Eisenmanns Notlösung gegen drohenden Lehrermangel: Kollegen sollen länger im Schuldienst bleiben

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STUTTGART. Die Pensionierungswelle der geburtenstarken Lehrerjahrgänge droht über dem Kopf von Baden-Württembergs Schulministerin Susanne Eisenmann zusammenzuschlagen. In den nächsten Jahren zeichnet sich besonders bei  Grundschullehrern und Sonderpädagogen eine Lücke zwischen Bedarf und Angebot ab. Nun will Eisenmann unter anderem Lehrer dazu bewegen, ihren Ruhestand hinauszuschieben. Ein Gesamtkonzept will sie erst noch vorlegen, aber schon jetzt kommt Kritik an der ihren Ideen auf.

Wegen Lehrermangel will Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) angehende Pensionäre länger an Schulen halten. «Wir haben in Baden-Württemberg die besondere Entwicklung, dass in den nächsten drei, vier Jahren eine immense Zahl von Pensionierungen zu erwarten ist», sagte sie «Heilbronner Stimme» und «Mannheimer Morgen» (Freitag). Über das Pensionierungsalter verbleibende Lehrer sollen finanziellen Ausgleich erhalten. Dies sei nur eine mögliche Idee für ein Gesamtkonzept, das sie noch vor der Sommerpause vorlegen wolle. Weitere Option sei die Anstellung von Seiteneinsteigern insbesondere für Mangelfächer.

Pension und Einstand in einem? Der drohende Lehrermangel zwingt die Schulpolitik zu kreativen Lösungen. Vorausschauende Planung sieht anders aus. Foto: Monterey Public Library / flickr (CC BY 2.0)
Pension und Einstand in einem? Der drohende Lehrermangel zwingt die Schulpolitik zu kreativen Lösungen. Vorausschauende Planung sieht anders aus. Foto: Monterey Public Library / flickr (CC BY 2.0)

Aus Sicht der Lehrergewerkschaft GEW wäre der Versuch, Pensionäre zu halten, eine Notlösung, von der man nicht zu viel erwarten dürfe. Schon dem Appell an Pensionäre, bei der Beschulung von Flüchtlingskindern auszuhelfen, seien nicht genügend gefolgt. «Noch wichtiger erscheint uns, dass die Landesregierung eine attraktive Einstellungspolitik macht», sagte der Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Bildung (GEW), Matthias Schneider. Dass weiter Stellen gestrichen würden, schrecke potenzielle Lehramtsstudenten ebenso ab wie die Absenkung der Eingangsbesoldung.

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Nach Ministeriumsangaben werden in diesem Jahr 633 Stellen gestrichen, im darauf folgenden Jahr 440, 2019 rund 200 und 2020 noch 60 Stellen. Diesen 2016 gestarteten Abbaupfad habe man von Grün-Rot «geerbt». Man habe im Oktober 2015 rund 30 000 Pensionäre angeschrieben, um Flüchtlingskinder zu unterrichten; derzeit seien 322 im Einsatz. Unter der Pensionierungswelle leiden laut Ministerium insbesondere Grundschulen und die Sonderpädagogik.

GEW-Landeschefin Doro Moritz äußerte sich verwundert: «Warum dauert es so lange, um einen Aufbaustudiengang Sonderpädagogik für Hauptschul-Lehrkräfte einzurichten, warum braucht man einen 1er-Schnitt im Abitur, um Grundschullehramt zu studieren?» Das Starren auf die Schuldenbremse habe den Blick der Landesregierung auf den Bedarf in den Klassenzimmern vernebelt.

PISA-Chef Andreas Schleicher fordert bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer – und mehr Anerkennung

Die Ministerin will Lehrern laut dem Blatt zudem anbieten, dass sie für einige Jahre freiwillig mehr Unterrichtsstunden übernehmen und anschließend eine Ermäßigung bekommen. Derzeit sind 1000 Stellen nicht mit einer regulären Kraft besetzt, sondern mit Pädagogen, die vorzeitig aus Beurlaubungen oder von Elternzeit zurückgekehrt sind. Eisenmann: «Auch wenn nicht in diesem Maße Unterricht ausfällt, ist hier ein Mangel, den ich verwalten muss.»

