Fehlender Respekt stellt besondere Anforderungen an die Psyche von Lehrern – sonst droht ein „Teufelskreis des Zynismus“

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KÖLN. Der Lehrerberuf erfordert ein hohes Maß an psychischer Stabilität. Auch gesellschaftlich wird Lehrern immer weniger Respekt entgegen gebracht. Von den Betroffenen erfordert das ein aktives Gegensteuern, denn die Erfahrung respektloser Behandlung und eine daraus folgende zynische Weltsicht können sich selbst verstärken – und in einen Teufelskreis münden. Das haben Forscher nun mit aufwändigen Studien belegt.

Immer öfter sind Lehrer offenbar Angriffen ausgesetzt. Foto: gagilas /flickr (CC BY-SA 2.0)
Lehrer sind immer öfter mit Beleidigungen konfrontiert. Foto: gagilas /flickr (CC BY-SA 2.0)

Offener Respekt ist nicht gerade die häufigste Erfahrung von Lehrern im Schulalltag. Auch das gesellschaftliche Bild von „den Lehrern“ hat in den letzten Jahren enorm gelitten, wie unlängst eine Studie aufzeigte: Die Konrad-Adenauer-Stiftung hatte das Ansehen von Berufsgruppen in der Gesellschaft untersuchen lassen. Das Ergebnis war aus Lehrersicht erschütternd: Lehrer finden sich in der Rangliste auf dem vierten Platz – von unten. Keine andere Berufsgruppe hat nach Ansicht der Bürger so viel an Respekt verloren (News4teachers berichtete).

Diese Entwicklung ist nicht ohne Gefahren – und sie stellt besondere Anforderung an die psychische Stärke der Kolleginnen und Kollegen. Respektlos behandelt zu werden, trägt laut neuen Studienergebnissen zur Entwicklung eines zynischen Menschenbildes bei. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, von anderen respektlos behandelt zu werden.

Respektlose Behandlung zu erfahren, kann laut den Ergebnissen der Studie von internationalen Wissenschaftlern zur Entwicklung eines zynischen Menschenbildes führen. Dieses trägt wiederum dazu bei, dass Menschen weitere respektlose Behandlung durch andere erfahren und sich auch selbst respektlos gegenüber anderen verhalten. Durch aufwendige Querschnitt-, Längsschnitt- und experimentelle Studien belegten der Sozialpsychologe Daniel Ehlebracht vom Kölner Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS), Olga Stavrova von der Tilburg University und Kathleen D. Vohs von der University of Minnesota, dass erlebte Respektlosigkeit und Zynismus einen Teufelskreis bilden.

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Die Forscherinnen und Forscher nutzten für ihre Untersuchungen verschiedene Methoden: Der kausale Effekt von erlebter Respektlosigkeit auf Zynismus sowie im umgekehrten Fall, also von Zynismus auf erlebte Respektlosigkeit, konnte in insgesamt fünf experimentellen Studien mit 1.149 Teilnehmenden und einer Tagebuch-Studie mit 462 Teilnehmenden belegt werden. Eine Querschnittuntersuchung von Daten des European Social Survey (ESS) mit repräsentativen Bevölkerungsstichproben europäischer Länder (insgesamt 53.333 befragte Personen) belegte einen deutlichen Zusammenhang zwischen erlebter Respektlosigkeit und Zynismus in 28 von 29 Ländern. Eine Längsschnittuntersuchung von Daten der US-amerikanischen Health and Retirement Study (HRS) mit insgesamt 19.922 befragten Personen zeigte, dass einerseits erlebte Respektlosigkeit die Entwicklung von Zynismus über einen Zeitraum von vier Jahren begünsgtigte und andererseits ein zynisches Menschbild auch das zukünftige Erleben von Respektlosigkeit wahrscheinlicher machte.

Daniel Ehlebracht sagt: „Wenn Menschen von anderen respektlos behandelt werden, dann tendieren sie häufig dazu, ihre negativen Erfahrungen zu generalisieren und andere Menschen unberechtigterweise ganz allgemein für unmoralisch, unfair und egoistisch zu halten. Ein solchermaßen verzerrtes Menschenbild kann jedoch dazu führen, dass man paradoxerweise erneute schlechte Erfahrungen mit Mitmenschen provoziert und auch selber dazu neigt, andere schlecht zu behandeln.“

Laut Ehlebracht können die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler so auch einen Beitrag dazu leisten, zu verstehen, wieso in vielen Gesellschaften Zynismus und Respektlosigkeit gegenüber Mitmenschen auf dem Vormarsch sind. (zab, pm)

Die Veröffentlichung ist in einer Vorabversion online verfügbar und wird demnächst im „Journal of Experimental Psychology: General“ erscheinen.

