Kretschmann plädiert auf der Didacta für Besonnenheit statt Hektik bei der Digitalisierung

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STUTTGART. Während  der von Bildungsministerin Wanka angestoßene Digitalpakt#D noch zwischen Bund und Ländern verhandelt wird, stellen sich bereits die Landkreise und Kommunen auf und mahnen mit den Folgekosten nicht allein gelassen zu werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann lehnt derzeit entsprechende Gespräche ab. Die Modernisierung des Bildungswesens könne nur mit den Schulträgern gelingen, betont indes Didacta-Präsident Wassilios Fthenakis und mit den Familien.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich gegen Druck aus den Kommunen bei der Finanzierung der Digitalisierung an Schulen verwahrt. Zunächst müsse man das Angebot des Bundes dafür abwarten, sagte er auf der Bildungsmesse Didacta in Stuttgart. «Erst wenn wir das wissen, werden wir mit den kommunalen Landesverbänden Gespräche darüber aufnehmen, wer sich darüber hinaus in welchem Umfang beteiligt.» Er empfehle Besonnenheit statt Hektik.

Verbittet sich Druck der Kommunen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann. Foto: Bündnis 90 / Die Grünen / flickr (CC BY-SA 2.0)
Verbittet sich Druck der Kommunen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann. Foto: Bündnis 90 / Die Grünen / flickr (CC BY-SA 2.0)

Kretschmann erinnerte an die Arbeitsteilung, nach der das Land den Anschluss von Schulen ans schnelle Internet fast vollständig finanziere. Die Anschlüsse in den Klassenzimmern zu installieren, sei Aufgabe der kommunalen Schulträger.

Städtetagspräsident Dieter Salomon (Grüne) verwies auf die enormen Kosten der Digitalisierung. Da müssten Wände für die Netze in der Schule aufgebrochen werden und Umbauten erfolgen. «Das können die Kommunen nicht alleine schultern», sagte der Freiburger Oberbürgermeister. Gleiches gelte für die Schulbaumodernisierung, bei der der Sanierungsstau drei bis vier Milliarden Euro betrage.

Nach Plänen von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sollen alle 40 000 Schulen in Deutschland innerhalb von fünf Jahren mit IT-Infrastruktur für insgesamt fünf Milliarden Euro ausgerüstet werden. Kretschmann warnte den Bund, «mit dem goldenen Zügel lieber selbst Bildungspolitik [zu] machen». Er stehe voll hinter dem Kooperationsverbot, das dem Bund untersagt, in die Länder hineinzuregieren. «Als Sargträger des Föderalismus werde ich auch in Zukunft nicht zu haben sein.»

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Auch Didacta-Präsident Wassilios Fthenakis unterstrich beim Kongress der Kommunalen Landesverbände die Schlüsselrolle der Schulträger. Alle Anstrengungen könnten nicht fruchten, wenn nicht die kommunale Ebene – Schulämter, Gemeinden, Stadt- und Landkreise – einbezogen sei in die Modernisierung des Bildungswesens. Auch die Familien sollten stärker als Lernorte verstanden werden. Die Forschung zeige, dass sie zur Bildung der Kinder doppelt so viel wie das Schulsystem beitrügen.

Digitalisierung sei die historisch größte Herausforderung für das Bildungssystem. Dabei dürfe die digitale nicht die analoge Welt ersetzen, beide müssten optimal verbunden werden, sagte der Pädagoge und Anthropologe. Auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) betonte: «Die analoge Welt verliert nicht ihren Wert.» Kinder müssten noch immer sinnliche Erfahrungen sammeln können. Für Internet & Co müssten Lehrer und Erzieher zu Profis aus- und fortgebildet werden. Wichtig sei aber auch: «Die Technik folgt der Pädagogik – nicht umgekehrt.» Fthenakis betonte, Kinder dürften in diesem Bereich nicht kompetenter als ihre Lehrer seien.

Kretschmann betonte, Schüler sollten nicht nur Konsumenten der neuen Medien sein, sondern auch wissen, wie digitale Geräte programmiert würden. Der frühere Kultusminister und SPD-Fraktionschef, Andreas Stoch, kritisierte, die von Grün-Schwarz geplante Streichung von mehr als 1000 Lehrerstellen 2018 passe nicht zu den Bekenntnissen zum digitalen Wandel. Der Bildungsexperte der CDU-Fraktion, Karl-Wilhem Röhm, bestritt das; unter dem Strich stehe ein Plus von 90 Stellen. (dpa)

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