Ist Höcke ein Nazi? AfD-Landeschef Kalbitz nennt kritischen Schüler „verblendet“

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POTSDAM. Schüler fordern Politiker heraus: Vor der Landtagswahl in Brandenburg diskutieren mit Spitzenkandidaten der Parteien – und bringen sie in Erklärungsnot. AfD-Spitzenkandidat Kalbitz vergreift sich im Ton.

Auch modisch scheint sich AfD-Landeschef Andreas Kalbitz an den 30-er Jahren zu orientieren. Foto: Professusductus / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Brandenburgs AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz hat einem Schüler in einer Diskussionsrunde Verblendung vorgeworfen. Der AfD-Landesvorsitzende antwortete am Montag auf die Frage eines Jugendlichen, was er von Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke halte, der nach Ansicht des Schülers «ziemlich offen ein Nazi» sei: «Tut mir leid, dass Sie da so verblendet sind durch die Dauerrotlichtbestrahlung, die Sie medial an der Schule bekommen.» Am 1. September wird ein neuer Landtag gewählt, Brandenburg wird derzeit rot-rot regiert.

Höcke sei «kein Nazi», sondern stehe «fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung», sagte Kalbitz. Höcke ist Gründer des rechtsnationalen «Flügels» in der AfD, zu dem auch Kalbitz gezählt wird und der für den Verfassungschutz als „Verdachtsfall“ gilt (siehe Beitrag unten).

Kalbitz beleidigt Klimaaktivistin Greta Thunberg

Der Brandenburger AfD-Chef bezeichnete zudem die Klimaaktivistin Greta Thunberg als «zopfgesichtiges Mondgesicht-Mädchen». Zum Schutz der heimischen Insekten und Vögel will Kalbitz keine Windräder mehr fördern. Eine Schülerin entgegnete ihm, durch Glasscheiben kämen deutlich mehr Vögel ums Leben als durch Windräder.

Fünf Schüler debattierten in Potsdam mit den Spitzenkandidaten der bisher im Brandenburger Landtag vertretenen Parteien (SPD, Linke, CDU, AfD und Grüne). Die Politiker vertraten dabei die Pro-Meinung zu einem von ihnen selbstgewählten Thema, je ein Jugendlicher nahm die Gegenposition ein. Die Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren sind frühere Landessieger des Bundeswettbewerbs «Jugend debattiert».

«Wir retten in der Lausitz nicht die Welt und auch nicht Klimaziele», entgegnete ein Schüler auf die Forderung von Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher, früher als vorgesehen aus der Braunkohle auszusteigen. Strukturwandel brauche Zeit. «Wir haben diese Zeit nicht mehr», entgegnete Nonnemacher. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stellte sich dem Thema Ausbau erneuerbarer Energien. Eine Schülerin erinnerte daran, dass ein Konzept nötig sei, damit die Strompreise nicht steigen.

Auf Zensuren verzichten? Schülerin: Das ist keine Lösung

Auch bei den Debatten über Bildungsthemen hatten die Schülerinnen schnell Argumente parat: Ein Schulstarterpaket für jeden Erstklässer – wie von CDU-Landeschef Ingo Senftleben gefordert – löse das Problem der Bildungsgerechtigkeit nicht. Es sei reine «Symbolpolitik», sagte eine Schülerin. Auf den Vorschlag von Linksfraktionsvizechefin Kathrin Dannenberg, das bisherige Notensystem abzuschaffen, sagte eine Schülerin, schriftliche Rückmeldungen statt Noten seien keine Lösung für das Bildungsproblem. Lehrer hätten dann noch weniger Zeit für ihre Schüler.

Durch ihre konkreten Nachfragen und Argumente brachten die Jugendlichen die Spitzenkandidaten mehr als einmal in Erklärungsnot. Zwölf Minuten dauerten die Debatten jeweils, ein Zeitrichter achtete auf die Einhaltung der Redezeit, an die sich die Schüler konsequent hielten – die Politiker nicht immer. dpa

Was der Verfassungsschutz zu Höcke und Co meint

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat den AfD-„Flügel“ zum „Verdachtsfall“ erklärt. Zur Begründung heißt es:

„Hinsichtlich der Sammlungsbewegung der AfD ‚Der Flügel‘ um den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke liegen dem BfV stark verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei ihr um eine extremistische Bestrebung handelt. Das durch den ‚Flügel‘ propagierte Politikkonzept ist primär auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen, und politisch Andersdenkenden gerichtet. Es verletzt alle Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die Menschenwürdegarantie sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip. Die Relativierung des historischen Nationalsozialismus ist zudem prägend für die Aussagen der ‚Flügel‘-Vertreter.

