KIEL. Wenn Studenten in Schleswig-Holstein Seminaren und Vorlesungen fernbleiben, bleibt das für sie zumindest disziplinarisch folgenlos. So hatte es die Landesregierung Ende letzten Jahres beschlossen. Von Seiten der Hochschulen regt sich daran Kritik, denn die müssten mehr Prüfungen durchführen. Zudem sei die Anwendung moderner Lehrmethoden ohne Präsenzpflicht erschwert.
Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz hat eine Wiedereinführung der Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen in Schleswig-Holstein gefordert. «Wenn in den Seminaren keiner da ist, dann müssen wir die Studenten prüfen», sagte der Kieler Fachhochschul-Präsident Udo Beer. Dies habe in der Praxis zu einer deutlich höheren Zahl an Prüfungen geführt.
Ende vergangenen Jahres hatten SPD, Grüne und SSW mit ihrer Hochschulreform den Wegfall der Präsenzpflicht für Studenten an Universitäten und Fachhochschulen beschlossen. Für moderne Lehrkonzepte sei das Recht zum Fehlen aber problematisch, sagte Beer. «Uns kommt es darauf an, dass die Studenten etwas sehen und begreifen.» Dann müsse dieses Wissen auch nicht in Klausuren abgefragt werden. Der Wegfall der Präsenzpflicht sei kontraproduktiv.
Beer hält auch andere Normen der Hochschulreform wie beispielsweise den mit ihr eingeführten großen Senat für überprüfungswürdig. «Unsere Studenten haben bei der letzten Gremienwahl nur 8 von 16 ihnen zustehenden Plätzen für den großen Senat besetzt», sagte Beer. «Was der Gesetzgeber sich in diesem Bereich vorgestellt hat, geht ein bisschen an der Hochschulwirklichkeit vorbei.» Laut Wissenschaftsministerin Kristin Alheit (SPD) sollte die Reform auch die Stellung der Studenten an den Hochschulen stärken.
Alheit will in der kommenden Woche im Landtag eine Regierungserklärung zur Wissenschaftspolitik abgeben. Die Ressortchefin erhält von der Landesrektorenkonferenz gute Noten. «Sie war in den vergangenen 20 Jahren die einzige Ministerin, die für eine Erhöhung der Grundhaushalte der Universitäten und Fachhochschulen gesorgt hat», sagte Beer. Für die Zeit nach 2020 haben die Hochschulen im Land 55 Millionen Euro mehr zur Verfügung. «Insofern können wir wenig Schlechtes über sie berichten.»
Der Betreuungsgrad an den Fachhochschulen müsse dringend verbessert werden, sagte Beer. Nach der vorläufig letzten Erhebung liege der Norden mit 34 Studenten je Professor auf dem letzten Platz aller Bundesländer. Notwendig sei wenigstens eine Steigerung auf gut 25 Studenten je Professor, was dem Bundesschnitt entsprechen würde. Die schleswig-holsteinischen Universitäten im Land befänden sich bereits im Bereich des Durchschnitts.
Beer wünscht sich von der künftigen Landesregierung vor allem mehr Autonomie für die Hochschulen. «Noch gibt es im Norden zu viele bürokratische Hürden», sagte er. Beispielsweise gebe es von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) erst zögerlich Zusagen für Stellen, die im kommenden Jahr geschaffen werden sollen. «Dabei wissen die Hochschulen jetzt schon, welchen Personalbedarf sie 2018 und 2019 haben werden», sagte Beer und fügte hinzu: «Insgesamt sehe ich den vordringlichen Handlungsbedarf aber mehr in weichen Kriterien wie der Hochschulautonomie als in Geld.» (dpa)