STUTTGART. Wesentlich weniger umstritten als an den Schulen haben Universitäten und Hochschulen vor über einem Jahr auf Onlinelehre umgestellt und dieses Verfahren in der Regel konsequent beibehalten. Am Montag starten die meisten in ihr drittes Online-Semester. Ein Team der Universität Hohenheim hat Studentinnen und Studenten verschiedener Fachbereiche nach ihrer Meinung befragt.
Seit März oder April letzten Jahres lehren Professoren und Dozenten in Deutschland fast ausschließlich digital. Anders als an vielen Schulen ist die Digitalisierung an den Hochschulen dabei naturgemäß auf eine in der Regel ausgesprochen digitalaffine Zielgruppe gestoßen. Viele ohnehin langfristig angestoßene Entwicklungen sind nur massiv beschleunigt worden. Doch wie stehen die Studierenden zu den rasanten Entwicklungen? Gibt es vielleicht Unterschiede zwischen einzelnen Fachbereichen? Betrachten etwa Ingenieurswissenschaftler die Digitalisierung der Lehre als „nativ“, also als eine ständig gelebte Selbstverständlichkeit, während in anderen Fachbereichen an das Thema eher „naiv“, also relativ unerfahren, herangegangen wird?
Diesen Fragen sind Studierende der Universität Hohenheim in einem Projektseminar der Wirtschaftswissenschaftlerin Iris Pöschl nachgegangen. Unter Anpassung eines Verfahrens zur Messung von Kundenzufriedenheit befragten sie online knapp 1.800 Studierende. „Letztendlich verstehen wir Studierende als Konsumenten, die das Lehrangebot als Service nutzen.“, so Pöschl. Anhand von fünf Kriterien – Zuverlässigkeit, Leistungskompetenz, Rahmenbedingungen, Empathie, Erreichbarkeit – maßen sie die Zufriedenheit der universitären Kundschaft.
Die größte Rolle bei der Zufriedenheit mit der digitalen Lehre zu Corona-Zeiten spielt für Studentinnen und Studenten demnach die Lehrperson, erst danach kommt die Technik. Im Durchschnitt waren die Studierenden mit den harten Faktoren, wie Ausstattung sowie Qualität und Zuverlässigkeit der Technik eher zufrieden. Jedoch empfanden sie weiche Faktoren wie studierendenfreundliche Ausrichtung und Erreichbarkeit der Lehrenden fachbereichsübergreifend als ausbaufähig. Nicht überall seien also umfassende Investitionen in die Digitalisierung der Lehre an deutschen Hochschulen notwendig. Wichtiger sei den Befragten das Menschliche gewsesen; dass die Lehrpersonen ihnen mit mehr Empathie begegnen und die Erreichbarkeit in Corona-Zeiten verbesserten.
Hinsichtlich der technischen Aspekte zeigten sich allerdings einige Unterschiede zwischen verschiedenen Fachbereichen. Vor allem Geisteswissenschaftler waren mit der technischen Ausstattung ihrer Hochschule unzufrieden und bewerteten die Rahmenbedingungen der digitalen Lehre entsprechend weniger gut als beispielsweise Wirtschafts- und Agrarwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen. Diese empfanden die von den Lehrenden genutzten technischen Hilfsmittel überwiegend als zufriedenstellend. Zwar nutzten die Lehrenden zur Interaktiven Einbindung von Studierenden in allen Bereichen vielfältige Umfrage- und Abstimmungstools. Bei der professionellen Anwendung dieser digitalen Hilfsmittel nahmen einige Studierende aber Defizite wahr. Überdurchschnittlich professionell zeigten sich Dozentinnen und Dozenten der ingenieurswissenschaftlichen Fakultäten ebenso wie in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Doch auch in diesen Studiengängen erschien den meisten Teilnehmenden vor allem die Ton- und Bildqualität verbesserungsfähig, insbesondere bei Live-Übertragungen von Lehrveranstaltungen.
