Nein, wir ziehen nicht immer die gleichen Materialien aus der Schublade – Philologen räumen zum „Tag des Lehrers“ mit Vorurteilen auf

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MÜNCHEN. Heute, am 5. Oktober, ist der Tag des Lehrers. „Es ist Zeit für mehr Wertschätzung und Anerkennung dieses unverzichtbaren Berufes!“, so meint der Bayerische Philologenverband (bpv) – und erklärt Eltern, was Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich leisten. Dafür tritt er den drei am häufigsten kolportierten Vorurteilen gegenüber den Angehörigen des Berufsstands entgegen.

In der Pandemie waren (und sind) die Herausforderungen für Lehrkräfte besonders groß. Foto: Shutterstock

„Die Pandemie mit den Schulschließungen hat gezeigt: Lehrerinnen und Lehrer – nie waren sie so wichtig wie heute! Sie leisten durch ihren Bildungsauftrag wichtige soziale, erzieherische, integrative und gesellschaftliche Aufgaben – sie sind eine notwendige und unverzichtbare Ergänzung und Unterstützung der elterlichen Erziehungsarbeit. Wenn Lehrkräfte fehlen, klaffen schmerzliche Lücken“, so stellt der Bayerische Philologenverband fest, der Lehrkräfte an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen vertritt. Er will daher zum Tag des Lehrers mit den drei größten Vorurteilen gegenüber Lehrerinnen und Lehrern aufräumen.

Wir veröffentlichen den Text im Wortlaut:

 „Urlaub und Ferien sind nicht deckungsgleich!

Damit ein Schuljahr reibungslos abläuft, bedarf es im Vorfeld unterrichtlicher und außer­unterrichtlicher Planungen. Schulleitungen und Lehrkräfte sind daher auch während der Ferienzeiten im Einsatz. Beispiele der letzten Zeit waren die Einbindung von Hard- und Soft­ware in die pädagogischen Netze oder die Inbetriebnahme der Luftfilteranlagen, die in den Schulen im besten Falle bereits in den Sommerferien umgesetzt werden mussten.

Doch Ferienzeit ist immer auch Vorbereitungs- und Korrekturzeit: Während beispielsweise die Weihnachtsferien für die Bewertung der Seminararbeiten der Oberstufe genutzt werden, sind die Pfingstferien in der Regel von Erst- und Zweitkorrektur der Abiturprüfungen sowie von der Vorbereitung auf die mündlichen Abiturprüfungen betroffen. In den vergangenen Sommerferien gab es außerdem an einem Großteil der Schulen Ferienkurse zum Aufholen der „Corona-Lücken”. Diese sogenannte „Sommerschule“ wurde auch von Lehrkräften koordiniert und teils selbst gehalten. Zur Erinnerung: Im Frühjahr 2020 erklärte das Kultus­ministerium die Faschingsferien zur unverzichtbaren Lernzeit im Distanzunterricht und strich diese ersatzlos.

 Unterrichtsmaterial bedarf ständiger Anpassung!

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Einmal vorbereiten und dann jahrelang alles aus der Schublade ziehen – das galt schon in der Vergangenheit nicht und ist jetzt nicht richtiger geworden. Mit der Welt außerhalb der Schule ändern sich auch die Lerninhalte und Methoden bei der Vermittlung. Am Gymnasium zum Beispiel ist die aktuelle 10. Jahrgangsstufe der letzte Jahrgang des achtjährigen Gym­nasiums. Bis zur 9. Jahrgangsstufe gilt es bereits, den neuen Lehrplan des „G9 neu“ umzu­setzen. Und das unter erschwerten Bedingungen, wenn man bedenkt, dass vielerorts nach wie vor Schulbücher für die 8. und vor allem 9. Klassen fehlen.

Natürlich ist auch jede Klasse anders – unterschiedlich groß mit unterschiedlichem Vorwissen, unterschiedlicher Motiva­tion und unterschiedlicher Tagesform. Inhalte müssen stets individuell angepasst werden. Gerade der Distanzunterricht hat zudem neue und innovative Methoden und Ideen geför­dert: Erklärvideos, digitales Feedback, Motivieren in einer Videokonferenz und Entspan­nungsübungen für die Pausen am Schreibtisch daheim – Lehrkräfte müssen auf neue Gegebenheiten reagieren und flexibel agieren.

