Tod und Trauer im Unterricht

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Der Tod ist ein natürlicher Bestandteil des Lebens. Unser Verständnis vom Tod, seiner Universalität und seiner Irreversibilität entwickelt sich jedoch erst mit der Zeit und mithilfe von Erfahrungen, welche wir machen. In vielen Elternhäusern werden die Themen Tod und Sterben tabuisiert. Doch Kinder sind neugierig und gerade durch die Weigerung der Eltern, sie behutsam an diese Thematik heranzuführen, entwickeln sie Ängste und Streckens-Bilder. Früher oder später wird jeder mit dem Tod konfrontiert. Deshalb ist es so wichtig, die Themen Tod und Trauer bereits im Grundschulunterricht zu behandeln, um einerseits die Neugier der Kinder zu befriedigen und sie andererseits schonend darauf vorzubereiten, dass auch sie sich irgendwann in ihrem Leben mit dem Tod eines geliebten Menschen auseinandersetzen müssen.

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Das Verständnis vom Tod ist ein Entwicklungsprozess

Das kindliche Verständnis vom Tod – Welche Todeskonzepte haben Kinder verschiedener Altersstufen?

In Hinblick auf ihre Erfahrungswerte und ihre Sozialisation können Kinder der gleichen Altersstufe ein ganz unterschiedliches Verständnis vom Tod haben. Die Einflussfaktoren diesbezüglich können vielseitig sein, etwa, wenn Kinder früh durch das Fernsehen mit dem Tod konfrontiert werden oder die Eltern vor dem Kind unbedacht über diese Thematik sprechen, so ein Beitrag des Religionspädagogischen Instituts Loccum. Die folgende Gliederung bietet also nur ein grobes Gerüst und der Einzelfall kann von diesen Kategorisierungen deutlich abweichen. Da sich auf die Thematisierung von Trauer und Tod im Grundschulunterricht beschränkt wird, sollen im Folgenden auch nur die Altersstufen von drei bis fünf und von fünf bis neun Jahren in Hinblick auf ihr Todeskonzept betrachtet werden. Vorher müssen allerdings noch die vier Dimensionen des Todes Beachtung finden, da viele neue Untersuchungen die Entwicklung des kindlichen Todesverständnisses durch die stufenweise Entdeckung dieser vier Dimensionen beschreiben. Diese sind:

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Die vier Dimensionen des Todes

  • Drei bis Fünfjährige und ihr Todeskonzept

In diesem Lebensabschnitt verbinden Kinder den Tod mit Bewegungslosigkeit oder dem Schlaf. Für sie ist der Tod ein zeitlich begrenzter Zustand, von dem sie oder Menschen in ihrer Umgebung jedoch nicht betroffen sind. Zudem ist der Tod reversibel in den Augen des Kindes und somit in der Regel noch nicht angstbesetzt. So erwarten Kinder dieses Alters beispielsweise nicht selten von ihren Eltern, dass diese das geliebte verstorbene Haustier wieder zurückbringen können. Der Tod des Haustieres ist oft der erste Berührungspunkt, den Kinder mit dieser Thematik haben. Ist es also ratsam, da sie in diesem Alter das Todeskonzept noch nicht fassen können, ihnen einfach zu erzählen, der Hund wäre weggelaufen oder der Vogel weggeflogen? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Der Artikel „Wenn das Tier stirbt“ rät in diesem Fall, dass Kind, wenn es dies möchte, Abschied von dem leblosen Körper nehmen zu lassen oder eine symbolische Beerdigung zu veranstalten. Eltern, die das Thema Tod tabuisieren, sorgen damit meist dafür, dass bei dem Kind, welches eigentlich unvoreingenommen an das Thema herantritt, Ängste geschürt werden.

  • Sechs bis Neunjährige und ihr Verhältnis zum Tod

Der Erfahrungsschatz von Kindern dieser Altersgruppe ist deutlich größer und bringt die Erkenntnis über weitere Merkmale des Todes, über die reine Nonfunktionalität hinaus, mit sich. Nun wird nicht nur ein hohes Alter mit dem Tod assoziiert, sondern auch Krankheiten oder Unfälle. Kinder dieses Alters stellen häufig Fragen nach den Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Nun ist der Tod schon mehr mit Ängsten behaftet, etwa, der, dass die eigenen Eltern sterben könnten. Doch viele Kinder meinen, sie selbst könnten dem Tod noch entkommen, wenn sie nur gut genug aufpassen. Die Universalität des Todes wird also oft noch nicht erkannt. Die Irreversibilität des Todes haben die meisten Kinder dieses Alters jedoch bereits verinnerlicht und häufig interessieren sie sich gerade dann für die makabren Details des Todes, malen Totenköpfe oder Särge. Gegen Ende dieser Altersstufe gerät dann das Interesse bezogen auf das, was nach dem Tod kommt, in den Vordergrund.

Welche Bedeutung hat die Thematisierung von Tod und Trauer im Grundschulunterricht?

