ANSBACH. Der Fachkräftemangel bei Lehrern ist groß und gerade bei Schulleitungen gibt es großen Bedarf. Vor allem die Privatschulen tun sich mit offenen Stellen schwer. Eine Realschule in Mittelfranken ist nun einen ungewöhnlichen Weg gegangen und könnte Nachahmer finden.
In der Lehrküche kochen alle gemeinsam ein Süppchen, doch am Ende rollt ein Ball im Direktorenzimmer ins Leere: Knapp zwei Minuten ist das Video lang, mit dem Schüler und Lehrer der katholischen Realschule im mittelfränkischen Schillingsfürst nach einer neuen Schulleitung suchen (News4teachers berichtete). Gewünscht werde jemand, der «Feuer und Flamme dafür ist, mit einer kleinen, familiären und christlichen Schulgemeinschaft zu arbeiten», heißt es in dem Film, der auf der Videoplattform Youtube zu sehen ist. Es ist eine ungewöhnliche Bewerbersuche – aber eine, die Nachahmer finden könnte: Denn gerade auf dem Land wird es für Privatschulen zunehmend schwieriger, offene Stellen zu besetzen.
Das hat drei Hauptgründe: Es gibt generell wenige Lehrer auf dem Markt, die Entlohnung ist in den Privatschulen etwas geringer, und auch unter Lehrern gilt der ländliche Raum offenbar als unattraktiv. Bei der Schulleitersuche kommt erschwerend hinzu, dass diese Funktion nicht mehr so gefragt ist wie früher.
Auch an staatlichen Schulen scheint das Interesse an einer Schulleiteraufgabe spürbar nachgelassen zu haben. Davon berichten Rektoren, Konrektoren und Lehrer verschiedener Schulen hinter vorgehaltener Hand. «Immer weniger Kollegen sind bereit, für unbedeutend mehr Gehalt deutlich mehr Arbeit und Verantwortung zu übernehmen», lautet die einhellige Aussage.
Unterstützt wird diese These von einer Studie der Strategieberatung Boston Consulting Group, die im September veröffentlich wurde. Demnach wollen in Deutschland überhaupt nur sieben Prozent der Menschen eine Führungsaufgabe übernehmen. Der Grund: Die Führungsarbeit wird heute als schwerer empfunden, Führungskräfte fühlen sich gestresster und überarbeiteter.
Für die bayerische Staatsregierung scheint sich die Lage noch entspannt darzustellen. «Insgesamt ist festzustellen, dass die Schulleiterstellen an den staatlichen Schulen in Bayern regulär besetzt sind oder im Falle einer Vakanz schnell nachbesetzt werden können», sagt der Sprecher des bayerischen Kultusministeriums, Daniel Otto. «Frei werdende Schulleiterstellen aufgrund von Ruhestandsversetzungen oder Wechseln in andere Funktionsstellen werden rechtzeitig ausgeschrieben, so dass eine kontinuierliche Besetzung der Schulleitung gewährleistet ist.»
Nach seinen Worten waren in der Vergangenheit jährlich etwa 10 bis 15 Prozent der staatlichen Schulleiterposten an bayerischen Gymnasien neu zu besetzen, bei den Realschulen 8 bis 12 Prozent. Aktuell haben alle Gymnasien einen Leiter oder eine Leiterin, bei den Realschulen ist ein Prozent der Posten unbesetzt. Zum Vergleich: Von den 170 Schulen, die beispielsweise zum katholischen Schulwerk in Bayern gehören, sind derzeit 3,5 Prozent ohne Leiter.
Während rund 92 Prozent der über 113 000 staatlichen Lehrer in Bayern nach den jüngsten Daten von 2018 verbeamtet sind, ist die große Mehrheit bei den privaten Schulen angestellt. Beim katholischen Schulwerk beispielsweise haben nur zehn Prozent den Status eines Kirchenbeamten und sind somit den staatlichen Beamten gleichgestellt.
Zwar verdienen die angestellten Lehrer auf den ersten Blick annähernd dasselbe wie ein verbeamteter Kollege, doch dann kommt die sogenannte «Nettolücke». Denn im Gegensatz zu den Beamten haben die angestellten Lehrer deutlich mehr Abzüge. Hinzu kommen die Unterschiede zwischen Pension und Rente. Zudem, so das Ergebnis einer Studie zum Einkommensunterschied zwischen angestellten und verbeamteten Lehrern aus dem Jahr 2018, lockt gerade die Arbeitsplatzgarantie auf Lebenszeit Lehrer an staatliche Schulen.
«Momentan ist der Lehrermarkt in Bayern leergefegt, fast alle Lehrer werden vom Freistaat übernommen», sagt eine Vertrauenslehrerin, die nicht genannt werden möchte. «Obwohl die privaten Schulen einen guten Ruf genießen, entscheiden sich nur Menschen, die sehr bewusst eine christliche Schule als Arbeitgeber bevorzugen oder vom Staat eine sehr unlukrative Stelle angeboten bekommen, für eine Privatschule ohne staatliche Anreize.»
Auch in Schillingsfürst hatte sich niemand auf die zunächst interne Ausschreibung im Bistum Bamberg beworben; die Erzdiözese ist Träger der reformpädagogischen Einrichtung mit rund 180 Schülern und 20 Lehrkräften. So entstand letztlich die Idee mit dem Video: Eine Kamera begleitet die Kinder durch ihr Schulhaus. Mit handgeschriebenen Zetteln werben die Schüler dabei für ihre Edith-Stein-Realschule: «Unsere Schule ist idyllisch» werden etwa die Bilder aus dem laubbedeckten Schulgarten untertitelt.
Am Ende des Videos rollt ein Fußball durch die Gänge direkt in das Büro der Schulleitung. «Wir spielen uns den Ball zu», steht nun auf den Zetteln. «Helfen Sie uns, unseren Ball am Rollen zu halten. Werden Sie unsere neue Schulleitung!» Die Initiatoren hoffen, dass ab Februar, spätestens aber zum nächsten Schuljahr, jemand Neues auf dem Chefsessel sitzt. (Mathias Neigenfind, dpa)
Soooo süß! Realschule sucht ihre neue Schulleitung per Youtube-Video