Dubiose Methode begünstigt Missbrauch in Kitas – zwei Bundesländer ziehen die Reißleine

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BERLIN. Die Bundesländer Berlin und Brandenburg haben ihren Kitas die pädagogische Methode „Original Play“ verboten. Nicht nur die Herkunft des Konzeptes ist dubios. Die Methode, die seit einigen Jahren nicht nur in Deutschland angewendet wird, soll sogar den Missbrauch von Kindern begünstigen. „Wie ist es möglich, dass eine ‚Methode‘ mit so einem zweifelhaften, womöglich sogar strafbaren Hintergrund (Verdacht des Titelmissbrauchs) in zahlreichen Erziehungsstätten unhinterfragt eingesetzt wird?“, so fragt der Wissenschaftssachverständige Stefan Weber.

 

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Original Play ist in Deutschland in die Kritik geraten, nachdem es im vergangenen Jahr Missbrauchswürfe im Zusammenhang mit einer evangelischen Kita in Berlin gegeben hatte. Dort war die Spielmethode, die engen Körperkontakt zwischen Erwachsenen und Kindern einschließt, angewendet worden.

„Original Play“ ist ein Konzept, das Kindern angeblich helfen soll, instinktiv zu spielen und dabei friedlich Freude und Vertrauen zum Ausdruck zu bringen – statt ums Gewinnen zu kämpfen. Es wurde von dem US-amerikansichen Geographen Fred O. Donaldson entwickelt. Er unterscheidet Original Play als ursprüngliches Spiel, in dem Erwachsene sich Kindern anpassen, von „Cultural Play“, das Kindern beigebracht werde, um sie an die Kultur der Erwachsenen anzupassen. Dass bei der Vermittlung von Original Play  fremde Erwachsene mit Kindern herumbalgen, stößt zunehmend auf Kritik. Die Struktur der „International Foundation for Original Play“, die das Konzept vertreibt, wird laut „Wikipedia“ als sektenähnlich beschrieben. Donaldson selbst steht in der Kritik, weil es keine wissenschaftliche Grundlage für sein Konzept geben soll.

Kitas, Vorschulen und Schulen sollen mit „Original Play“ arbeiten

„O. Fred Donaldson ist ‚Erfinder‘ von ‚Original Play‘, einer Art Körperkontakt-Ritual, bei dem sich (Klein-)Kinder mit Erwachsenen animalisch, das heißt wie kleine Tiere verhalten und sich austoben können“, schreibt der Plagiatsgutachter Doz. Dr. Stefan Weber auf seinem „Blog für wissenschaftliche Redlichkeit“. Zahlreiche, vor allem evangelische Kindertagesstätten etwa in Deutschland, Montessori-Schulen und viele andere vorschulische und schulische Institutionen arbeiteten mit Original Play.

Weber: „Zahllose Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit boten in den vergangenen Jahren ‚Original Play‘ und Donaldson eine unkritische Plattform. Offenbar hat niemanden interessiert, ob die Methode überhaupt wissenschaftlich fundiert ist und ob die Angaben des ‚Erfinders‘ von ‚Original Play‘ der Wahrheit entsprechen.“ Weiter führt er aus: „O. Fred Donaldson wird in zahlreichen Webquellen als ehemaliger amerikanischer Universitätsprofessor für Psychologie bezeichnet. Eine erste Spurensuche hat ergeben: Herr Donaldson war nie Universitätsprofessor, noch ist er Psychologe.“

So wird „Original Play“ auf der Seite der Organisation dargestellt. Screenshot

Die Berliner Linken-Abgeordnete Katrin Seidel kritisierte nun, es sei ihr völlig unverständlich, dass solche Angebote zum Einsatz kämen. Original Play verbieten zu wollen, sei aber das Eine. Genauso wichtig seien kritische Eltern, der sichere Blick der Fachkräfte und ein verbindliches Verfahren, an wen sich Eltern und Träger wenden könnten.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erklärte, sie habe umgehend Konsequenzen gezogen. «Meine Verwaltung hat gestern ein definitives Verbot ausgesprochen», sagte Scheeres. In ihrem Schreiben von Mittwoch unter anderem an die Träger der Tageseinrichtungen für Kinder im Land Berlin heißt es, die Anwendung der Methode sei im Rahmen des präventiven Kinderschutzes zu unterlassen. «Nach derzeitigem Stand ist nicht auszuschließen, dass es bei der Anwendung zu Grenzüberschreitungen bzw. Grenzverletzungen sowie zu Gefährdungen kommt.» Ähnlich bewertet das Bildungsministerium in Brandenburg Original Play: «Das Ministerium nimmt die aktuelle Debatte zum Anlass, mit einem Schreiben alle Träger zu informieren, dass die Methode in den Kindertagesstätten des Landes nicht angewendet werden darf», hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung.

