Will Niedersachsen das Aussterben der Förderschule lediglich hinauszögern?

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HANNOVER. Die niedersächsische Landesregierung plant, dass in den nächsten Jahren die Kommunen als Schulträger entscheiden sollen, ob die Förderschulen für Lernbehinderte bestehen bleiben. FDP und Grüne finden das falsch. Sie sprechen von einer «Verlängerung des Aussterbens».

Individuelle Förderung ist nur möglich, wenn der Lehrer die Stärken und Schwächen seiner Schüler genau kennt. (Foto: RUBIN/Marion Nelle)
Stillstand oder wohl überlegte Schulpolitik? Das ist hier die Frage.                                            Foto: RUBIN/Marion Nelle

Die Kommunen als Schulträger sollen künftig darüber entscheiden können, ob Förderschulen für lernbehinderte Kinder ab Klasse 5 noch mehrere Jahre weiterlaufen sollen oder nicht. So sieht es ein neues Schulgesetz vor, dass die rot-schwarze Landesregierung in Niedersachsen rasch durch den Landtag bringen will. Vertreter von SPD und CDU halten die Regelung für einen gelungenen Kompromiss. Die Opposition wirft der Landesregierung dagegen vor, die Inklusion zu verzögern – und die Verantwortung an die Gemeinden zu delegieren.

Vor der Landtagswahl war das Thema Bildung zwischen SPD und CDU heiß umkämpft. Besonders die Positionen zur Inklusion lagen weit auseinander: Die CDU plädierte für eine einjährige Pause – die SPD wollte an ihrem 2013 beschrittenen Weg festhalten, die Förderschulen für Lernen langsam auslaufen zu lassen.

Im Koalitionspapier einigte man sich auf einen Kompromiss: In Zukunft sollen die Kommunen bei Bedarf beantragen können, dass die Förderschule Lernen in der Sekundarstufe noch bis zum Beginn des Schuljahres 2022/23 Schüler der Klasse 5 aufnehmen darf. Mit der Neuregelung erhält dieser Schultyp noch einmal mehrere Jahre Aufschub. So sollen die allgemeinbildenden Schulen mehr Zeit bekommen, sich auf die Aufnahme von Kindern mit Lern-Förderbedarf einzustellen.

Praxisorientierte Schulpolitik

«Jedes Kind in Niedersachsen, das inklusiv beschult werden möchte, wird inklusiv beschult. Daran ändert auch diese Gesetzesvorlage nichts», betonte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) gestern im Landtag. Sein Parteikollege Stefan Politze ergänzte: «Das ist keine Atempause, das ist kein Ausstieg, sondern praxisorientierte Schulpolitik, und dafür brauchen wir auch ein schnelles Verfahren, damit die Schulträger bereits zum kommenden Schuljahr Klarheit haben.»

Der FDP-Bildungsexperte Björn Försterling sprach dagegen von einer «Verlängerung des Aussterbens der Förderschule Lernen». Der Schulgesetzentwurf stelle eben keine landesweite Entscheidung dar, den Fortbestand der Förderschule Lernen für fünf Jahre zu verlängern. «Stattdessen delegiert man die Verantwortung auf die Schulträger, weil sich CDU und SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht einigen konnten.» Entscheide sich ein Schulträger gegen die Verlängerung einer bestehenden Förderschule, dann werde diese schließen – auch wenn die CDU im Wahlkampf versprochen hatte, die Förderschulen zu erhalten.

Auch die grüne Schulexpertin Julia Willie Hamburg rügte den Gesetzesentwurf: «Ihr erster Aufschlag ist eine Vollbremsung bei voller Fahrt.» Die Inklusion werde damit torpediert, neue Probleme geschaffen.

Auch GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth kritisierte den Entwurf. «Es ist keine Lösung, die Umsetzung der inklusiven Schule zu verzögern. Statt Doppelstrukturen, die Personal und finanzielle Mittel binden, brauchen wir die konsequente Umsetzung der Inklusion». dpa

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