund sechs Millionen Euro gab die EU im Februar, damit Experten in Deutschland, Spanien, Belgien und China in großflächigen Versuchsanlagen die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens testen und verbessern und der «Tomatenfisch» verbreitet wird. Andrea Barthélémy/dpa

zum Bericht: Gegen den Hunger: Deutsche Forscher wollen Reisfelder stapeln

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