Fulltime-Job oft auch in Teilzeit

Schon seit Jahren steigen von allen Seiten die gesellschaftlichen Ansprüche an Schule. Unterricht zum Thema Nachhaltigkeit, Studien- und Berufsorientierung, Medienbildung und Demokratieerziehung sind nur einige der zu nennenden Aspekte. Neben dem „sichtbaren“ Unterricht, der nicht nur an Ganztagsschulen auch am Nachmittag stattfindet, haben die außerunterrichtlichen Anforderungen an die Lehrerschaft also deutlich zugenommen. Ganz zu schweigen von der Digitalisierung, dem Mammutprojekt der Bildungsinstitutionen, bei dem es mit der bloßen technischen Ausstattung noch lange nicht getan ist.

Vielmehr geht es um die pädagogische Einbettung und Nutzbarmachung. Die überwältigende Fortbil­dungsbereitschaft unter Lehrkräften zum Themenfeld „digital gestützter Unterricht“ in den letzten beiden Schuljahren, mit Online-Fortbildungen am Nachmittag oder Selbstlern-Kursen in der Freizeit, zeigt spiegelbildlich das Ausmaß der Veränderung. Laut einer aktuel­len bpv-Umfrage zum Schulstart nutzen nun rund 80 Prozent der bayerischen Lehrkräfte an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen parallel zum Präsenzunterricht in ihren Klassen digitale Tools. Und fast 90 Prozent geben in derselben Umfrage an, dass im laufenden Schuljahr wieder – soweit möglich – auf außerunterrichtliche Aktivitäten wie Exkursionen, Schulfahrten und Schulveranstaltungen gesetzt wird. Ein weiterer Beleg für das enorme Engagement von Lehrerinnen und Lehrern über den normalen Unterricht hinaus.“

Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands, erklärt: „Lehrkraft zu sein ist zweifelsohne ein anstrengender Beruf, der Idealismus, Einsatz, Kreativität, Resil­ienz und Flexibilität erfordert. Angesichts einer immer häufiger anzutreffenden 24/7-Service-Erwartungshaltung gewinnt das Thema Lehrergesundheit zukünftig noch mehr an Gewicht. Lehrkraft zu sein ist aber auch ein in höchstem Maße erfüllender und Sinn stiftender Beruf, gerade wenn man gut mit Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen umgehen kann und dies auch gerne tut. Im Besonderen an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen, wenn man seine Fächer beherrscht, von ihnen begeistert ist und diese Begeisterung weitergeben möchte. Dieser Blickwinkel sollte am Tag des Lehrers nicht zu kurz kommen.” News4teachers

Wie können Lehrer der zunehmenden Heterogenität erfolgreich begegnen? bak-Seminartag macht deutlich: Nur im Team!

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Honigkuchenpferd
2 Jahre zuvor

Selber Lehrer, finde ich die Aussagen aber auch nicht ganz korrekt.

– Ich benutze oft wieder die gleichen Materialien (wenn möglich).

– Ich mache in den Ferien oft nichts für die Schule, sehe das aber als gerechten Ausgleich für die Mehrarbeit während der Unterrichtszeit.

– Ich finde, man hat als Teilzeitkraft durchaus weniger zu tun, z.B. weniger Korrekturen, weil weniger Stunden/Klassen, aber auch die Teilzeitkraft hat Mehrarbeit in der Unterrichtszeit und dann den Ausgleich in den Ferien.

Nach meiner Beobachtung geht es anderen Kollegen oft so wie mir. Ich würde sagen, je älter und erfahrener, desto weniger Aufwand hat man noch und macht man sich.

DerechteNorden
2 Jahre zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

In Teilzeit verdient man aber auch weniger, oder nicht? Wenn man da genauso viel arbeiten müsste, wäre das schon ziemlich ungerecht.

Honigkuchenpferd
2 Jahre zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Ja, sicher, aber im Artikel und auch „im Leben“ wird immer wieder behauptet, Teilzeitkräfte hätten letztlich genauso viel Arbeit wie Vollzeitkräfte, aber weniger Gehalt. Das ist Quatsch, sehe ich auch so!

