Schulleiter zeigt Abiturienten wegen kritischer Rede an –  Böhmermann schaltet sich ein

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PREROW. Ein Schüler sagt seine Meinung – erst nach dem Abitur, wenn diese Äußerungen auf das Abschlusszeugnis keine Konsequenzen mehr haben können. Aber die kurze Rede von Fiete Korn aus Prerow beim Abiball hat Folgen – womöglich auch für seine Berufswahl.

Viel Verständnis für die offene Rede: Satiriker Jan Böhmermann. Foto: Manfred Werner / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Das Abitur in Prerow ist bald sechs Wochen her. Aber seine kurze Rede auf der Abifeier, eine satirische «Danksagung» an den Direktor, bringt den 18-jährigen Fiete Korn ins Rampenlicht. Weil der Direktor dann noch Anzeige wegen übler Nachrede erstattet hat, wurden Medien aufmerksam. Seither erreichten ihn viele Anfragen, erzählt Korn. «Das ist sicher auch dem Sommerloch geschuldet, aber ich freue mich darüber.»

Auf eine Reaktion hat er besonders geachtet. Denn vom ZDF-Satiriker Jan Böhmermann kam das Angebot für ein «ausgedehntes Redaktionspraktikum in einer ZDF-Hauptprogramm-Satiresendung von/mit Dr. Jan „Gerald“ Böhmermann». «Ich werde das Angebot auf jeden Fall annehmen», sagte Korn am Montag. Im Winter werde es losgehen.