Die Betreuung der Studierenden erfolgte im Unterschied zur Lehre eher über herkömmliche Kommunikationsmittel wie Telefon und E-Mails. Diese beiden Kommunikationswege waren zusammen mit einem Messenger-Dienst die gängigsten Kommunikationskanäle, die über die Lehrveranstaltung hinaus auch für Absprachen untereinander genutzt wurden.
Iris Pöschl ist dieser Punkt besonders wichtig: „Gerade in Zeiten digitaler Lehre sollten Lehrende stets gut erreichbar sein, um auf Anfragen der Studierenden reagieren zu können“, so die Seminarleiterin. „In Zeiten von Präsenzlehre kann ich bei Bedarf direkt auf die Lehrperson zugehen, um offene Fragen zu klären. Momentan sind Studierende darauf angewiesen, dass entsprechende digitale Kommunikationskanäle geschaffen und gepflegt werden, die den direkten Kontakt zur Lehrperson ermöglichen.“
Wichtig für die Studierenden sei es auch, dass Lehrende insbesondere in der digitalen Lehre Einfühlungsvermögen zeigen. Regelmäßige Pausen in den Lehrveranstaltungen, aber auch ein angemessener Umfang der Lehrinhalte seien entscheidende Kriterien, damit Studierende die Lehrenden als empathisch wahrnähmen.
Defizite beklagen die Teilnehmenden der Umfrage, mit Ausnahme der Fachbereiche Mathematik / Naturwissenschaften häufig auch hinsichtlich der Motivation der Lehrenden und der Zuverlässigkeit des Lehrangebots. Dabei kritisierten die Befragten unter anderem die Bereitstellung der Unterlagen und die Verlässlichkeit der Terminankündigungen. In den geisteswissenschaftlichen Studiengängen gelang die pünktliche Bereitstellung der Unterlagen jedoch auch im Corona-Semester offenbar überdurchschnittlich gut. (zab, ots)
Nur jede fünfte Hochschul-Lehrkraft will nach Corona zurück zur reinen Präsenzlehre
Jetzt fängt schon das dritte Online-Semester an. Mir tun die Studierenden und Lehrenden echt leid! Das ist ganz hart für viele. Es gibt dementsprechend auch viele Studienabrecher. Sehr traurig!
Fazit:
“Nur die Lehrperson ist auch hier letztendlich entscheidend”!!!
Also nicht nur in der Schule (primar- und sekundarschulischer Bereich) – wo dies die sog. “Hattie- Studie” schon vor einigen Jahren nachwies und damit Furore machte – , sondern auch in der Lehre an der Hochschule/Universität!
Nur Nicht-Insider verwundert dieses Forschungsergebnis über den Hochschulunterricht.
Einfühlungsvermögen, Ansprechbarkeit, Empathie, also (Mit)menschlichkeit, machen eine wirklich gute Lehrperson aus – und führen zum bestmöglichen Lernerfolg.
Natürlich gehören Technik, Computer etc. heutzutage auch in den “Handwerkskasten” jeglicher Lehrerkraft.
Laufend aktualisierte Methoden- und Medienvielfalt sind selbstverständlich unabdingbar für die weitere Professionalisierung entsprechend der sich verändernden Erfordernisse der modernen Welt.
Erforderlich sind auch hier “lebenslanges Lernen”, “Learning by doing”,”Teach your teacher” und “Teach your colleague”. Sie führen zu den vielbeschworenen Synergieeffekten.
Die Pandemie zwingt sie nun alle, alle Lehrkräfte überall, zu schnellerer, beschleunigter Anpassung an neue Herausforderungen.
Doch die (Hoch)schullehrerInnen – als Menschen!!! – sind und bleiben immer entscheidend!
Eine Bestätigung von “Hattie” auch hier. Wie schön!
Beinhaltet dies doch auch eine glasklare, deutliche Absage an eine “rein technokratische schöne neue Computerwelt” im Bildungsbereich!