CHEMNITZ. Frauen leiden psychisch stärker an der Pandemie als Männer. Wissenschaftler der TU Chemnitz fordern maßgeschneiderte Lösungen zur Unterstützung von Frauen, um die Folgen aufzufangen.
Die psychische Gesundheit von Frauen ist wesentlich stärker von der COVID-19-Pandemie betroffen als die psychische Gesundheit von Männern. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam der Technischen Universität Chemnitz unter der Leitung des Wirtschaftspsychologen Bertolt Meyer, dass die psychischen Effekte des Lockdowns untersucht hat.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Frauen deutlich stärker vom Lockdown und dessen psychischen Folgen betroffen waren als Männer – vor allem, wenn sie im Homeoffice arbeiten“, fasst Meyer zusammen. „Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass Autonomie im Beruf und eine Unterstützung durch die Partnerin oder den Partner die psychischen Auswirkungen der Pandemie abfedern konnten.“
Für die Studie befragten die Wissenschaftler im Zeitraum April bis Juni 2020 in drei Befragungswellen insgesamt 3.862 Personen zu psychischen Belastungen infolge des Lockdowns. Gezielt fragten sie auch persönliche Faktoren wie Geschlecht, Familien- und Paarsituation sowie Arbeit im Homeoffice ab. 2900 der Befragten waren Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer.
Zur Auswertung der Daten prüften die Forscher während der ersten Corona-Welle den Einfluss von sechs Faktoren auf die emotionale Erschöpfung der Befragten, da dieser eine „Kernfacette“ des Burnouts darstelle:
- Zeitverlauf der Pandemie
- Autonomie (in der Gestaltung der eigenen Arbeit)
- Arbeitsplatzunsicherheit
- Wahrgenommene soziale Unterstützung (am Arbeitsplatz und zu Hause)
- Arbeit-Privatsphäre/Privatheit-Arbeits-Konflikt
- Pandemie-spezifische Selbstwirksamkeit (Betrifft die Wahrnehmung, etwas Positives zur Pandemie-Bekämpfung beitragen zu können.)
Während alle Einflussfaktoren sich auf die durchschnittliche Erschöpfung auswirkten, hatten Autonomie und soziale Unterstützung zu Hause auch einen Einfluss auf den Verlauf der Erschöpfung über die Zeit. Der Anstieg der Erschöpfung im Verlauf der Pandemie fiel bei denjenigen Frauen weniger steil aus, die viel Autonomie und Unterstützung zu Hause erlebten, als bei denjenigen, bei denen es nicht so war.
Im Hinblick auf die psychische Gesundheit war das Vorhandensein von Vorschul- und Schulkindern im Haushalt in Kombination mit geschlossenen Schulen und Kitas verbunden mit einer Tätigkeit im Homeoffice ein wesentlicher Faktor. In diesem Fall stellten die Forschenden einen besonders starken Anstieg der Erschöpfung bei Frauen fest. Die Anzahl der Vorschul- und Schulkinder im Haushalt war dabei signifikant positiv mit der Erschöpfung verbunden.
Das Team schlussfolgert daraus, dass die Pandemie insbesondere für Frauen mit stärkeren psychischen Belastungen verbunden ist und dazu beitragen kann, traditionelle Geschlechterrollen zu verstärken. Sie empfehlen daher Regierungen und politischen Entscheidungsträgern bei Maßnahmen zur Milderung der psychischen Folgen der Pandemie speziell Frauen in den Blick zu nehmen. Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, eine Arbeitsgestaltung mit mehr Autonomie und egalitäre Ansätze zur Aufteilung der Lasten im Haushalt können solche Modelle sein. (pm)
• Die Studie „International Journal of Psychology“ erschienen.
Elternvertretung sieht die meisten Familien an der Belastungsgrenze
Mit egalitären Ansätzen zur Aufteilung der Lasten im Haushalt bin ich absolut einverstanden und sollte in halbwegs modernen Lebensgemeinschaften auch eine Selbstverständlichkeit sein.
Wie die Autoren eigentlich aus Heimunterricht für Schüler wegen Corona, fehlender Unterstützung der Frauen im Homeoffice aufgrund der Doppelbelastung Arbeit und Kinder zuhause und entsprechender Erschöpfung die Schaffung weiterer Fremdbetreuungsplätze folgern und fordern können, ist mir ein Rätsel. Ohne die Pandemie wären die Kinder in der Schule oder der KiTa, Homeoffice ist vorhanden oder auch nicht. Insbesondere wäre das Betreuungs- und Aufsichtsproblem dann nicht vorhanden und damit auch der laut Studie Hauptgrund für die Erschöpfung. Man könnte glatt meinen, dass die Autoren einen neuen Grund suchen, die Kinder ihren Eltern noch mehr, länger und früher wegzunehmen, um die Arbeitskraft der Eltern nutzbar zu machen.