Islamismus: Lehrer auf schmalem Grat im Umgang mit Salafisten

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BREMEN. Die Rekrutierungsversuche radikal-islamischer Salafisten unter Schülern folgen selten klassischen Mustern. Auch an ihrer Kleidung sind radikalisierte Muslime auf dem Schulhof nicht unbedingt zu erkennen. Lehrer stellt das im Alltag vor neue Herausforderungen.

Muslimische Schüler wollen plötzlich während des Unterrichts beten. Sie gehen nicht mit auf Klassenfahrten oder zum Schwimmen. Sie hüllen sich in lange Kleider und binden ihr Kopftuch strenger. Und dann erzählen sie von Verwandten, die als Kämpfer nach Syrien gereist sind. Viele Lehrer sind verunsichert, seitdem radikal-islamische Salafisten immer mehr Zulauf von Jugendlichen erfahren. Wann droht ein Schüler in Islamistenkreise abzugleiten? Wie können Pädagogen das verhindern? Auf einer Fortbildung in Bremen suchen sie am Donnerstag nach Antworten.

Es gibt keine einfachen Schablonen mit denen Salafisten auf den ersten Blick zu erkennen sind. Foto: ChrisPearce / flickr  (CC BY 2.0)
Es gibt keine einfachen Schablonen mit denen Salafisten auf den ersten Blick zu erkennen sind. Foto: ChrisPearce / flickr (CC BY 2.0)

Diese zu finden, ist nicht einfach: Wer Salafist ist und wer nicht, lässt sich auf den ersten Blick nicht erkennen. Denn sie müssen nicht unbedingt Kaftan und Kopftuch tragen. «Ich warne davor, anhand von Kleidung vorschnelle Schlüsse zu ziehen», sagt der Islamwissenschaftler Hazim Fouad, der für den Bremer Verfassungsschutz arbeitet. Viele junge Salafisten ziehen statt traditioneller Kleidung Militärhosen an und setzen Baseballkappen auf. Auch beim Anwerben neuer Anhänger gehen die Salafisten subtil vor. Dass sie auf dem Schulhof Koranausgaben oder Broschüren verteilen, kommt nur vereinzelt vor.

«Es gibt kaum klassische Rekrutierung», erklärt der Bremer Religionspädagoge André Taubert. Er hilft beim bundesweiten Beratungsnetzwerk «Kitab» Eltern, deren Kinder in die Fänge von Islamisten geraten sind. Die Rekrutierung passiere vielmehr unterschwellig in Gesprächen mit Freunden oder Mitschülern. Welche Schüler gefährdet sind, lässt sich schwer vorhersagen. «Die betroffenen Jugendlichen kommen aus allen Gesellschafts- und Bildungsschichten», sagt Taubert. Viele von ihnen wollen die Welt verbessern, suchen nach Anerkennung, Macht oder Zugehörigkeit. All das finden sie bei den Salafisten, die einen rückwärtsgewandten Islam vertreten und teils gewaltbereit und demokratiefeindlich sind.

Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) stellt zwar fest: «Wir haben in Bremen bis jetzt keine offensichtlichen dschihadistischen Anwerbeversuche.» Trotzdem beobachtet der Verfassungsschutz die salafistische Szene in Bremen genau, zu der sie 360 der rund 40 000 in der Stadt zählt. An den Schulen sieht Quante-Brandt Handlungsbedarf: «Die Schule ist der Ort, wo sich alles kristallisiert.» Die Bürgerkriege im Irak und in Syrien sowie Spannungen zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen im Nahen Osten helfen islamistischen Minderheiten wie den Salafisten nicht nur dabei, Anhänger zu mobilisieren. Die Konflikte machen auch vor den Schulen nicht Halt.

«Ich sehe eine Radikalisierung im gesamten Wohngebiet», sagt Friedrich Marotzke, Leiter einer Grundschule in einem Problem-Stadtteil im Bremer Norden. Hinter den Kulissen gebe es Spannungen zwischen Kurden und Muslimen, die die Kinder verinnerlichten. «Es kommen teilweise sehr unbedachte Äußerungen von Schülern, die sie Zuhause aufschnappen.» Marotzke will lernen, wie er mit solchen Situationen umgehen soll – und wie er demokratische Werte im Schulalltag besser vermitteln kann.

Ähnlich geht es einer Lehrerin von einem Schulzentrum in der Neustadt, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte. Zwei ihrer Schülerinnen in der Oberstufe haben Verwandte, die als Dschihadisten nach Syrien gegangen sind. Auch von Rekrutierungsversuchen haben ihr Schüler berichtet. «Wie kann man auf die Gefahren des Islamismus aufmerksam machen, ohne selbst zum Feindbild zu werden?», fragt sie sich. Dass das eine Gratwanderung ist, bestätigt auch Taubert. Ein Hauptargument vieler islamistischer Prediger sei, dass Muslime in der westlichen Gesellschaft diskriminiert werden. (Irena Güttel, dpa)

zum Bericht: Islamisten-Szene: Junge Bildungsverlierer sind es, die sich dem IS anschließen

Jugendliche und Salafismus (Planet Schule)

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