Schulleiter verlässt laut einem Medienbericht die Schule

So hat Korn mit der Rede auf der Feier seinem künftigen Berufsleben womöglich einen ordentlichen Kick verpasst. Eigentlich wollte er eine Ausbildung zum Tischler oder Kfz-Mechatroniker antreten und dann studieren. «Jetzt geht mein Interesse natürlich erstmal in Richtung Böhmermann und Medien.» Und verstanden hat er eines: «Je größer die Aufmerksamkeit ist, desto wahrscheinlicher sind Veränderungen.»

~~~~~~~ GUTSCHEIN ~~~~~~~

für Herrn FIETE KORN für ein

ausgedehntes
R E D A K T I O N S P R A K T I K U M

in einer ZDF-Hauptprogramm-Satiresendung von/mit Dr. Jan „Gerald“ Böhmermann

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(bitte ausschneiden und einsenden)https://t.co/AJpewEM7NY

— Jan Böhmermann🦠🤨 (@janboehm) August 16, 2020

Die scheinen notwendig zu sein. In seiner etwa zweiminütigen Rede am 11. Juli bedankte er sich beim Direktor für Schulverweise anderer Schüler, für Einschüchterungen oder das Überwachen von Schülern durch andere Schüler. Außerdem machte Korn auf die hohe Fluktuation in der Lehrerschaft aufmerksam.

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Vom Direktor selbst und der Träger-Gesellschaft war bis Montagnachmittag keine Stellungnahme zu erhalten. Allerdings berichtete die «Bild»-Zeitung, dass der Direktor die Schule verlasse. Im September oder Oktober werde ein «neuer, junger und stabiler Nachfolger» präsentiert, wurde der Geschäftsführer des Schulträgers Semper Bildungsakademie Dresden, Rüdiger Lorch, zitiert.

«Ich kann mir vorstellen, dass mit einem neuem Rektor alles besser aussehen wird», sagt Korn. Denn eines sei ihm wichtig: «Ich kritisiere nicht die Schule, sondern nur, wie der Direktor die Schule geführt hat.» Konzept, Lehrer und Lehrer-Schüler-Schlüssel seien gut.

Bildungsministerium: Muss sich fragen, was an dieser Schule los ist

Würde es sich um eine öffentliche Schule handeln, müsste eingeschritten werden, sagt ein Sprecher des Bildungsministeriums. «Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut, das an den Schulen nicht nur gelernt, sondern auch gelebt werden muss. Bei einem solchen Vorfall, muss man sich fragen, was an dieser Schule los ist.» Anders als bei öffentlichen Schulen seien freie Schulen aber selbst verantwortlich für ihr pädagogisches Konzept. Das Ministerium habe dann keine Fachaufsicht, sondern die Rechtsaufsicht.

«Wir haben von Schülern, Eltern und Lehrern gleichlautende Berichte über die inneren Zustände an der Schule gehört», sagt Prerows Bürgermeister René Roloff (parteilos). Allerdings gebe es dann immer den Hinweis «Halten Sie uns bloß raus, bitte keine Namen nennen.» Dass die Schule und ihr Träger schnell mit juristischen Schritten unterwegs seien, habe die Gemeinde schon öfters erlebt. So gebe es einen offenen Streit vor Gericht beispielsweise um hohe Mietrückstände.

Roloff macht klar, dass es nicht nur ein Schüler sei, der diese Meinung geäußert hat. «Man bekommt doch ernste Bedenken, wenn das von vielen Seiten bestätigt wird.» Dass der Träger nicht sofort eingeschritten sei, stoße bei ihm auf Unverständnis. Er berichtet von einer früheren Elterninitiative, die die Vorgänge aufgegriffen habe. «Am Ende hat die aufgegeben. Die Schüler wurden an andere Schulen geschickt.» Von Joachim Mangler, dpa

 

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6 Kommentare
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Georg
3 Jahre zuvor

Auf YouTube ist die „Rede“ abrufbar. Einerseits zeigt sie deutlichen Mut des Schülers, andererseits ist sie dem Anlass überhaupt nicht angemessen. Es ist überhaupt nicht klar, was tatsächlich an den Vorwürfen dran ist oder ob der Schüler mit dem möglicherweise „alten Stil“ des Schulleiters nicht klar kam. Die angebotene Praktikantenstelle durch Jan Böhmermann widerspricht letzterem zumindest nicht.

Die Schulleiterstelle ist übrigens ausgeschrieben, das Verhältnis zwischen Schulträger und Stadt u.a. aufgrund baulicher Mängel des Gebäudes zerrüttet.

Idee
3 Jahre zuvor

Schon erstaunlich, was alles öffentlich in den Medien berichtet und kommentiert wird. Damit hat der Schulleiter gewiss nicht gerechnet.

So wie ich das sehe, ist der Schulleiter (zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung) auf der Verliererseite. Egal was er macht. Der Schüler, der sich gegen einen Schulleiter auflehnt, David gegen Goliath, kann nur gewinnen.

Es wäre wohl das weiseste gewesen die Rede unkommentiert anzunehmen. Oder vor Ort in einer kleinen Absprache zu relativieren – es wird ja seine Gründe gehabt haben, warum der Schüler „seine Schwierigkeiten“ hatte.

GriasDi
3 Jahre zuvor

Zitat:
„Ein Schüler sagt seine Meinung“

Es kommt halt drauf an, ob er Fake-News dabei verbreitet oder nicht, ob die Inhalte der Wahrsheit entsprechen oder nicht. Grundsätzlich muss man sich als Schulleiter/In ja nicht alles gefallen lassen – zumindest wenn es nicht der Wahrheit entspricht.

Papa51
3 Jahre zuvor

Mir imponiert der Schüler mit seiner Rede auf der Abifeier überhaupt nicht. Mit solchen Auftritten wird meist das Rampenlicht und der Applaus für die eigene Person gesucht, was dem jungen Mann ja auch blendend gelungen ist.

lehrer002
3 Jahre zuvor
Antwortet  Papa51

Ja, ein selbstgefälliger Schüler, der vermutlich nicht gerade mit Leistungen glänzte und sich nun irgendwie profilieren will.

lehrer002
3 Jahre zuvor
Antwortet  lehrer002

Nichtsdestotrotz können seine Vorwürfe berechtigt sein und es sollte durchaus möglich sein, diese zu äußern, aber nicht in dieser definitiv unangemessenen Form.