SPD-Fraktionschef Stoch schließt neuen Schul-Lockdown nicht aus – ohne Luftfilter

10

STUTTGART. Mitte September startet die Schule für rund 1,5 Millionen Schüler in Baden-Württemberg wieder. Der ehemalige Bildungsminister Andreas Stoch wirft der Landesregierung vor, nicht genug für ihre Sicherheit getan zu haben.

Bleibt er trotz des schlechten SPD-Abschneidens im Amt? Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch. Foto: SPD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg
War unter Grün-Rot Kultusminister in Baden-Württemberg: Andreas Stoch. Foto: SPD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg

Versäumnisse im Kampf gegen die Pandemie könnten aus Sicht der SPD erneut zur Schließung von Schulen führen. Drei Wochen vor Ferienende seien die Einrichtungen keinesfalls für den Herbst gewappnet, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch in Stuttgart. Selbst einen neuen Schul-Lockdown hält er für möglich.

«Wer heute Schulschließungen ausschließt, aber nichts dafür tut, Klassenzimmer sicherer zu machen, der macht den Leuten etwas vor!», so Stoch. Die grün-schwarze Landesregierung müsse die Klassenzimmer besser gegen eine steigende Zahl von Infektionen vorbereiten. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sieht das anders, er hat coronabedingten Schulschließungen nach den Herbstferien in einem Gespräch mit dem «Mannheimer Morgen» bereits eine Absage erteilt.

Vieles hätte die Landesregierung schon im März oder April, spätestens aber im Mai regeln müssen, sagte Stoch. Bis in den Juni hinein fehlten allerdings weitreichende Beschlüsse, um die Schulen auf den Herbst und Winter vorzubereiten. Viel zu spät habe sich Grün-Schwarz unter anderem entschieden, ein eigenes Programm für die Luftfilter aufzulegen. «Das Ergebnis: Die Schulen werden zum ersten Schultag des neuen Schuljahres noch nicht in der Lage sein, mehr Sicherheit anzubieten», sagte Stoch.

Allein in Baden-Württemberg gibt es 70 000 Klassenzimmer. Auch Elternvertreter und Lehrerverbände wollen möglichst viele mobile Raumluftreiniger noch während der Sommerferien installiert wissen. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) forderte Luftfilter mindestens in allen Klassenzimmern, die sich schlecht lüften lassen. «Aber wir sind mächtig durchgeimpft im Lehrerbereich», sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand. «Das Szenario geschlossener Schulen sehe ich nicht.» Brand warnte davor, «jetzt schon Panikmache mit Blick auf die Bundestagswahl zu betreiben».

Stoch warf Grün-Schwarz vor, ein weiteres Mal ins neue Schuljahr «zu stolpern». Unter anderem habe sie noch kein Mittel gegen die coronabedingten Lernrückstände gefunden. «Die Regierung hat ein mikroskopisch kleines Programm aufgelegt», sagte Stoch. «Da machen andere Staaten und Bundesländer deutlich mehr.» Die Niederlande investierten bei rund 17 Millionen Einwohnern 8 Milliarden Euro in ihr Bildungssystem, um die Folgen der Pandemie zu bekämpfen.

Schulämter und -leiter machten in Gesprächen zwar deutlich, dass die Corona-Zeit an vielen Schülerinnen und Schülern ohne größere Schäden vorbeigegangen sei, solange sie unterstützt wurden. «Es gibt aber je nach Schulart auch diejenigen, die sehr, sehr stark von Corona betroffen waren und die teilweise über Wochen und Monate gar nichts mit der Schule zu tun hatten», sagte Stoch. Es müsse mehr Schulsozialarbeit angeboten werden, außerdem müsse die Zahl pädagogischer Assistenten zunehmen.

Die Landesregierung hatte im Juli angekündigt, Tausende Hilfskräfte anzuwerben, um im neuen Schuljahr coronabedingte Lernrückstände an Schulen aufzuholen. Insgesamt sollten 25 000 bis 30 000 Hilfen im neuen Schuljahr mit Schülerinnen und Schülern Rückstände aufarbeiten, hatte Kultusstaatssekretärin Sandra Boser (Grüne) erklärt. Das Kultusministerium rechnet mit einem Start erst nach den Herbstferien.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert eine Einstellungsoffensive. «Zum Teil haben angehende Lehrkräfte keine Stelle erhalten», sagte GEW-Pressesprecher Matthias Schneider. «Wir brauchen die gut ausgebildeten pädagogischen Profis ab dem 13. September nicht in den Arbeitsagenturen, sondern in den Klassenzimmern aller Schularten.» Intensive Begleitung, Förderung und Arbeit in Kleingruppen funktioniere nur mit mehr Personal. «Das kann dann auch eine zusätzliche Schulsozialarbeiterin oder eine arbeitslose Gymnasiallehrerin sein, die im nächsten Schuljahr in einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum arbeitet.»