Die GEW pocht auch auf bessere Arbeitsbedingungen. Denn: «Obwohl sie erhebliche Einbußen hinnehmen müssen, gehen immer noch viele Lehrkräfte aus Frust und Überforderung vor Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand», sagte Moritz. (dpa)

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17 Kommentare
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sofawolf
7 Jahre zuvor

Naja, das würde ja vielleicht sogar klappen (Kollegen dazu zu motivieren), wenn denn die Arbeitsbedingungen entsprechend wären.

Sie sind aber so, dass viele eher in Teilzeit, Frühpensionierung und Dauerkrankschreibung ihre „Rettung“ suchen.

mississippi
7 Jahre zuvor

Also, mit mir können sie nicht rechnen. Schon bis zum Alter von 67 Jahren zu arbeiten strebe ich ehrlich gesagt nicht an. Und dass sich von 30000 Pensionären nur ca 350 in der Flüchtlingshilfe engagieren kann ich auch noch nachvollziehen.

Eberhart
7 Jahre zuvor

Ihre Ideen „Jetzt mehr arbeiten und später dafür weniger“ und „die Pensionäre wieder an die Schule holen“ können die da oben sich sonst wo hinstecken. Nicht mit mir. Wenn ich den Sack voll habe sage ich „Tschüss. Ab jetzt könnt ihr mich mal“

sofawolf
7 Jahre zuvor

@ Missis. und Eberhard,

naja, aber das liegt doch wohl an den Arbeitsbedingungen, oder?

Eberhart
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Ich arbeite nicht als Lehrer weil es das Beste ist was ich mir vorstellen kann, sondern weil es das am wenigsten-schlechte ist was ich finden konnte. Ich wüsste bessere Dinge die ich mit meiner Freizeit anfangen würde, wenn ich nicht jeden fast jeden Tag zur Schule daddeln müsste

sofawolf
7 Jahre zuvor
Antwortet  Eberhart

Erinnert mich an den Spruch:

„Wer nichts weiß und wer nichts kann, fängt bei … und … an.“

😉

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Hast du einen faulen Sohn,
schicke ihn zu Robotron.

Wer nix ist und wer nix kann,
geht zur Post und Bundesbahn.

sofawolf
7 Jahre zuvor

ZITAT: „Dass weiter Stellen gestrichen würden, schrecke potenzielle Lehramtsstudenten ebenso ab wie die Absenkung der Eingangsbesoldung.“

Wird damit A 13 für alle finanziert?

sofawolf
7 Jahre zuvor

ZITAT: „Die GEW pocht auch auf bessere Arbeitsbedingungen. Denn: «Obwohl sie erhebliche Einbußen hinnehmen müssen, gehen immer noch viele Lehrkräfte aus Frust und Überforderung vor Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand», sagte Moritz. (dpa)“

Na endlich mal!

sofawolf
7 Jahre zuvor

@ Eberhard,

naja, Ihre Ehrlichkeit in allen Ehren, allerdings sind Sie dann nicht gerade der Typ Lehrer, den ich unseren Kindern wünsche und für den ich „kämpfe“.

dickebank
7 Jahre zuvor

Was mich ausnahmsweise am meisten freut, ist, dass Tarifbeschäftigte tatsächlich am Tag des Erreichens der Altersgrenze gehen können. Sie haben zwar keinen Anspruch mehr auf Altersteilzeit mehr, da diesen der TV-L nicht vorsieht, aber es gilt nicht die Regelung bis zum Ende des Schuljahres arbeiten zu müssen, in dem man die Altersgrenze errecht hat bzw. die Altersteilzeit anfängt.

Damit kommt so richtig Sand ins Getriebe. Ein Tarifbeschäftigter muss dann bis zum letzten Tag mit vollem Deputat in der Unterrichtsverteilung berücksichtigt werden und am nächsten Tag ersetzt werden.

