Jugendkriminalität: Schulen haben kaum Einfluss auf Intensivtäter

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DÜSSELDORF. Bis zu ihrem 18 Lebensjahr begehen die meisten Jugendlichen mindestens eine Straftat, berichten Münsteraner Forscher aus einer Langzeitstudie zur Jugendkriminalität. Nur ein geringer Teil müsse zum Kreis der Intensivtäter gerechnet werden und auch diese fänden unter guten Bedingungen auf den Pfad der Tugend zurück. Der Einfluss der Schule sei allerdings gering.

Das Vorurteil «Einmal Verbrecher – immer Verbrecher» trifft einer Langzeitstudie zufolge auf jugendliche Intensivtäter nicht zu. Auch Schüler, die mehrfach durch Straftaten aufgefallen sind, finden an der Schwelle zum Erwachsenwerden meist den Weg in die Normalität. Das ist ein Ergebnis einer Untersuchung, die nach Darstellung der Autoren die erste deutsche Langzeitstudie zur Jugendkriminalität ist. «Selbst Intensivtäter steigen aus», sagte der Münsteraner Kriminologe Prof. Klaus Boers in Düsseldorf. Die Resultate widerlegten gängige Vorurteile. Dazu gehöre unter anderem die Erkenntnis, dass Migranten nicht häufiger an Gewaltdelikten beteiligt seien als einheimische Jugendliche.

Einbrecher - Die meisten jugendlichen Intensivtäter blieben nicht kriminell. Foto: Rike / pixelio.de
Die meisten jugendlichen Intensivtäter blieben nicht kriminell, so die Studie. Foto: Rike / pixelio.de

Die meisten Jugendlichen begehen demnach bis zu ihrem 18. Lebensjahr mindestens eine Straftat – zumeist Ladendiebstahl. 84 Prozent der Jungen und 69 Prozent der Mädchen gaben in der anonymen Befragung zu, schon einmal ein Delikt verübt zu haben. «Das Meiste regelt sich von selbst – ohne Eingriffe durch Polizei oder Justiz», berichtete Boers. «Durch Ausloten und Überschreiten von Grenzen wird gelernt, was erlaubt und was verboten ist», erläuterte der Kriminologe.

Problematisch sei allenfalls eine kleine Gruppe von Intensivtätern, die mindestens fünf Gewaltdelikte pro Jahr begehen – im 14. bis 15. Lebensjahr etwa sechs Prozent. Sie haben die Hälfte aller Taten und über drei Viertel aller Gewaltdelikte auf dem Kerbholz.

Anders als oft behauptet, fänden aber die meisten doch noch den Pfad der Tugend – wenn auch etwas später. Wichtig sei dabei eine feste Beziehung mit einem gesellschaftskonformen Partner und ein stabiles Arbeitsverhältnis. Schulen hätten keinen großen Einfluss auf Intensivtäter. Sie müssten das Thema Kriminalprävention aber insgesamt zu ihrem Thema machen, forderte der Wissenschaftler.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Türkische Migranten sind nicht häufiger an Gewaltdelikten beteiligt als deutsche Jugendliche. «Das hat uns selbst überrascht», räumte Boers ein. Zahlreiche Studien vor allem der 90er Jahre seien zu anderen Ergebnissen gekommen.

Jugendliche mit ausländischen Wurzeln folgten eher traditionellen Werten. «Vor allem ist ihr Alkoholkonsum geringer.» Der spiele wiederum eine große Rolle bei Gewalttaten. Am weitaus unauffälligsten verhielten sich türkische Mädchen.

Insgesamt gaben in den Befragungen über ein Drittel der Mädchen und fast zwei Drittel der Jungen zu, schon einmal ein Gewaltdelikt begangen zu haben. Dazu zählten Körperverletzung mit und ohne Waffen sowie Raub – unter anderem Handtaschenraub und «Abziehen» von Opfern. Soziale Herkunft, Armut oder Jugendarbeitslosigkeit machten dabei keinen großen Unterschied, berichtete Boers.

Die Langzeituntersuchung habe außerdem ergeben: «Strafen schrecken nicht ab.» Zwar könne nicht gänzlich darauf verzichtet werden. Als Faustregel gelte aber: «Weniger ist mehr. Je härter die Strafe, desto höher das Rückfallrisiko. Erziehungsmaßnahmen vor Arrest und Freiheitsstrafe.»

Die Längsschnittstudie «Kriminalität in der modernen Stadt» wird seit zwölf Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Geleitet wird die Langzeituntersuchung zur Jugendkriminalität von dem Kriminologen Prof. Klaus Boers von der Universität Münster und dem Bielefelder Soziologen Prof. Jost Reinecke. Nach ihren Angaben gibt es keine vergleichbare Studie in Deutschland, die kriminelles Verhalten im Altersverlauf über einen so langen Zeitraum untersucht hat.

Zu Beginn waren die befragten 3411 Duisburger Jugendlichen 13 Jahre alt. Bis 2002 wurden sie jährlich interviewt, danach alle zwei Jahre – bis zum Ende ihrer Schullaufbahn in den Klassen, danach per Fragebogen auf dem Postweg. Anfang 2015 sollen die dann rund 26 Jahre alten ehemaligen Schüler zum elften Mal befragt werden. Neue Jugendliche werden nicht in die Untersuchung aufgenommen.

Ausgewertet werden neben den Angaben der Teilnehmer auch Informationen aus der polizeilichen Kriminalstatistik und dem Vorstrafenregister. Durch die eigenen Berichte der Befragten bekamen die Wissenschaftler aber auch Einblicke in das Dunkelfeld der Kriminalität, das keine Statistik abbildet. Die Langzeitstudie soll Aufschluss geben über den Einfluss von Wertorientierungen, Erziehungsstilen, Freunden, Gewaltmedien und Zuwanderungshintergrund. Außerdem beleuchtet sie Möglichkeiten und Wirkung von Vorbeugung und Strafe. (Bettina Grönewald, dpa)

zur Studie: Kriminalität in der modernen Stadt

zum Bericht: 44 gefährliche Körperverletzungen an Hamburgs Schulen gemeldet

zum Bericht: Brandenburgs Polizei und Schulen verstärken Zusammenarbeit gegen Internetkriminalität

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Katrin
9 Jahre zuvor

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