Ulrike
2 Jahre zuvor

„Nein, wir ziehen nicht immer die gleichen Materialien aus der Schublade.“
Stimmt. Nicht immer. Aber schon auch mal…
Das ist ja auch gar nicht schlimm. Schlimm ist es erst, wenn das als Legitimierung der Privilegien gebetsmühlenartig wiederholt. Scheinbar kommt von den neu erarbeiteten Konzepten und Unterrichtsmodellen bei SuS sowie Eltern wenig an. Wenn der Unterricht gut ist, den Kindern Spaß macht und die Kinder was lernen, ist doch alles gut. Dann kann man auch sagen: die Ferien hab ich mir verdient. Aber dieses rechtfertigen und jammern prägt das LuL Bild in der Öffentlichkeit. Und nicht immer zu unrecht.

DerechteNorden
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrike

Wäre schön, wenn Sie sich als Elternteil mal stark für bessere Bedingungen in Schulen machen würden, damit Lehrkräfte sich nicht andauernd rechtfertigen müssten. Danke!

Pensionist
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrike

Zu „Materialien aus der Schublade“:

Als Lehrer am Gymnasium unterrichtet man zwei Fächer in neun Klassenstufen. Das sind 18 verschiedene Unterrichtsvorbereitungen, die man sich in den ersten Dienstjahren erst einmal erarbeiten muss. An einem großen Gymnasium gibt es dann auch noch verschiedene Zweige (math/nat, sprachlich, sozial), deren unterschiedliche Lehrpläne zu berücksichtigen sind.

Und wenn man dann nach zehn Jahren glaubt, es endlich geschafft zu haben, fällt dem Minister ein, auf ein sogenanntes Spiralcurriculum umzusteigen, bei dem die Reihenfolge der Unterrichtsthemen durcheinander gewirbelt wird. Oder der Ministerpräsident höchstselbst kommt auf die Idee, dass man das Gymnasium auf acht Jahre komprimieren könnte. Das schmeißt die ganzen schönen Vorbereitungen über den Haufen.

Zu „Legitimierung der Privilegien“:

Das wollte ich schon immer wissen: Welche Privilegien?

DerechteNorden
2 Jahre zuvor

Unser Beruf ist toll! Leider arbeitet die Politik daran, ihn immer unattraktiver werden zu lassen, denn auf gesellschaftliche Veränderungen wird nicht reagiert. Immer weniger können wir den Kids gerecht werden, weil uns immer mehr aufgebürdet wird. Kostet ja nichts extra, wenn Lehrkräfte immer weitere Aufgaben übernehmen müssen.
Wo sind die Eltern, die sich mal für uns und damit automatisch auch für ihre Kinder stark machen?

Rosa
2 Jahre zuvor

Die Kinder und Jugendlichen brauchen tragende Konzepte um die Folgen der ausgebremsten Zeit aufzuarbeiten.https://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen_artikel,-ludwigshafen-mehrzahl-der-kinder-und-jugendlichen-besorgt-_arid,1860663.html Der Hilferuf dieser heranwachsenden Generation kann man nicht überhören und es Handlungsbedarf gefordert.

Rosa
2 Jahre zuvor

Es ist Handlungsbedarf gefordert und diese Zeit hat an den Schulen tiefe Spuren hinterlassen und es hat tiefe Spuren an den Schulen, Schulleitungen, Lerhrer ,Schüler und Elternschaft hinter lassen.https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/psychische-probleme-unicef-101.html Die Folgen der Pandemie sind von den KM und der Politik nicht mit aller Ehrlichkeit anerkannt worden. Das Aufholprogramm ist für alle an der Schule eine Mogelpackung der Augenwischerei und Blendwerk für die letzten in der Reihe! Die Kinder und Jugendlichen sind die Leidtragenden in dieser Zeit gewessen und die Lehrer haben für diese Generation unermüdlichen Einsatz geleistet. Jegliche Hilfe von KM und Politik ist mit keiner Ernsthaftigkeit vertreten worden. Ist man nach dieser langen Zeit dem Weltlehrertag Raum einzuräumen auf Besserung der schlechten Zustände, nach dieser schweren Lebenskrise.