Aber scheuen wir ‚mal, wann der Gesetzgeber die Pensionsgrenze hochsetzt und bei der zunehmenden Anzahl von Tarifbeschäftigten die Bestimmungen für den Beginn des Rentnerlebens verändert.

ysnp
7 Jahre zuvor

Mit den Pensionären machen sich die Regierungen viele Illusionen. Auch wer seinen Beruf – rein von den Aufgaben her – gerne gemacht hat, ist froh, dass er wenigstens die Lebensjahre, die ihm bleiben, noch stressfrei erleben kann, sofern nicht die Folgen des anstrengenden Dienstes voll zuschlagen und er krank wird. Viele Lehrer sterben früh bzw. werden krank, gerade die, die unter ständigem Stress litten. Vom Stress erholt man sich im Alter immer schlechter. Besser wäre es, wenn die Ministerien sich einmal überlegen würden, wo sie ihren Lehrern Stressmomente nehmen könnten. Das wäre z.B. sich als wirkliche Chefbehörde schützend vor ihr Personal zu stellen um hier die richtige Signalwirkung nach außen zu zeigen, Stress durch Aufgabenreduzierung abzubauen, kleinere Klassen zu schaffen und nicht nur versprechen, Unterstützungssysteme ausbauen und die Lehrer aller Schularten finanziell gleich zu behandeln.
Wer will sich heute all diesen Stressmomenten – und Lehrer haben wissenschaftlich erwiesen einen der höchsten Stresslevel im Vergleich zu anderen Berufen – die von ganz unterschiedlichen Aspekten auf die Lehrer einwirken noch aussetzen? Am wenigsten die Pensionäre, die das ihr ganzes Berufsleben irgendwie managen mussten. Liebe Politiker, gehen Sie mal an die Schulen und lassen Sie sich nicht blenden von dem, was man Ihnen präsentiert – da sind die wenigsten, die sich profilieren wollen, ehrlich – sondern schauen Sie einmal hinter die Kulissen.

sofawolf
7 Jahre zuvor

ZITAT: „Besser wäre es, wenn die Ministerien sich einmal überlegen würden, wo sie ihren Lehrern Stressmomente nehmen könnten. Das wäre z.B. sich als wirkliche Chefbehörde schützend vor ihr Personal zu stellen um hier die richtige Signalwirkung nach außen zu zeigen, Stress durch Aufgabenreduzierung abzubauen, kleinere Klassen zu schaffen und nicht nur versprechen, Unterstützungssysteme ausbauen …“

Mein Reden!

Insbesondere nach dem Fall des Musiklehrers P. Parusel fühle ich mich rechtlich total verunsichert. Man tut etwas, was laut Gerichtsurteil (ggf. anderswo) erlaubt ist und wird dann doch von einem Gericht genau dafür (andernorts) verurteilt. Welche rechtlichen Bestimmungen haben also überhaupt noch Bestand?

Palim
7 Jahre zuvor

Abgeschriebener Notbehelf.
Auch andere Bundesländer haben schon längst solche „Programme“ aufgelegt, um irgendwie dem Lehrermangel entgegen zu treten (siehe z.B. 17-Punkte-Aktionsplan zur Lehrkräftegewinnung in Niedersachsen)

Dass die Notlage in wenigen Jahren überstanden sei, ist Augenwischerei.
Es war absehbar, dass viele KollegInnen in diesen Jahren pensoniert werden. Schon vor Jahren hätte man die Weichen stellen müssen, damit genügend Nachwuchs schon jetzt fertig ausgebildet und in den Schulen eingesetzt ist, um einen fließenden Übergang zu gewährleisten.

Dass die Umsetzung von Inklusion Stellen sparen würde, hat vorher noch nicht einmal auf dem Papier gestimmt. Unter derzeitigen Bedingungen fliegt uns die Inklusion in wenigen Jahren um die Ohren!