Rund 1,5 Millionen Schüler kehren am 13. September in ihre Klassen zurück. Sie erwartet zunächst für die ersten beiden Wochen eine Maskenpflicht – unabhängig von der aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz. Grund: Schutz vor der Ausbreitung von Virusvarianten durch Reiserückkehrer. (dpa)

Schülerbeirat findet: Schülerausweis ist als Testnachweis ungenügend

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

10 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Klaus Lehmkuhl
3 Jahre zuvor

Da traut sich endlich mal einer , die Wahrheit zu sagen . Dabei ist es einfach : Erneut sträflich schlechte Vorbereitung des neuen Schuljahres mit der unvermeidlichen Konsequenz von Wechsel – und Distanzunterricht . Der dann auch noch unnötig lange hinausgezögert wird .

Tina+2
3 Jahre zuvor

Schön, dass wenigstens ein (eher weniger wichtiger) Politiker der SPD das so sieht. Solange Scholz aber für das Gegenteil steht, spielt diese einzelne Meinung leider keine Rolle.

Die Durchseuchung der Kinder über den Präsenzzwang scheint deutschlandweit eiskalt beschlossen worden zu sein. Ohne Rücksicht auf tote Kinder, ohne Rücksicht auf Kinder, die möglicherweise für den Rest ihre Lebens unter Spätfolgen leiden werden müssen. Ohne Rücksicht auf Risikofamilien, in denen dann doch wieder die Eltern/Großeltern mit einem Schlauch im Hals auf der ITS oder auf dem Friedhof landen werden.

Meine Wut über diese wissenschafts-, kinder- und ethikfeindlichen Kultusminister und Landesegozentriker ist inzwischen grenzenlos!

Erbsenzähler
3 Jahre zuvor

Volle Zustimmung sehe ich auch so.
Allerdings bedenklich: Warum kommt diese Erkenntnis nur aus der Opposition? Macht verblendet offenbar. Sobald die Posten verteilt sind, verschieben sich die Prioritäten …

KARIN
3 Jahre zuvor
Antwortet  Erbsenzähler

@Erbsenzähler
Genau! Säße Stoch nicht in der Opposition, würde er genau in das gleiche Horn blasen , wie im Moment Grüne und CDU in BW!
Wer das nicht durchschaut, der weiss nicht, wie Politik z.Z. funktioniert!

Lanayah
3 Jahre zuvor

Diie übliche Parteipolitik. Die SPD ist nicht in der Landesregierung BW. Vielleicht sollte Herr Stoch diese berechtigte Kritik mal bei den SPD-geführten Ländern einbringen.

Jan aus H
3 Jahre zuvor

Natürlich wird es einen weiteren Lockdown geben. Aktuell lässt man die Infektionszahlen quasi ungebremst laufen. Die Anzahl der Krankenhauseinweisungen und der ITS-Patienten ist bereits im Steigen, obwohl beide Werte um Wochen hinter der Inzidenz herlaufen. Wer jetzt also eingewiesen wird, hat sich angesteckt, als die Inzidenz noch viel niedriger war.

Auch an den Schulen wird es Einschränkungen geben, denn Delta ist deutlich ansteckender als die bisherigen Versionen, ohne dass die “Schutzmaßnahmen” angemessen angepasst wurden. Es wird also wesentlich mehr Infektionen geben, ohne dass jemand gegensteuert. Tatsächlich gehe ich davon aus, dass bis zur Bundestagswahl rein gar nichts passieren wird… man wird es einfach laufen lassen. Wir sind aktuell in unserem Stadtkreis bei einer Inzidenz von 118 und haben einen R-Wert von 2,2. Wo wir dann in 5 Wochen sind, kann man sich leicht überlegen…

Dazu kommt, dass die Dunkelziffer aktuell enorm ist. Bundesweit wird beobachtet, dass die Positivquote statt bei 0,x% nun wieder bei 6% oder so liegt… bei uns war sie in der letzten Woche bei 44%.

Zurück zu den Schulen: Logischerweise wird es mit mehr Infektionen auch mehr Krankenhauseinweisungen von Kindern geben… die USA zeigen, in welche Richtung es geht. Wenn wir dann so bei 100 Einweisungen pro Tag angekommen ist, wird vermutlich den Politikern klar, dass man das nicht so laufen lassen kann…

Um da dann wieder runterzukommen, brauchen wir dann einen richtig langen Lockdown.

Vernünftig wäre (weil es für die Kinder keine anderen Schutzmaßnahmen als im Frühjahr gibt) die Bundesnotbremse wieder in Kraft zu setzen, also Distanzunterricht ab 165. Das würde auch die Motivation zur Anschaffung von Luftfiltern und somit Vermeidung von Infektionen deutlich erhöhen.

Xyz
3 Jahre zuvor

Und wieder verstehe ich nicht, warum die Präsenzpflichtbefreiung als Option ausgeklammert wird. Es wird nur schwarz-weiß gedacht: Präsenzschule mit hohem Infektionsrisiko oder Lockdown mit hohem sozialen Sprengstoff.