„Wir haben mit unserer Kita-Aufsicht sofort reagiert“

Scheeres sprach im Abgeordnetenhaus den Fall in der Berliner Kindertagesstätte an, bei dem es nach einer Anzeige staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegeben hatte, die allerdings eingestellt wurden. «Wir haben mit unser Kita-Aufsicht sofort reagiert, da fackeln wir überhaupt nicht», sagte Scheeres. «Es sind auch Konsequenzen gezogen worden bezüglich dieser Einrichtung, nämlich dass die Kitaleitung ausgetauscht wurde, die Kita wurde kurzzeitig geschlossen, ein anderes Team wurde installiert.» News4teachers / mit Material der dpa

Im Wortlaut

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz erklärt zu den Missbrauchsvorwürfen im Zusammenhang mit „Original Play“ in einer von ihr getragenen Berliner Kita:

„Uns ist wichtig, dass Kinder in unseren Kindertagesstätten einen sicheren Raum haben, in dem sie sich gut entwickeln können. Wir nehmen alle Anfragen ernst und gehen ihnen zum Wohl der uns anvertrauten Kinder nach. Das haben wir auch im Fall der erhobenen Vorwürfe getan.

Die Kindertagesstätte hatte 2014 das Model des Circle of Original Play in sein pädagogisches Konzept aufgenommen. Die Eltern der Kita waren umfassend informiert und beteiligt. Die Spieltage wurden den Eltern über den Wochenplan mitgeteilt. Eine Anwesenheit von Eltern war jederzeit möglich und erwünscht. Selbstverständlich konnten alle Eltern einer Teilnahme ihres Kindes am Original Play widersprechen.

Der Evangelische Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord hat erst zum 01.01.2017 die Trägerschaft für die Kita in Kreuzberg übernommen. Der Kirchenkreisverband hatte dann entschieden, dass das Spiel ab Mai 2018 nicht mehr gespielt wurde. Das Spiel wird zudem in keiner Kindertagesstätte dieses Kitaverbandes gespielt. Ob andere Träger von evangelischen Kindertageseinrichtungen Original Play aufgenommen haben, ist uns nicht bekannt.

Original Play wurde seit 2014 in der Kita angewende

Es gab insgesamt zwei Veranstaltungen mit Gästen (November 2016 und September 2017): Eine der Veranstaltungen war explizit an die Eltern gerichtet. Die Veranstaltung war von Elternseite gut besucht. Sie haben die Praxis des Original Play erleben können und im Anschluss mit Fred Donaldson und den Teilnehmern das Wahrgenommenen besprochen und Fragen gestellt. Die zweite Veranstaltung fand an einem Vormittag statt. Auch diese war den Eltern bekanntgegeben. Auch hier waren sie eingeladen, teilzunehmen. Von beiden Veranstaltungen erhielten die Eltern Texte und Fotos.

Verdachtsfälle sind nur in der einen Kindertagesstätte angezeigt worden. 2018 äußerten Eltern schwere Tatvorwürfe. Für solche Situationen gibt es in den evangelischen Kindertagesstätten ein festgeschriebenes geregeltes Vorgehen. Es werden sofort Gespräche geführt mit den Eltern und den betroffenen Mitarbeitenden, diese werden umgehend freigestellt solange die Situation nicht geklärt ist. Der Träger nimmt Kontakt mit der Kitaaufsicht auf und arbeitet aktiv und eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen. In vorliegendem Fall haben die Eltern Anzeige erstattet. Wenn in einem uns bekannt werdenden Verdachtsfall noch keine polizeilichen/staatsanwaltlichen Ermittlungen eingeleitet sind, so werden alle Fälle von uns zur Anzeige gebracht.

Die Staatsanwaltschaft und Polizei sind den Verdachtsvorwürfen in der Kita mit Nachdruck nachgegangen. Der Verdacht hat sich nach umfangreichen Ermittlungen nicht bestätigt. Deshalb wurden im Dezember 2018 alle Verfahren eingestellt. Im August 2018 fand ein Neuanfang mit einem neuen Kitateam im Interesse der Kinder und ihren Familien statt.“

Quelle: https://www.ekbo.de/service/hilfe-bei-missbrauch-und-missbrauchsverdacht/erklaerung-zu-kontraste.html

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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