Ein Jahr Jüdische Theologie in Deutschland: „Erwartungen übertroffen“

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POTSDAM. Vor einem Jahr wurde an der Universität Potsdam die «School of Jewish Theology» eröffnet – seitdem wird erstmals an einer deutschen Universität Jüdische Theologie als Studienfach gelehrt. Der Studiengang hat enormen Zulauf.

Symbol für jüdisches Leben in Deutschland: die Neue Synagoge in Berlin. Foto: Andreas Praefcke / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)
Symbol für jüdisches Leben in Deutschland: die Neue Synagoge in Berlin. Foto: Andreas Praefcke / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Für den Rektor des Rabbinerseminars am Berliner Abraham Geiger Kolleg, Walter Homolka, war es eine «Zeitenwende»: die Einrichtung des deutschlandweit einzigen Studiengangs Jüdische Theologie vor einem Jahr. Der Zulauf zum Bachelor-Studium Jüdische Theologie an der Universität Potsdam überrascht seitdem alle Beteiligten: Knapp 70 Studierende haben sich zum Wintersemester eingeschrieben, noch einmal 20 mehr als im Gründungsjahr. «Das ist atemberaubend», freut sich Homolka, der inzwischen geschäftsführender Direktor des Instituts ist. «Damit sind wir zu 160 Prozent ausgelastet.» Der Bachelor-Studiengang ist auch europaweit einzigartig – und steht Studierenden unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit offen.

Jüdische Studierende können zudem mit einer praktischen Ausbildung am Berliner Abraham Geiger Kolleg für die liberale Glaubensrichtung oder mit dem konservativ ausgerichteten Zacharias Frankel College Rabbiner oder Kantor werden. Diese umfassende Ausbildung nutzen derzeit 25 Männer und Frauen unter den insgesamt 113 Studierenden. Dort lernen sie die jüdischen Gesetze und die Abläufe des alltägliche Gemeindelebens, etwa der Gottesdienste, Beerdigungen oder Hochzeitszeremonien.

«Das Tolle bei der Ausbildung ist, dass wir schon ab dem zweiten Studienjahr in den Gemeinden eingesetzt werden», berichtet Natalia Verzhbovska, eine der ersten Studentinnen im Master-Studiengang, der zum Sommersemester startete. Die 45-Jährige stammt aus der Ukraine und hat sich bewusst Deutschland als Studienort ausgesucht, um Rabbinerin zu werden. «Deutschland ist das Land, in dem viele nicht orthodoxe Bewegungen des Judentums geboren sind», sagt Verzhbovska. «Hier kann man dies sehr authentisch studieren, weil viele Schriften im liberalen Judentum auf Deutsch verfasst sind.»

Als Rabbinerin will sie auch in Deutschland arbeiten, um insbesondere ihren Landsleuten zu helfen. «Inzwischen sind hier bis zu 90 Prozent der Gemeindemitglieder Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion», berichtet die 45-Jährige. Die erste Generation sei zwar in den jüdischen Gemeinden aktiv, habe aber oft wegen mangelnder Sprachkenntnisse noch Schwierigkeiten, sich zu integrieren. «Die zweite Generation lebt bereits in der deutschen Gesellschaft», sagt Verzhbovska. «Bei ihnen geht es darum, das Interesse an dem Gemeindeleben wach zu halten.»

Auch der 26-jährige Max Feldhake aus Phoenix in Arizona/USA will später als Rabbiner in Deutschland arbeiten. «Ich möchte das Leben in den schon seit Jahren wieder aufblühenden jüdischen Gemeinden mitgestalten», sagt der 26-Jährige, der im vergangenen Jahr zu den ersten Studenten gehörte. «Da ist auch kein großer Unterschied mehr zum jüdischen Leben in den USA.»

Der Potsdamer Landtag hatte für den Studiengang Jüdische Theologie eigens das Hochschulgesetz geändert, um eine an das religiöse Bekenntnis gebundene Berufung der Professoren zu ermöglichen. Damit stehe nun die jüdisch-theologische Ausbildung gleichberechtigt zu den christlichen Theologien und den Islam-Studien an der Universität, sagt Wissenschaftsministerium Sabine Kunst (parteilos). «Und die Nachfrage hat alle Erwartungen übertroffen.» Dies sei ein wichtiger Schritt, um «die Region Berlin-Brandenburg deutschlandweit zur wichtigsten Adresse für die Forschung zum Judentum zu machen.» Klaus Peters, dpa

Zum Bericht: Grassiert an deutschen Schulen wieder Antisemitismus?

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