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Tod und Trauer sollten im Unterricht thematisiert werden

Der Tod ist ein elementarer Bestandteil des Lebens. Früher oder später macht jedes Kind seine ganz eigenen Erfahrungen mit dieser Thematik – sei es der Tod des Haustieres, eines Großelternteils oder sogar der Tod eines Elternteils, Geschwisterkindes, Freundes oder Mitschülers. Auch über die Medien werden Kinder mit Tod und Trauer konfrontiert. Trotz dieser ständigen Konfrontationen wird das Thema Tod in vielen Elternhäusern tabuisiert oder die Kinder werden vom Trauerprozess ausgeschlossen. Da Tod und Trauer jedoch Bestandteil des Lebens und somit auch der Kindheit sind, ist es sinnvoll, dass die Grundschulen, welche den Kindern beim Entschlüsseln der Welt helfen sollen, auch dieses Themenfeld im Unterricht abdecken. Es ist wichtig, mit Kindern über den Tod zu sprechen, sie auf diesbezügliche Erfahrungen vorzubereiten und ihnen zu erklären, dass Trauerreaktionen normal und ein wichtiger Teil des Bewältigungsprozesses sind. In diesem Zusammenhang sollten auch anderweitige Verlusterfahrungen des Alltags, wie Trennungen der Eltern oder der Wegzug eines guten Freundes, welche Trauer auslösen, miteinbezogen werden.

Welche Anforderungen muss die Lehrkraft im Umgang mit diesen Themen erfüllen?

Lehrkräften kommt als Ansprechpartner bei Fragen rund um diese Thematik im Unterricht eine besonders wichtige Bedeutung zu. Die Schule ist ein Interaktions- und Unterstützungssystem für die Kinder. Da Tod und Trauer im Elternhaus häufig nicht zur Sprache kommen, ist es umso wichtiger, dass Lehrkräfte ihre Schüler bei der Auseinandersetzung mit diesen Themen unterstützen. In erster Linie sind dafür fundierte Kenntnisse über das kindliche Todesverständnis, die kindlichen Trauerreaktionen sowie Zeichen von Interesse oder Kummer nötig, wie einer PublikationDie Thematisierung von Tod und Trauer“ der Humboldt Universität Berlin zu entnehmen ist. Auch eine Reflexion über die eigenen Erlebnisse, Gefühle und Tabus ist ratsam und für die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Grenzen unabdingbar. Nach dem Psychologen John William Atkinson gibt es vier Regeln, die im Umgang mit Kindern bei der Thematisierung von Trauer und Tod zu beachten sind:

  • Sei ehrlich
  • Bringe Geduld auf, um genau zu verstehen, was das Kind eigentlich fragt oder sagt
  • Drücke dich so aus, dass das Kind das Gesagte versteht
  • Gestehe dem Kind das Recht zu, seine eigenen Auffassungen und Gefühle zu haben

Lehrkräfte sollten sich mit Unterrichtsmaterialien zum Thema Trauer und Tod auseinandersetzen und verschiedene Alltagssituationen nutzen, um Schüler langsam an die Thematik heranzuführen. Dabei kann es sich um eine vertrocknete Pflanze im Klassenraum, aber auch einfach den Wechsel der Jahreszeiten oder die Verabschiedung eines Mitschülers, welcher zum Beispiel eine Klasse wiederholen muss, handeln.

Wie reagieren Kinder auf einen Todesfall in ihrem näheren Umfeld?

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Wie trauert ein Kind?

Der Tod eines Familienangehörigen oder Freundes kann bei Grundschulkindern die gleichen Reaktionen auslösen wie bei Erwachsenen. Kinder drücken ihre Gefühle jedoch meist anders aus. So ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Kind, welches im einen Moment intensiv trauert und weint, im nächsten Augenblick schon wieder lachend herumtollt. Durch äußere Reize lassen sich Kinder schnell von ihrer Trauer ablenken, springen jedoch genauso schnell wieder hinein. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus der kindlichen Psyche. Durch diese ständigen Unterbrechungen des Trauerprozesses ist es möglich, dass sich die Trauerverarbeitung verzögert. Kinder dieses Alters haben zudem häufig Schuldgefühle und meinen, für den Tod der nahestehenden Person verantwortlich zu sein. Die Sehnsucht nach der verlorenen Person bringt sie nicht selten dazu, nach dieser zu suchen und dieses Gefühl des Verlustes wiederum erweckt in ihnen die Empfindung anders zu sein als die anderen Kinder. Oft isolieren sich Kinder während dieses Prozesses. Wut und Aggression treten genauso auf, wie mit betonter Fröhlichkeit überspielte Trauer. Gerade, wenn ein Elternteil verstorben ist, möchten sich die Kinder mit diesem identifizieren oder glorifizieren ihn verstärkt. So schwanken sie nicht selten zwischen der Realität und einer Fantasiewelt. Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Schlafstörungen und andere Symptome können auftreten.

Tod und Trauer – Welche Auswirkung haben sie auf die schulischen Leistungen?

Zwar erleben viele Kinder den Schulalltag während der Trauerphase als Entlastung, dennoch ist es nicht ungewöhnlich, wenn die schulischen Leistungen unter der traumatischen Erfahrung leiden. Gerade in der sensiblen Phase vor dem Übertritt in die weiterführende Schule ist dies häufig der Fall. Ein Sitzenbleiben sollte dennoch möglichst vermieden werden, da der Schüler sonst auch noch aus seinem gewohnten Klassenumfeld gerissen würde. Nachsichtigkeit und entgegengebrachtes Vertrauen der Lehrkräfte können in diesem Fall förderlich sein.

 

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sofawolf
9 Jahre zuvor

Wir behandeln das im Ethik-Unterricht der 4. Klasse z.B. Ich hatte erst neulich eine ganze Stunde dazu, ich meine, wir haben eine ganze Stunde nur alle von unseren Erfahrungen zum Thema Tod erzählt. Fast jeder konnte / wollte etwas erzählen und gespannt hörten sie auch meinen Erlebnissen zu. Hinterher sagten einige, das sei die „coolste Ethikstunde“ bisher gewesen.