Dil Uhlenspiegel
2 Jahre zuvor

„wir ziehen nicht immer die gleichen Materialien aus der Schublade“
Stimmt nicht. Ich habe gar keine Schublade.

Falls sich jemand aber ernsthaft dafür interessiert, woran es im Bildungsbereich krankt, kann er/sie sich ein paar Tage freinehmen und mit mir auf Safari im Schulalltag gehen, wo wir so manches Wilde entdecken werden.

Alla
2 Jahre zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Danke, @Dill Uhlenspiegel,
es werden Vorurteile bedient und irgendwie geraten die wirklichen Probleme aus dem Fokus!

In meiner Schulzeit zog der Deutschlehrer ein Buch von 1774 zum Unterricht heran! Unglaublich antiquiert!! Es hieß: „Die Leiden des jungen Werthers“ von einem Schriftsteller, der sich Johann Wolfgang von Goethe nannte. 😉

Und keiner der Eltern fand das schlimm! Also, wir schon, es war extrem deprimierend! Aber, hej, wir haben es überlebt, (nur ein Suizidversuch, der auch noch schief ging,) und aus uns ist trotzdem etwas geworden!
Ironie off!

Doppel A14
2 Jahre zuvor

Also uns reicht A 28! Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen.
Diese Rechtfertigungsorgie der Philologen ist armselig und völlig überflüssig.
Interessiert keinen, das Gehalt fließt und everybody’s darling ist bekanntlich….

Katinka
2 Jahre zuvor

Ich verwende manches an Unterrichtsmaterial durchaus mehrfach, aber das geht immer nur relativ zeitnah, da es ständig Reformen (G8, G9, wieder G8), neue Lehrpläne und neue Lehrbücher gibt, wo das alles dann nicht mehr passt. Auch ändern sich Vorgaben zum Erstellen von Leistungsnachweisen, dass ich auch die nach ein paar Jahren nicht mal mehr zum Üben nehmen kann. Von daher: in den darauffolgenden 2-3 Jahren kann man Material häufig nochmal verwenden, sofern man die gleiche Klassenstufe hat, danach in meinen Fächern schon nicht mehr.

Birgit Arndt
2 Jahre zuvor

Wär doch auch schlimm, wenn wir einmal Erarbeitetes und gut Laufendes nicht wiederverwenden würden!
Die Erfahrung und das Kennenlernen der „“Klippen“ macht es dann, dass der Unterricht immer besser durchdacht und immer schülergerechter angepasst werden kann.Insofern ändern sich dann Methoden oder Herangehensweisen, aber bestimmte Fakten werden sich nie ändern, und 1+1 wird immer zwei bleiben.

KaGe
2 Jahre zuvor

Meine Schüler beschweren sich, wenn ich nicht mehr das Gleiche in Technik mache. Und nun?

(Ich habe es mal ändern wollen, meine Güte, gab das einen Protestwind)

Sowasaberauch
2 Jahre zuvor

Meine Güte. Haltet die Eltern und SuS doch nicht für dumm. Es gibt die, die guten Unterricht machen. Egal ob mit altem, neuem, hübsch gebasteltem oder pragmatischem, selbst erstelltem oder irgendwo besorgtem Material. Es gibt die, die sich den Arsch aufreißen und die, die sich auf ein Minimum zurückziehen. Und wenn Eltern mehrere Kinder an der gleichen Schule haben, dann bekommen die sehr wohl mit, ob ein AB oder ein Test schon mehrmals im Einsatz war. Wenn die Kinder gerne lernen und den Unterricht gut finden, merken die das auch. Aber auch, wenn von LuL wenig Engagement oder Rückmeldung oder Einsatz kommt. Dann sind alle unzufrieden. Zu Recht.
Was ist daran verwerflich, dass sich die Lehrpläne ändern? Die Gremien im KM sind von LuL besetzt, die haben vielleicht nicht immer die gleiche Sichtweise wie viele/manche/andere LuL , aber Recht machen kann man es ja eh niemanden. Meine Güte, so ist das halt.
Von daher: Materialien aus der Schublade ziehen? Ja, das machen LuL. Die einen machen es gut, die anderen machen es schlecht. Und denen, die es nicht gut machen, Rückmeldung zu geben ist doch wohl ok, oder nicht?