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6 Kommentare
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rfalio
4 Jahre zuvor

Manchmal kommt die Respektlosigkeit auch von den vorgesetzten Dienststellen. (grins)
Da erstellen nämlich meist Juristen die Vorgaben; Zahlen, Statistiken und Evaluationen ersetzen gesunden Menschenverstand.
Da kannst du ja nur noch zynisch werden.
rfalio

omg
4 Jahre zuvor

Den im Bildungssystem tätigen wird nun ja auch immer das Gefühl vermittelt, ein wandelndes Defizit zu sein. Und das dann auch öffentlich kommuniziert.
Der PISA Schock war die fehlende Fähigkeit der Schule und der Lehrkräfte geschuldet, die Aufgabe zu meistern.
Die Inklusion holpert ja auch nur deshalb, weil die Lehrkräfte angeblich die Haltung nicht haben usw.
Dass vieles an dem angeblichen Systemversagen daran liegt, dass nicht erfüllbare Erwartungen an ein teilweise schlecht ausgestattetes System gestellt werden, wird öffentlich nicht angesprochen – was dann auch zu dem Traumbild der unter Palmen liegenden Lehrkraft entstehen lässt.
Statt dessen überschlagen sich Bildungspolitiker in Superlativen – die sich allesamt als heiße Luft herausstellen.

Pälzer
4 Jahre zuvor

Meine Neffen und Nichten besuchten drei Jahre norwegische Schulen. Sie erzählen, dass das mit dem fehlenden Respekt auch in Norwegen normal sei, allerdings gingen die norwegischen Lehrer damit anders um: sie erwarten gar keinen Respekt, sondern bestärken die Schüler darin, „ihre Meinung zu sagen“, geben so gute Noten, dass sie keinen Ärger bekommen, und nehmen den Unterricht locker – Arbeitsauftrag vergeben, Schüler machen lassen, sich einen Kaffee holen gehen. Schule wird gemütlicher, allerdings kommt nicht viel raus.

Thorsten
4 Jahre zuvor

Ich finde es immer wieder faszinierend, mit welch unbedarfter Selbstverständlichkeit bei diesem Thema die Verantwortlichkeit verschoben wird. So lesen wir in diesem Artikel von Lehrern, die – hier vernimmt man ein schweres Seufzen – einen Umgang mit der Respektlosigkeit ihrer Schüler finden müssen. Nun ist es aber entwicklungs- und sozialpsychologisch gesichertes Wissen, dass Kinder lernen, indem sie Verhaltensweisen und innerer Haltungen ihrer Bezugspersonen nachahmen. Schüler spiegeln ihren Lehrern also das zurück, was ihnen diese entgegen bringen: deren eigene Respektlosigkeit.
Wenn der schulische Lehrer also von seinen Schutzbefohlenen mehr Anerkennung wünscht, sollte er sofort damit beginnen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und sein Verhalten sowie seine Gesprächführung von jeder noch so feinen Destruktivität zu befreien. Das fällt den meisten Lehrkräfte schwer, weil sie in dieser Hinsicht keine Ausbildung erhalten haben. Sie wissen gar nicht, wie das geht. Auch haben Lehrer eine Ausbildung durchlaufen, in der es für sie diesbezüglich wenig Vorbilder gegeben haben dürfte. Das Referendariat bildet ja in der Regel eher ein Unterwerfungsritual ab, als dass es kommunikative, pädagogische und psychologische Grundkompetenzen vermittelt.
Halten wir aber nochmal das Wesentliche fest: Wir sind die Erwachsenen und die Kinder sind die Kinder. Nicht umgekehrt. Und deshalb sollten wir das Jammern beenden und wieder zum verantwortlichen Handeln zurückkehren.

Pälzer
4 Jahre zuvor
Antwortet  Thorsten

Ihr Rezept würde helfen in einer Welt, in der die Lehrer die primären und hauptsächlichen Bezugspersonen wären und alle sonstigen Verhaltensmustervorführungen schwächer wären: also in einer Welt ohne Serien, chatrooms und Musikszenen. Aber, das muss hier mal gesagt werden: die 1900er Jahre sind vorbei.

Hagen Mahlo
4 Jahre zuvor

Sie haben schon Recht. Der Vorbildcharakter. Und wie wir wissen. Lernen am Modell.