Bloß nicht jeden Einzelnen aussuchen lassen, was die individuell beste Option ist.

Rosa
3 Jahre zuvor

Herr Kretschmann der Kittel brennt und Schopper knutschen reicht nicht aus haben leider keine Vorkehrungen für Gesundheitsschutz in den Klassenzimmern getroffen. Frau Schopper spricht nur von etwaigen Lernrückständen und hat die Notlage der G8 Schüler nicht anerkannt. Kretschmann spricht nur für den Gesundheitsschutz in den unteren Klassen zu und für schlecht belüftbare Klassenzimmer zu und die anderen gehen leer aus. Die Augenwischerei und Blendwerk betreiben Kretschmann und Schopper auf Kosten der Schülergeneration und Elternschaft. Für das neue Schuljahr liegt kein tragendes Konzept auf dem Tisch für G8 Schulen und wie eine angemessene Aufarbeitung der Lernrückstände aufgearbeitet werden. Auch die Zusatzstunden bedeuten für G8 Schüler eine zusätzliche Belastung und die Schulen sind nicht aufgeklärt wie die Bildungsschwere im Klassenverband aufgearbeitet werden kann. Frau Schopper zeigt Ihr Gesicht nicht und Aufklärung leistet Sie auch nicht.

Leseratte
3 Jahre zuvor

Die BILD macht mal wieder mobil gegen die Coronaregeln in Schulen.

„Maske statt Frühstück! „Atem-Ecken“ im Klassenzimmer! BILD wird nicht eher ruhen, bis der Corona-Irrsinn an unseren Schulen ein Ende hat.
Denn: Die Politik hat zwar immer wieder betont, dass Schulen und Kitas Priorität hätten. Doch an vielen Schulen in Deutschland wird besonders hart reguliert, während Erwachsene immer mehr Freiheiten genießen…“

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/irre-corona-regeln-an-schulen-was-haben-sie-erlebt-77457110.bild.html

Sicher ist die eine oder andere Regelung nicht immer nachvollziehbar oder sinnvoll, manchmal vielleicht auch kurios, aber wo liegt denn die Ursache für solche Dinge? Doch darin, dass es an den meisten Schulen keine wirkungsvollen Schutzmaßnahmen wie Luftfilter gibt und man sich daher z.B. mit Masken behelfen muss. Diese Missstände sollten mal angeprangert werden!!!!
Abgesehen davon finde ich es immer wieder befremdlich, dass sofort, wenn eine neue Maßnahme ins Spiel kommt, die vorherigen abgeschafft oder eingeschränkt werden, statt mit dem Gesamtpaket an möglichen Schutzmaßnahmen den Schutz so hoch wie möglich zu halten. Zum Beispiel als die Tests kamen, hieß es, wir brauchen keine Masken mehr, obwohl ja jeder weiß, wie unzuverlässig die Schnelltests sind. Als die Impfung kam, waren Masken und Luftfilter aus der Diskussion. Es ist nicht zu verstehen. Und die 4. Welle rollt.
Und wenn man dann noch das liest, freut man sich auch als Geimpfter erst recht aufs neue Schuljahr (Ironie off)

+++ 22:28 Studie: Schutzwirkung hält nach überstandener Infektion länger als nach Biontech-Impfung +++
Der Schutz vor einer Corona-Infektion verliert nach einer Impfung mit Biontech viel schneller an Wirkung als nach einer durchgemachten Infektion. Das zeigt eine Studie aus Israel, an der rund 7000 Menschen teilnahmen. Demnach wurden bei den geimpften Teilnehmern nach der zweiten Spritze mit Biontech/Pfizer eine höhere Zahl an Antikörpern gemessen als bei den genesenen Probanden. Bei den Geimpften sank die Menge der Antikörper jedoch deutlich schneller – um bis zu 40 Prozent je Monat. Bei Genesenen nahm sie um weniger als 5 Prozent pro Monat ab.“

https://www.n-tv.de/panorama/12-55-Massive-Corona-Welle-in-Franzoesisch-Polynesien–article21626512.html

Bin Anfang Mai zum zweiten Mal geimpft. Wenn ich da mal so 4 Monate x40 % Wirksamkeit bis Schuljahresanfang wegrechne, dann bleibt im ungünstigsten Falle als Schutz… ups!!!
Klar muss man nicht das Schlimmste annehmen, aber einfach nur zu sagen, wer geimpft ist, kann ruhig täglich eine extrem hohe Viruslast in den Klassen ertragen, das dürfte schiefgehen. Die Inzidenz bei den Kindern bis 14 steuert bei uns Richtung 100, und das 2 Wochen, bevor der Schulbetrieb überhaupt erst wieder losgeht. Dann dürfte es spätestens vorbei sein mit den niedrigen Inzidenzen in Thüringen. Aber die Inzidenz hat ja sowieso ausgedient.