Leitlinien für Renovierung und Neubau: Schule als Lebens- und Lernort

1

BERLIN/BONN/DORTMUND. Schulen sind schon lange keine reinen „Lehranstalten“ mehr. Sie sind ein Lebensraum, in dem Kinder und Jugendliche einen Großteil ihres Tages verbringen. „Deswegen müssen Schulen so konzipiert und gebaut sein, dass die Räumlichkeiten den Anforderungen entsprechen, die durch immer heterogener werdende Lerngruppen entstehen“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).

Der VBE, der Bund Deutscher Architekten (BDA) und die Montag Stiftungen „Urbane Räume“ sowie „Jugend und Gesellschaft“ haben gemeinsam Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland entwickelt, die allen an Schule Beteiligten helfen sollen, ein optimales Lern- und Lehrklima zu ermöglichen. Viele Schulen seien noch für große Klassen konzipiert, in denen weitgehend frontal unterrichtet werde. „Das passt nicht mehr in Zeiten des längeren gemeinsamen Lernens und in Zeiten von individueller Förderung“, so Beckmann. Zudem sei es wichtig, allen an Schule Beteiligten optimale räumliche Bedingungen zur Verfügung zu stellen, erklärt Heiner Farwick, Präsident des Bundes Deutscher Architekten: „In Räumen, die auf die Anforderungen der Kinder und Lehrkräfte ausgelegt sind, lernt es sich einfach besser.“

Das Gespräch mit der Klasse sollte verändert werden, sagen die Forscher. (Foto: audio-luci-store.it/Flickr CC BY 2.0)
Eine Tisch-Reihe hinter der anderen hemme die Lernkultur, so VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann. (Foto: audio-luci-store.it/Flickr CC BY 2.0)

Die Anforderungen an Schulbauten hätten sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt, vor allem durch den Ganztag und die Inklusion. „Schulen dürfen diesen Entwicklungen nicht hinterherhinken“, so Farwick. „Häufig wird eine strikte Trennung zwischen Unterricht und Nachmittagsbetreuung aufgehoben. Das muss sich auch im Raumangebot einer Schule niederschlagen.“ Der Neu- und Umbau von Schulgebäuden sei deswegen eine große Herausforderung für die Kommunen. In den nächsten Jahren müssten viele Schulen in ganz Deutschland bundesweit saniert oder umgebaut werden und sich an wechselnde Anforderungen anpassen.

„Unterrichtsformen werden vielfältiger und Lernprozesse verändern sich mit dem Fokus auf heterogene Gruppen von Lernenden. Inklusion wird zum weitreichenden Anspruch“, betont Karl-Heinz Imhäuser, Vorstand der Montag Stiftung „Jugend und Gesellschaft“. Klassen-, Pausen- und Lehrerräume dürften nicht allein auf die Wahl von Materialien oder Farben reduziert werden, so Udo Beckmann. „Atmosphäre, Gestaltung und die Einbindung in die Umgebung sind ebenso wichtig. Außerdem wirken sterile Räume, wie sie häufig in den 70er Jahren gebaut worden sind, eher negativ auf jeden, der mehrere Stunden dort verbringt. Heute sollten Schulen und Klassenzimmer die Möglichkeit bieten, sich flexibel verändern zu können.“

Bei der Renovierung vorhandener Gebäude sollte auf „Stückwerk“ verzichtet werden, fordert Farwick: „Schule muss sich auch immer als Ganzes verstehen, als ein Ort, der gleichermaßen zum Lernen wie zum Leben genutzt wird. Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen oder gemeinsam lernen zu können.“

Mit den Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland haben der VBE, der BDA und die Montag Stiftungen nach eigenen Angaben Kriterien erarbeitet, mit denen für Schulbau Verantwortliche einen praxisnahen Handlungsfaden an die Hand bekommen. Darüber hinaus beinhalten die Leitlinien Beispiele renovierter und neu gebauter Schulen.

Zum Bericht: Am Bedarf vorbei gebaut? Experte Peter Hübner kritisiert deutsche Schularchitektur

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
xxx
9 Jahre zuvor

Der Verzicht auf Stückwerk ist unerreichbares Ziel, weil unbezahlbar. Da sich die Bildungspolitik immer schneller dem Zeitgeist anpasst, ist außerdem absehbar, dass fachliches Niveau wieder in die Klassenräume einziehen soll. Wirklich schwierige Unterrichtsinhalte sind in einem handlungsorientierten Gruppenpuzzle-Schreibgespräch-Lernzirkel kaum in einem zeitlich vertretbaren Rahmen vermittelbar ohne das Ganze anschließend in einem schnellen Frontaldurchmarsch nochmal durchzukauen. Daher halte ich es für möglich, dass der Frontalunterricht in irgendeiner Form als effektivere Lehr- und Lernform wieder in Mode kommt. Ein zu Lerninseln umgebautes Schulgebäude ist dafür denkbar ungeeignet.