Tarifstreit: „Hände weg von unserer Rente“ – 27.000 bei Protest in Leipzig

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LEIPZIG. Trillerpfeifen, Rasseln, Klappern – Zehntausende Lehrer und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes demonstrieren in Leipzig. Ihre lautstarke Forderung: Mehr Lohn, mehr Gerechtigkeit.

Martina Schröter steht mit zwei Kolleginnen in neongelben Westen des Sächsischen Lehrerverbandes auf dem Augustusplatz in Leipzig. «Wir sind mit Leib und Seele Lehrerinnen, deshalb gehen wir ja auf die Straße», sagt die 55 Jahre alte Grundschullehrerin aus Zittau. Viel zu viel laufe schief im Bildungssystem, und zwar schon seit Jahren. Schröter ist eine von 27 000 Lehrerinnen und anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die sich nach Veranstalterangaben am Dienstag zu der Protestkundgebung versammelt haben.

Die Gewerkschaften GEW, Verdi und dbb haben ihre Mitglieder zu einem ganztägigen Warnstreik und zur Demonstration in Leipzig aufgerufen. Vielerorts gab es deswegen Unterrichtsausfall an den Schulen. Die Gewerkschaften wollen Druck machen auf die Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes. Die sind bislang in drei Verhandlungsrunden ohne Ergebnis geblieben. Die Warnstreiks in den Südost-Ländern bilden den Auftakt zu einer bundesweiten Welle von Arbeitsniederlegungen in dieser Woche.

Die Warnstreik-Aktionen von Lehrern werden in den nächsten Tagen ausgeweitet, kündigten die Gewerkschaften an. Foto: GEW
Jetzt geht es um die Altersversorung-  die Lehrer sind sauer. Foto: GEW

Ein Großteil der Demonstranten in Leipzig sind Lehrer. Sie stört vor allem, dass ihre betriebliche Altersvorsorge angetastet werden soll. «Das ist eine Sauerei», sagt Uli Riecker (51), Gymnasiallehrer für Sport und Geschichte aus Magdeburg. Viele Kundgebungsteilnehmer auf die Augustusplatz recken ein Stopp-Schild in die Höhe. «Hände weg von unserer Rente», steht darauf.

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Laut GEW haben die Arbeitgeber erklärt, dass sie erst dann ein Lohnangebot vorlegen wollen, wenn die Gewerkschaften bei der betrieblichen Altersvorsorge Entgegenkommen signalisieren. Für Manuela Jäger, Gymnasiallehrerin aus Zeitz in Sachsen-Anhalt, ein Unding. Dass ein Lohnangebot in Zusammenhang mit der Betriebsrente gestellt werde, sei Erpressung.

Dagegen hatte der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), nach der vergangenen Verhandlungsrunde erklärt: «Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Gewerkschaften die Betriebsrenten des öffentlichen Dienstes dazu benutzen, die Leute auf die Straße zu bringen.» Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter seien sich einig gewesen, dass bei den Betriebsrenten etwas getan werden müsse. Die Menschen würden Älter, die Zinsen sinken – das treffe die Betriebsrentenkassen.

Die Lehrer auf dem Augustusplatz treiben noch andere Fragen um. «Gerechtigkeit» ist das Wort, dass immer wieder fällt. Es sei ungerecht, dass angestellte Lehrer – von denen es in Ostdeutschland besonders viele gibt – anders bezahlt werden als ihre verbeamteten Kollegen. Martina Schröter aus Zittau macht sich zudem Sorgen um die Zukunft. Es müssten viel mehr junge Lehrer eingestellt werden, sagt sie. Dass Sachsen inzwischen mehr Lehrer ausbilde, sei schön und gut. «Aber die bleiben alle nicht da. In die Provinz will niemand.»

Die Tarifverhandlungen sollen an diesem Samstag in Potsdam fortgesetzt werden. Die Gewerkschaften fordern 5,5 Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 175 Euro mehr. Azubis sollen 100 Euro mehr und eine Übernahmegarantie bekommen. Die angestellten Lehrer sollen zudem tariflich eingruppiert werden. Die Gespräche betreffen bundesweit rund 800 000 Angestellte der Länder außer Hessen, das nicht mehr Mitglied der TdL ist. Birgit Zimmermann

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