„Die Hochschulen brauchen ein soziales Wiederaufbauprogramm“ – Studenten kehren zurück in Hörsäle

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HANNOVER. Allein daheim vor dem Rechner hocken: Damit soll für Studenten nun Schluss sein. Im Oktober geht es für die meisten jungen Leute zurück in die Unis. Der Leidensdruck durch Vereinsamung nahm zuletzt zu. Doch ganz auf Online-Angebote verzichtet wird nicht.

Die meisten Universitäten in Deutschland wollen zum Start des diesjährigen Wintersemesters wieder so weit möglich in den Präsenzunterricht zurückkehren, so auch in NIedersachsen. «Dies entspricht dem Wunsch von Studierenden wie Lehrenden gleichermaßen», sagte eine Sprecherin der Leibniz Universität Hannover. Ganz auf Online-Vorlesungen soll aber nicht verzichtet werden.

Keine Partys mehr, keine gemeinsamen Mensabesuche: Vor allem Sozialkontakte haben den Studentinnen und Studenten in der Corona-Zeit gefehlt, teilte die Uni Hildesheim auf Basis einer neuen bundesweiten Befragung von über 2500 jungen Leuten mit. Das Kernergebnis war: «Das Lernen läuft, das soziale Miteinander fehlt», erklärten Severine Thomas und Dorothee Kochskämper vom Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Uni.

Mit dem Wintersemester soll die Hochschullehre zumindest zum Teil wieder in Präsenz übergehen. Für die Universitäten ist das mit Kosten verbunden. Foto: Shutterstock

In einer aktuellen Befragung hätten über 91 Prozent der Studierenden angegeben, dass ihnen die Gespräche mit den Kommilitonen fehlten. Zwei Drittel und damit der weitaus überwiegende Teil der Befragten gab offen zu, aufgrund der Pandemie seelische Beschwerden bekommen zu haben. «Dieser Anteil ist noch einmal deutlich angestiegen», hieß es.

Technisch lief es dagegen zuletzt besser als zu Beginn der Pandemie: 29 Prozent der Studierenden sagten, die Online-Lehre sei eine Herausforderung, bei der ersten Erhebung 2020 waren das noch 43 Prozent. Der Schluss der Forscherinnen: «Die Hochschulen brauchen ein soziales Wiederaufbauprogramm, um soziale Unterschiede in den Hochschulen nicht weiter zu verschärfen.»

An der Uni in Hannover dürfen ab Oktober nur noch geimpfte, genesene oder getestete Menschen die Gebäude der größten Universität in Niedersachsen betreten. Die 3G-Regel soll durch Mitarbeiter an den Gebäude- und Hörsaaleingängen kontrolliert werden. Die Impfquote unter den Studentinnen und Studenten ist laut der Sprecherin sehr hoch: «Studien belegen bis zu 90 Prozent.»

Die Uni kündigte auch an, wenn sich Beschäftigte oder Studierende nicht an 3G hielten, sei das eine Verletzung des Hausrechts, die angezeigt werde. Notfalls wolle man zusätzliche Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes anfordern, um die Einhaltung der Regeln zu überprüfen. «Wir müssen das zu Anfang machen, damit wir den Betrieb in Gang bekommen. Dann werden wir sehen, wie viele die Regeln tatsächlich zu unterwandern versuchen», wurde die Uni-Vizepräsidentin für Lehre, Julia Gillen, zitiert.

Ob eine Veranstaltung vor Ort oder weiterhin online stattfindet, entscheiden aber letztlich die Lehrenden. Onlineangebote werden zudem bei großen Grundlagenvorlesungen zusätzlich angeboten. Die Universität in Hannover zählt momentan mehr als 30 000 Studentinnen und Studenten.

Auch an der Georg-August-Universität in Göttingen wollen die Verantwortlichen möglichst viel Präsenzlehre anbieten. Vorlesungssäle und kleinere Unterrichtsräume sollen dabei aber höchstens zur Hälfte besetzt werden. Soweit wie mögliche sollen alle Lehrveranstaltungen auch live gestreamt werden. Dadurch sollen auch Studierende teilnehmen können, die sich in Quarantäne befinden oder sich noch nicht in größere Menschenmassen trauen.

Und auch in Göttingen wird die 3G-Regelung kontrolliert. «Wir gehen im Moment von einer Kontrolle an den Eingängen von größeren Lehrveranstaltungsgebäuden aus, beispielsweise am zentralen Hörsaalgebäude», sagte ein Sprecher der Universität.

An der Technischen Universität Braunschweig sollen in der kommenden Vorlesungszeit möglichst alle Vorlesungen und Seminare vor Ort stattfinden, die weniger als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben. Größere Veranstaltungen und solche, bei denen sich die digitale Form in den letzten Semestern bewährt habe, sollen weiter online angeboten werden, sagte eine Sprecherin.

In Bremen soll die 3G-Regelung im Wintersemester per QR-Codes an den Zugängen überprüft werden. «Wir arbeiten gerade an elektronischen Lösungen», sagte eine Sprecherin der Universität. Jede Lehrveranstaltung habe demnach einen QR-Code, über den sich die Teilnehmenden über eine App an- und abmelden müssen. Die 3G-Regel gilt seit Anfang August auf dem gesamten Campus-Gelände. Bei den Vorlesungen und Seminaren verfolge man ein zweigleisiges System mit einer Mischung aus Präsenz- und Online-Lehre.

Auch in anderen Bundesländern laufen Planungen den Präsenzbetrieb wieder aufzunehmen, in der Regel als Hybridsemester. Um das Leben auf dem Campus wieder in Gang zu bringen, aber auch die Studenten wieder zu motivieren, haben einige Hochschulen Initiativen gestartet. So soll es etwa an der Technischen Hochschule Wildau mit dem Start des Wintersemesters eine Welcome (Back)-Initiative. Dabei sollen alte Netzwerke reaktiviert werden und neue entstehen. Neben Einführungsveranstaltungen soll es auch eine Fahrradtour von Grünau nach Wildau mit Frühstück auf dem Campus geben. (dpa)

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