Nobelpreis-Verkündung: Enttäuschung bei deutschen Physikern – Jubel in Großbritannien

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HANNOVER. Die Verkündung der Nobelpreisträger für Physik hat bei den versammelten Wissenschaftlern in Hannover für Enttäuschung gesorgt. In Hannover und Potsdam hatten sich Gravitationswellenforscher Chancen auf die Auszeichnung ausgerechnet. «Natürlich gibt es dafür einen Nobelpreis, da geht gar kein Weg dran vorbei, aber eben noch nicht in diesem Jahr», sagte Karsten Danzmann, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik, am Dienstag nach der Bekanntgabe der diesjährigen Preisträger, drei britischen Forschern für theoretische Arbeiten zum Zustand von Materie.

Grund für die Nichtberücksichtigung der deutschen Forscher sei, dass sie den Stichtag für die Nominierungen verpasst hätten. Erst im Februar hatten Wissenschaftler des Ligo-Observatoriums in den USA den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen verkündet, an deren Entdeckung die Physiker der Leibniz Universität Hannover sowie des Albert-Einstein-Instituts maßgeblich beteiligt waren. Gravitationswellen sind eine Vorhersage von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Ihre Entdeckung ein Jahrhundert nach Einsteins Prognose öffnet ein neues Beobachtungsfenster ins Universum und ist nach einhelliger Meinung von Experten einen Nobelpreis wert.

In diesem Jahr zeichnete die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm drei britische Forscher für theoretische Arbeiten zum Zustand von Materie mit dem Physik-Nobelpreis aus. Sie haben eine Tür zu exotischen Materiezuständen geöffnet: Dabei haben sie Konzepte aus einem Teilgebiet der Mathematik, der Topologie, verwendet, um neuartige Materialien zu beschreiben. Im Rahmen der Topologie untersucht man Eigenschaften, die sich nicht verändern, wenn man einen Körper verformt. Das Nobel-Komitee nannte als Beispiel einen Donut, der mathematisch zu einer Tasse mit Henkel umgeformt werden könne: Dabei bleibt ein Loch als grundlegende Eigenschaft erhalten, das als Griff der Tasse genutzt wird.

Michael Kosterlitz und David Thouless untersuchten Supraleitung in dünnen, einschichtigen Materialien. In Supraleitern kann Strom ohne Widerstand fließen. Die Forscher analysierten dabei die Rolle von – topologischen – Stromwirbeln in Supraleitern. Bei hohen Temperaturen schwimmen die Wirbel durcheinander und zerstören die Supraleitung. Bei tiefen Temperaturen, so fanden die Forscher, bilden sich Paare von gegenläufigen Wirbeln, die den Stromtransport ohne Widerstand möglich machen. «Zuvor dachte man nicht, dass Supraleitung auch in zweidimensionalen Materialien möglich ist», sagte Prof. Achim Rosch von der Universität Köln.

Thouless und Duncan Haldane konnten zeigen, dass topologische Eigenschaften in ganz unterschiedlichen Materialien eine Rolle spielen. Zum Beispiel bestimmten sie die Eigenschaften von Magneten, in denen Atome Ketten bilden, oder den Widerstand von Materialien bei hohen Magnetfeldern.

Der deutsche Physiker Klaus von Klitzing hatte in Experimenten entdeckt, dass Widerstand bei tiefen Temperaturen und hohen Magnetfeldern feste, topologisch geschützte Werte annehmen kann. Dieses Phänomen kann genutzt werden, um Widerstände mit extrem hoher Präzision zu messen. Auch bei der weiteren Erforschung von Supraleitung oder beim Bau von zukünftigen Quantencomputern spielt die Topologie eine wichtige Rolle. News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: Nach Jahrhundert-Messung von Einsteins Gravitationswellen: Deutsche Physiker denken groß (sogar an den Nobelpreis)

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