Die zusätzlichen SuS durch Migration waren vielleicht nicht vorhersehbar, dennoch wäre es einfacher zu handhaben, wenn im System ausreichend zusätzliche Stunden für Förderung etc. enthalten gewesen wären, aber die wurden schon vor Jahren gestrichen, um die Statistik der Unterrichtsversorgung zu schönen.

Versprechen zu geben, dass Lehrerstellen geschaffen würden, und Studienplätze jetzt zu erhöhen, wird in den nächsten Jahren an der Unterrichtsversorung nichts retten können.
Ob es mittelfristig hilft, ist fraglich, solange die Arbeitsbedingungen in Schulen schlecht sind und immer schlechter werden: extreme Belastung, Überlastung im Unterricht durch Inklusion und Heterogenität ohen zusätzliche personelle Ressourcen oder Unterstützungssysteme, zusätzliche Aufgabenerhöhung durch vielfältige außerunterrichtliche Anforderungen, die auf Schulen abgewälzt werden und mit denen Lehrkräfte allein gelassen werden, Anfeindungen von Lehrkräften, denen seitens der Politik Beifall geklatscht wird, keine gerechte Entlohnung… ein Anforderungsprofil, das die Wenigsten locken wird einen an sich wundervollen Beruf zu ergreifen.

Palim
7 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ach ja, ich unterstütze ysnps Appell:
„Liebe Politiker, gehen Sie mal an die Schulen und lassen Sie sich nicht blenden von dem, was man Ihnen präsentiert – da sind die wenigsten, die sich profilieren wollen, ehrlich – sondern schauen Sie einmal hinter die Kulissen.“
Setzen Sie sich mit in den Unterricht und ins Lehrerzimmer und begleiten Sie eine Lehrkraft wenigstens für einen Tag bei ihrem Alltag. Verzichten Sie auf Podiumsdiskussion oder Veranstaltung im Rahmen Ihres Besuchs, sondern seien Sie Beobachter und helfende Hand bei dem, was jeden Tag in Schulen passiert. Und wenn Sie schon überlegen, an welcher Schule das möglich sein könnte, sparen Sie bitte die finanziell gut situierten Schulen und finanzielle wie personell unterstützten Musterprojekte aus.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Sie können Lehrerstellen ohne Ende im Haushalt verankern, Sie bekommen deshalb keinen einzigen Lehrer mehr. Das Schaffen einer Planstelle ist noch nicht gleichzusetzen mit der Besetzung durch einem geeigneten Kandidaten. Zur Zeit ist der Unterschied zwischen geeignet und ungeeignet noch nicht einmal entscheident, es gibt schlich zu wenige Kandidaten. Ohne Schaffung zusätzlicher Stellen, schaffen es die Länder ja derzeit schon nicht die planmäßig durch Eintritt in die beantragte und genehmigte Altersteilzeit sowie reguläre Pensionierung freiwerdenden Stellen zu besetzen.

Wenn‘ heftig brennt, nützen Ihnen auch mehr Pumpen und Schläuche nichts. Sie brauchen ausgebildete Leute, die diese Gerätschaften anwenden können. Nur im Gegensatz zum Brandschutz, der sich durch eine Pflichtfeuerwehr sicherstellen lässt, lassen sich fehlende Fachkräfte im Bereich Bildung und Erziehung nicht zwangsweise verpflichten.

sofawolf
7 Jahre zuvor

@ Palim,

diesmal kann ich auch Ihnen (weitestgehend) zustimmen, wenn Sie schreiben: „… extreme Belastung, Überlastung im Unterricht durch Inklusion und Heterogenität ohen zusätzliche personelle Ressourcen oder Unterstützungssysteme, zusätzliche Aufgabenerhöhung durch vielfältige außerunterrichtliche Anforderungen, die auf Schulen abgewälzt werden und mit denen Lehrkräfte allein gelassen werden, Anfeindungen von Lehrkräften, denen seitens der Politik Beifall geklatscht wird, […]… ein Anforderungsprofil, das die Wenigsten locken wird einen an sich wundervollen Beruf zu ergreifen.“

Ich hoffe, dass die bald mal umdenken!