Gibt gerne den Einpeitscher: AfD-Funktionär Björn Höcke. Foto: Metropolico.org / flickr (CC BY-SA 2.0)
Gibt gerne den Einpeitscher: AfD-Funktionär Björn Höcke. Foto: Metropolico.org / flickr (CC BY-SA 2.0)

Der Fortbestand eines organisch-einheitlichen Volkes wird vom ‚Flügel‘ als höchster Wert angesehen. Der einzelne Deutsche wird nur als Träger des Deutschtums wertgeschätzt. ‚Kulturfremde‘ Nicht-Deutsche gelten als nicht integrierbar. Ihnen soll eine Bleibeperspektive konsequent verwehrt werden. Ziel des ‚Flügels‘ ist ein ethnisch homogenes Volk, welches keiner ‚Vermischung‘ ausgesetzt sein soll.

Dies wird durch flüchtlings- und muslimfeindliche Positionen untermauert. Die Staatsbürgerschaft von muslimischen Deutschen wird in Frage gestellt. Ihnen drohen bei konsequenter Umsetzung der ‚Flügel‘-Positionen Massenabschiebungen. Mittels einer aggressiven Wortwahl wird die von Migranten ausgehende Kriminalität krass überzeichnet. Befürworter einer liberalen Migrationspolitik werden zudem massiv entwürdigend beschimpft. Ihre politische Haltung wird etwa mit einer Geisteskrankheit gleichgesetzt.

‚Flügel‘-Vertreter wenden sich auch gegen das Demokratie- und das Rechtstaatsprinzip. Demokratische Entscheidungen werden nur akzeptiert, wenn diese zu einer Regierungsübernahme durch die AfD führen. Im Falle des Scheiterns der AfD gelte: ‚Danach kommt nur noch: Helm auf.‘

Einzelne Mitglieder des ‚Flügels‘ weisen nach Informationen des BfV zudem Bezüge zu bereits als extremistisch eingestuften Organisationen auf.“

Quelle: www.verfassungsschutz.de/de/aktuelles/zur-sache/zs-2019-002-fachinformation-zu-teilorganisationen-der-partei-alternative-fuer-deutschland-afd

„Lehrer denken sozialistisch“: AfD will die Schulen auf Parteilinie bringen – und erhöht dafür den Druck („Auge um Auge“)

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8 Kommentare
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xxx
4 Jahre zuvor

Zusammenfassung: Die Schüler waren allesamt besser vorbereitet und argumentativ besser als alle anwesenden Politiker.

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ja, so sehe ich das auch. Ein Lob für die Schüler!

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

…. und ein Armutszeugnis für alle Politiker. Das hätte in dem Artikel aber ausgewogener dargestellt werden können bzw. sollen.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ausfallend ist offenbar nur einer in der Runde geworden – was gibt’s da „ausgewogener“ darzustellen?

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Das meine ich nicht. Die Schüler diskutierten mit fünf Politikern aus fünf Parteien. Alle fünf wurden gleichermaßen zerlegt, aber die Hälfte des Artikels befasste sich mit einem Politiker, die andere Hälfte mit den vier anderen. _Das_ ist nicht ausgewogen. Außerdem wird der falschen Partei damit wieder die größte Aufmerksamkeit zuteil.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Die Antworten des ehemaligen Vorsitzenden des rechtextremistischen Vereins „Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit (2010-2015)“ des Herrn Andreas Kalbitz waren auf Grund seiner völkisch-nationalen Gesinnung voraussehbar, und so ließ er es sich nicht nehmen, Greta Thunberg als zopfgesichtiges Mondgesicht-Mädchen zu verunglimpfen.
Wie leicht es doch Schülern gelingt, den wahren Charakter von Extremisten aus deren geistigen Niederungen zu bergen, offen darzustellen und zugleich die hohe sittliche Qualität der politischen Bildung der Schulen in öffentlichen Veranstaltungen abzubilden.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor

Die einleitende rhetorische Frage wird durch Gesamtkonzept beantwortet, in dem sie gestellt wurde, denn mit seinen Bemerkungen zu einem „Ethnozid am deutschen Volk“ durch eine seinerseits erklärte bewusste Einwanderungspolitik „der Regierenden“ um „das deutsche Volk“ durch Zuwanderer zu ersetzen, steht seine Rhetorik der eines Josef Göbbels um nichts nach.
Und somit wird dieser völkisch-nationale Flügel ebenso überwacht, wie diese staatliche Aufmerksamkeit auf die Junge Alternative gerichtet wird, da sich beide im ständigen Austausch mit noch radikaleren politischen Gruppen befinden, Schnittmengen mit diesen bilden und danach streben unser demokratisches System auszuhöhlen und zu vernichten.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor

„Die einleitemde rhetorische Frage wird durch den Gesamtkontext des Artikels beantwortet“, sollte es heißen.